Dienstag, 14. Juni 2016

Banalitäten in Fachchinesisch


Es gibt so wenig Literatur ÜBER Doris Dörrie, dass ich begeistert bin, eine Habilschrift über den Band Samsara zu finden. In dem Reigen von Geschichten werden einerseits tragikomische Stories von den Helden der Postmoderne erzählt, die das I-Ging befragen und Diäten machen, ihren Körper hassen  und nach China fahren , immer auf der Suche…nach was eigentlich? Andererseits tauchen wir mit einer jungen Stigmatikerin in die Klosterwelt des 15. Jahrhunderts.
Ich bin nun hoch gespannt, was ein Wissenschaftler mir hier sagen kann.
Die Biografie von Dörrie überspringe ich, die kenne ich zur Genüge und wirklich Neues hat Dr.Hubert Bleulich auch nicht herausgefunden. Spannender sind die Ausführungen zur Textgestalt, da hat er mir natürlich voraus, dass der Diogenes-Verlag ihm die Korrekturfahnen zur Verfügung stellte. Über ein Stemma wie bei antiken Texten, das die Seite 45 komplett einnimmt, muss ich dann aber doch schallend lachen, auch über sein Fazit, dass die Druckfassung von 2003 als gesichert gelten kann. Gütiger Himmel, was denn sonst, wenn die Autorin alles durchgesehen hat?
Nun kommen wir zur Interpretation und ich nicht aus dem Staunen heraus:
Ein prägnantes Kriterium der Geschichten in „Samsara“ ist ihre geringe Expansion.
Auf Deutsch: Sie sind kurz. Langt ein Blick ins Inhaltsverzeichnis.
Ebenso kann ihre narrative Knappheit als Kriterium herangezogen werden.
Gute Güte! Sie sind also auch ohne zu grosse Weitschweifigkeit erzählt, kann man gar nicht bei 20 Seiten pro Story im Taschenbuch.
Aber es wird noch besser:
Als narratives Tempus wird das Präsens instrumentalisiert, auch bei den in einem mediavistischen Ambiente elaborierten Teilen, die mit den anderen alternieren.
Da dreht sich einem das Hirn, aber eigentlich heisst es nur: Alles wird im Präsens erzählt, auch die Stories, die im Mittelalter spielen, das ist jeweils die zweite Geschichte.

Warum können Wissenschaftler sich nicht normal ausdrücken? 
Warum kann man einen Sachverhalt nicht mit deutschen Worten beschreiben? 
Warum muss alles so dermassen kompliziert formuliert sein, dass es auch gebildeten Menschen das Hirn wegbläst?
Wir sehen es oben: Weil dann die ganze Banalität des Gesagten herauskäme. Weil man dann merken würde, dass der werte Herr Bleulich eben von den Hintergründen nichts gerafft hat. Spannend wäre doch die Frage, wie die Buddhistin Dörrie ein Jesus-Erlebnis im 16. Jahrhundert schildert.
Aber ist nicht nur eine Verschleierung des Banalen, die die Doktoranden, Habilitanden, die die Professoren und Magnifizenzen antreibt, alles mit 1000 Fremdwörtern zu sagen, es ist auch das klare Signal: Jetzt haben wir uns einer Sache ermächtigt, wir haben sie wissenschaftlich formuliert und damit der Allgemeinheit entzogen.
Finger weg, Otto Normalverbraucher!
Das ist nun keine Wolke mehr, das ist eine Cumulocirronimbonivostratus
Finger weg, Otto Normalverbraucher!
Das ist nun kein Silberfischchen mehr, das ist ein Pescus Argentus Domenicus Communus.
Das Fachchinesisch zieht einen Zaun um das zu Bearbeitende, damit nicht irgendwelche Laien hineinlatschen und sagen: „Also die Dörrie, die is ja so mit Östlichen Religionen und so, aber die macht sich nich lustig über die Christen, da ist sogar so Ähnlichkeit und so.“ Was 134-mal mehr aussagen würde als das Geschwafel von Bleulich.

Als Gymnasiasten machten wir folgenden Witz: Die voluminöse Expansion subterraler Knollengewächse ist reziprok proportional zum Intelligenzquotienten des Agrarökonomen. (Die dümmsten Bauern ernten die dicksten Kartoffeln.)
Wir hätten nicht gedacht, dass an der Uni solche Spässe Wahrheit würden.
Denn Dr. Hubert Bleulich, der bald einen Lehrstuhl für Deutsche Literatur des 20.und 21. Jahrhunderts in Wuppertal-Oberbarmen übernimmt, ist nicht einmal der Schlimmste.
 

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