Vielleicht
erinnern Sie sich an den Post, in dem ich einen Besuch in einem Philippinischen
Restaurant bei mir um die Ecke geschildert habe; das Stichwort des Posts war
«Unique Selling Point». Die lieben Besitzer boten nämlich als einzige originale
Speisen aus diesem Land an, darunter – die Philippinische Küche ist keine
reiche – ein Geschnetzeltes mit Knorpel. Natürlich konnte sich so ein Lokal in
Basel nicht lange halten. Die Räume standen seit einem Jahr leer.
Nun hat
kürzlich dort ein Italiener aufgemacht. Und da mich neue Lokale immer
interessieren, machte ich mich auf den Weg. Das Ristorante «Bella Fiora» bot an diesem Abend einen 4-Gänger für 65.-:
Insalata con Sfarriacio / Salat mit Sfarriaco / Salade with
Sfarracio
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Spaghetti á l’ Urbino / Spaghetti Urbiner Art / Spaghetti
«Urbino Style»
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Drusalio con Peppero / Drusalio mit Pfeffer / Drusalio with
Pepper
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Frudecci con Cioccolata / Frudecci mit Schokolade / Frudecci
with Chocholate
Ich sass
eine Weile fassungslos vor der Karte. Warum in aller Himmels Namen muss man
Dinge übersetzen, die nun jeder noch so fremdsprachenunbegabte Mensch doch
irgendwie hinbekäme? «Insalata», «Peppero» und «Cioccolata» muss doch auch ein
Wanne-Eickler, der sich bei keinem Urlaub nennenswert von seinem Pool entfernt
hat, ein Castrop-Rauxler, der nur in Hotels mit Deutscher Küche geht oder ein
Dortmunder, der so wilde Regionen wie Apulien nur mit einer geführten Tour von
Müller-Reisen besuchen würde, verstehen. Selbst Jack aus Ohio, der die Welt mit
dem Motto «It’s great to speak foreign languages» bereist – und damit meint, es
sei grossartig, dass alle SEINE Sprache können, muss doch eine gewisse
Interpolationsfähigkeit besitzen und z.B. bei Zucchero – Sale – Peppero / Salt
– Sugar – Pepper die Zuordnung hinbekommen, zumal seine ganzen schulischen
Prüfungen zu 35% aus solchen Zuordnungsaufgaben, sogenanntem «Matching»
bestanden.
Umgekehrt
ist es natürlich superwitzig, die entscheidenden Sachen NICHT zu übersetzen.
Ich bin x-mal in Italien gewesen und spreche leidlich Italienisch, aber diese
Ausdrücke waren mir noch nie begegnet. So musste ich das tun, was die deutsche
Übertragung ja vermeiden sollte, ich musste den Kellner konsultieren.
Sfariaccio –
so erzählte der Signore – sei ein sehr eigenartiger Pilz, der ausschliesslich
in Bauruinen vorkomme. Davon gäbe es in Italien zwar genug, aber die Menge
reichte dennoch nicht für den Export. Nun sei das Phänomen der Bauruine, damit
meine er Bauten, an denen jahrelang nichts getan wird, über die Alpen geschwappt,
und man habe z.B. am Flughafen Berlin-Brandenburg grössere Populationen
gesichtet.Das mit Urbino – ich hatte darauf hingewiesen, dass ich in dem Marken-Städtchen schon gewesen sei – sei gewissermassen eine Eigenerfindung, nicht so wie bei «Bolognese» oder «Napoli» Die Spaghetti würden mit einer Sauce aus Tomaten, Zwiebeln und Speck serviert, das habe seine Tante immer so gekocht, und die sei eine Urbinerin gewesen.
Drusalio sei ein Vogel, ähnlich dem Rebhuhn. Das Besondere an ihm sei, dass er sich in Süditalien schon so den Menschen angepasst habe, dass er manchmal tagelang starr auf seinem Baum verharrt, er macht «sciopero», er streikt.
Frudecci – last but not least – seien kleine römische Frucht-Törtchen, die immer an das Volk verteilt würden, wenn eine neue Regierung drankommt, früher also eine seltene Spezialität, heute überfresse man sich fast daran.
Ich fragte
ihn nun doch, was das Lokal sich mit der bescheuerten dreisprachigen
Speisekarte gedacht habe. Man verstehe das Entscheidende ja doch nicht. Seine
Antwort war lapidar:
Die Kunden
wollen es so. Man habe, so er, in Italien Experimente gemacht und in verschiedenen Gaststätten ein- oder mehrsprachige Speisekarten ausgehängt. Die Touristen seien zu 70% mehr in die Lokale gegangen, in denen Wörter wie «con», «pomodoro», «peppero», Begriffe wie «grillata» oder «cioccolata» übersetzt gewesen seien. Auch eben dann, wenn die Reisenden das Entscheidende, nämlich die ihnen unbekannten Pastasorten, die Fleischarten, wenn sie seltene Pilze und seltene Fische nicht verstanden hätten.
Und deshalb sei ein «Insalata con Sfariaccio» eben ein «Salad with Sfariaccio».
Die
Menschheit ist bescheuert.
Das Essen
war übrigens deliziös. Der Salat war herrlich dressiert und der Pilz sehr
aromatisch, den sehr bäuerlich-deftigen Spaghetti folgte ein Geflügel, das zart
wie der Himmel war und gerade genug Pfeffer abbekommen hatte, um pfeffrig, aber
nicht zu pfeffrig zu sein, und die Törtchen (Mürbteig, Erdbeeren und Kirschen)
waren ein Gedicht.
Bleibt zu hoffen, dass sich dieses Ristorante mit der etwas versteckten Lage dieses Mal hält.
Bleibt auch
zu hoffen, dass der FBB nie fertig wird, es wäre schade um die Pilze.
Und es
bleibt zu hoffen, dass die Italiener nicht diese Polit-Reform machen, die da
angestrebt wird, es gäbe nämlich weniger Regierungskrisen und weniger Törtchen.
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