Gucken Sie
jetzt gerade auch so viel Fussball? Ist doch hochspannend, nicht? Ach, ich
liebe es, wenn EM oder WM oder irgendeine UEFA-Liga oder FIFA-Liga oder sonst
was ist. Es ist immer eine sozusagen rechtsfreie Zeit, die Zeit der WM und EM
und UEFA/FIFA-Sonstwas-Ligen. Man darf zu jeder Tages-und Nachtzeit Bier
trinken, man darf zu jeder Tages- und Nachtzeit Chips essen und in vielen,
vielen Wohnungen ist sogar das Rauchverbot aufgehoben. Am schönsten ist
natürlich Pablick Vjuing, ich liebe Pablick Vjuing, was gibt es Schöneres, als
an lauen Sommerabenden auf einem Platz zu sitzen und das Spiel auf
Grossleinwand zu sehen? Gut, allerdings müsste man dafür erst einmal laue
Sommerabende haben, wir haben ja gerade so einen vorgezogenen Herbst, ich habe
neulich darüber gepostet – und der Mann oder die Frau am himmlischen Wasserhahn
hat den Post offensichtlich nicht gelesen.
Neben den
Spielen und Spielzügen und Spielvorgängen liebe ich aber noch bis zwei Dinge
heiss und innig: Den Trikottausch und die Kommentarphasen. Ok, der Tausch ist
eigentlich gar nicht mehr so nötig wie früher, weil die Shirts hauteng
anliegen, aber dennoch. (Warum ist das eigentlich so? Ist das wirklich, weil
die sich sonst an den Hemden reissen, das wäre ja eine Bankrotterklärung, wenn
man die Leibchen nicht mehr weit schneidern darf, weil sonst an ihnen gerissen
wird…)
Viel mehr
als das liebe ich aber die Expertenrunden und Spielerkommentare. Hier menschelt
es so schön, hier zeigt sich das Naive und Einfache im Homo sapiens, und zwar
egal, ob bei der Elf oder bei den «Fachleuten», die traulich im Studio
zusammensitzen:
«Die
Verteidigung war nicht gut aufgestellt»
Logo, das
habe ich bei 8 eingefangenen Toren auch gemerkt, wäre sie gut aufgestellt
gewesen, wäre das nicht passiert.
«Der
Torhüter hat im entscheidenden Moment versagt.»
Würde ich
beim 1:2 in der 90. Minute auch so formulieren.
«In der
zweiten Halbzeit müssen die Albaner mehr in den Ballbesitzt kommen.»
Wow, der
Fachmann hat tatsächlich gemerkt, dass die Engländer zu 75% im Ballbesitzt
waren, ich allerdings auch, nicht, weil ich Fussballgenie bin, sondern weil es
eingeblendet wurde.
«Ein
ausgeglichenes Spiel.»
Gut, kann
man so sagen, 1:1, Ballbesitz 50% - 50%, Torchancen 4/4. War alles angezeigt.
Noch schöner
als die Expertenmeinungen sind natürlich die der Spieler. Hier stammeln völlig
ausgepowerte, erschöpfte, völlig dehydrierte und fertige Leute einen Unsinn in
die Mikrophone, nicht, weil sie doof sind, nicht, weil sie blöd sind, sondern
eben weil sie ausgepowert, erschöpft, weil sie dehydriert und fertig sind. Da
kommen dann grammatikalisch und logisch, kommen wortschatz- und sinnlose
Äusserungen aus den Mündern, dass einem die Spieler nur leidtun können. Machen
Sie einmal die Triathlon-Probe: Laufen Sie 3000m, schwimmen Sie einen Kilometer
und fahren Sie 20km Rad. Lösen Sie dann einen IQ-Test. Sie werden in der Skala
zwischen lern- und geistig behindert landen. Ihr Hirn funktioniert nicht.
Warum lässt
man die arme Elf nicht in Ruhe?
Sätze wie
«Fussball ist wie Schach nur ohne Würfel.» entstehen in solchen Situationen.
Kein
Künstler würde sich zu so etwas hergeben.
Es wäre
undenkbar, dass Barenboim nach Mahler IX ein Interview gibt. Es wäre undenkbar,
dass man Thielemann kurz nach Isoldes Liebestod zu einem Statement bekäme. Es
wäre undenkbar, dass die Bartoli nach einem Vivaldi-Abend noch ein einziges
Wort sagen oder singen würde. Die alle werden einfach abgeschottet und gut ist.
Ich selbst habe einmal 45 Minuten ausgeharrt, bis mein Lehrer Manfred Schreier
sich an der Tür der Künstlergarderobe zeigte, nach einer Mahler III brauchte er
einfach diese Auszeit.
Expertenrunden
nach künstlerischen Aktionen sind da etwas anders. Da kann es nämlich wirklich
sein, dass die Damen und Herren uneins sind und der Kritiker der FAZ es ein
geniales Konzept findet, Tannhäuser in die Biogas-Fabrik, Lohengrin in ein
Rattenlaboratorium und Wotan auf den Alexanderplatz zu schicken, der Kritiker
der SÜDDEUTSCHEN all das aber nur für Schwachsinn hält. (Bayreuth-Fans wissen,
dass die Beispiele nicht erfunden sind.) Da kann es auch mal sein, dass die
Expertin des SWR die Verspieler des Osloer Kammerorchesters in Burgbergers 5.
Elegie für tolerabel hält – ob des exzellenten Klangs – und die Expertin des
Deutschlandradios die falschen Töne – trotz des Klanges – eben NICHT mehr
toleriert.
Vielleicht
sollte man die objektiven Fakten eben auch bei Klassik einblenden, mit
Vergleichsgrössen. Stellen Sie sich vor, oben auf der Übertitelungsanlage käme:
Tempo: Viertel 100
MM Celibidache
50 MM Bernstein
150 MM
Lautstärke 400 DzB Celibidache 100 DzB Bernstein 1000 DzB
Gesungener
Ton a’’ (880 Hz) Gehörter
Ton 860 Hz Abweichung
2,5 %
Das würde
doch alles sehr objektivieren.
Oder nicht?
Gucken Sie
auch so gerne Fussball?
Ich auch.
Ein
spannendes Spiel.
Knackige
Körper in engen Trikots.
Und
Äusserungen von Leuten, die wirklich Ahnung haben.
Dabei gibt
es zu Fussball eigentlich nur das zu sagen, was im Vorspann zu «Lola rennt»
kommt:
Der Ball ist
rund – Spiel geht 90 Minuten – alles andere ist Theorie.
WEGEN EINER HANDVERLETZUNG MACHE ICH 14 TAGE PAUSE
WEGEN EINER HANDVERLETZUNG MACHE ICH 14 TAGE PAUSE
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