Freitag, 2. September 2016

Zweyte Theile sind Unding

Neulich erschütterte ein unglaubliches Ereignis die germanistische Fachwelt: Auf einem Dachboden in Weimar wurde ein bisher unbekanntes Fragment von Friedrich Schiller gefunden, und zwar ein Fortsetzungs-Versuch der Maria Stuart. Das Abstract geht ungefähr so:

Die Handlung spielt in Calais, ein paar Tage nach Ende des ersten Teiles. Elisabeth ist dem zu Schiff nach Frankreich gereisten Graf Leicester nachgefahren, um ihn zur Rede zu stellen. Zu ihrer Verwunderung muss sie feststellen, dass Leicester nicht wegen des Fehlurteils, sondern wegen seiner Neigungen verschwand und sich in Calais mit Francois de la Couchette, einem französischen Adligen liiert hat. Als die drei gerade frühstücken, trifft die bombenmässige Nachricht ein, dass Maria die Hinrichtung überlebt hat, geflohen ist und sich in Paris befindet. Dort ist sie eine Liaison mit Paulette de la Couchette, der Schwester des französischen Grafen eingegangen. Das Trio beschliesst, sofort nach Paris zu reisen…

Hier bricht das Manuskript ab. Schiller erkannte wohl, dass er dieses Mal ein wenig zu oft die berühmte Schublade mit den faulen Äpfeln (seine persönliche Droge) aufgezogen hatte und dabei war, riesengrossen Mist zu verfassen. Und weil er sich nach dem Fiesco-Fiasco nicht noch einen Stuart-Stuss leisten wollte, endet das Manuskript nach zehn Seiten. Auch daran erkennt man das Genie, dass es merkt, wenn es auf dem Holzweg ist.

Durch diesen Fund erklärt sich auch endlich die kryptische Bemerkung Goethes zu Eckermann, die man bislang auf den Faust bezogen hatte. Eckermann notierte nämlich:

«Zweyte Theyle sind Unding.»

Warum wird dieser intelligente Ausspruch des Grossmeisters so wenig beherzigt?
Nehmen Sie doch nur einmal das Folgende: 

Da hat ein Geheimagent das Gedächtnis verloren und weiss nicht mehr, wer er ist und warum er im Mittelmeer mit einer Kugel im Körper im Wasser trieb. Und er weiss auch nicht, weshalb die halbe Welt hinter ihm her ist. Am Ende des Films hat er die Erinnerung an das missglückte Attentat wieder, eine nette Freundin, ein neues Domizil in Griechenland und die besagte halbe Welt ist tot. Der Cliffhanger war sein Name, den findet er nämlich erst im zweiten Teil heraus und mit den Worten «Your real name is…» ist der Kreis geschlossen.
Der natürlich eine Fortsetzung bekam, die man in den zweiten einschob, man muss nun Film II bis Minute 85 gucken und dann auf Film III springen. Immerhin ein genialer Trick. Es wurde aber noch schlimmer, denn in Film IV trat ein anderer Agent nun auf einmal das Vermächtnis jenes Vliesbeschaffers an, er trat in seine Fussstapfen, er folgte ihm nach.
Leider folgte das Publikum den Machern nicht, denn der Film floppte, was natürlich daran lag, dass es eben nicht DER Jason war, nicht der so unglaublich smarte Matt Damon, man wollte keinen anderen. Und nun ist der echte Bourne und the in my opinion sexiest man alive zurück und wir haben Teil V. Und obwohl ich ein unglaublicher Matt-Fan bin – haben Sie schon gemerkt, woran? – werde ich mir Teil V nicht anschauen. Irgendwann ist gut.

Was haben die Bourne-Macher vor?
Wollen sie die bisherigen Rekorde der Filmindustrie überbieten? Müssen sie noch ein bisschen drehen, bis sie «Strongman» (93 Filme), «Bauernmädchenreport» (80 Filme) und «Star Peace» (77 Teile) überboten haben werden. (Beachten Sie das schöne Futur II)

Es ist bezeichnend, dass es ab 5 Teilen kein geläufiges Wort mehr gibt, drei ist Trilogie, bis vor einigen Jahren sprach man auch von der «Jason Bourne-Trilogie», vier ist Tetralogie, aber was ist 5,6,7? Pentalogie, Hexalogie und Heptalogie? Klingt so bescheuert, wie es ist. Oder müsste man bei vielen Hollywood-Dauerproduktionen sogar von den noch bescheuerter klingenden Polylogien sprechen?

Wenn es am schönsten ist, soll man aufhören. Stellen Sie sich vor, sie machen etwas solange, bis sie wirklich, wirklich, wirklich genug haben. Dann ist das letzte Mal nicht mehr schön gewesen. Wenn Sie am Urlaubsort bleiben, bis ihnen alle die Piazzas und Portos auf die Nerven gehen, haben Sie sich den Urlaub versaut, wenn Sie solange weiteressen, bis Sie kotzen müssen, haben Sie vom ganzen Essen nix gehabt. Wenn Sie immer was «dranhängen», wenn Sie immer Supplement wollen, bekommt alles einen schalen Beigeschmack. 

Zweyte Theyle sind Unding.
Dummerweise hat der Weimarer Grossdenker sich selber nicht daran gehalten, er hat uns nicht nur den Faust II beschert, den niemand versteht, den niemand aufführen kann, der nur da ist, damit Schüler darüber Abitur Aufsätze schreiben können,
(Diskutieren Sie das Verhältnis Fausts und Helenas auf dem Hintergrund der Gretchentragödie. Nehmen Sie dabei Bezug auf die aristotelische Idee von Beziehung…)
nein, er hat auch zur Zauberflöte einen zweiten Teil probiert, ich habe den mal angefangen zu lesen, aber, nee, da gucke ich mir lieber noch Bourne V an, oder die 78. Folge von Strongman oder die 65. Folge der Bauernmädchen.
Zu seiner Ehrenrettung: Auch dies blieb Fragment wie bei Bruder Friedrich...

Zweyte Theyle sind Unding.
Und dritte auch, und vierte erst recht, und von fünften wollen wir gar nicht reden.    

                                                    



  

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