Montag, 20. Oktober 2014

Andalusien I - die drei Fragen

Ich befinde mich jetzt ein wenig in der Situation meiner armen Deutschschüler: "Wir schreiben einen Aufsatz über die Ferien." - Wie viele schöne und schönste Ferienerlebnisse wurden da eigentlich schon auf Papier gebracht und wie viele schöne Ferienerlebnisse waren da keine mehr, eben weil sie als schönste Erlebnisse einem Pauker zur Korrektur gereicht werden mussten?
Aber eigentlich befinde ich mich NICHT in der Situation meiner armen Deutschschüler, denn ich kann schreiben, was ich will. Also fasse ich kurz das Erlebte zusammen: Die Sonne schien, das Meer war warm und blau und das Essen gut. Weitere Informationen über Málaga, Sevilla, Granada oder Córdoba entnehmen Sie den gängigen Reiseführern, die es ja in allen Grössen gibt, je nachdem, ob Sie sämtliche Säulen der Mezquita einzeln erläutert haben (es sind 856) oder einfach die Adresse der grössten Disco erfahren wollen, Angaben zum Sonnenschein, der Wärme und Bläue des Meeres und der Qualität des Essens bekommen Sie gratis dazu.
Ich habe vor meinen Ferien drei Fragen gestellt, auf deren Antwort Sie warten und ich will Sie nicht enttäuschen.
Singen andalusische Friseure?
Nein, sie singen definitiv nicht. Ich habe in ca. 100 peluquerias hineingeschaut und alle Barbiere, nicht nur die von Sevilla, auch die von Málaga und Córdoba arbeiten konzentriert und schweigend an den Haaren ihrer Klienten. Allerdings wird sonst viel gesungen, die Losverkäufer der traditionellen Weihnachtslotterie preisen singend ihre Lose an und eine Mutter schwimmt im Meer und teilt ihrem am Strand sitzenden Töchterlein trällernd mit, dass Mama immer noch da ist. (Eine rührende Szene.)
Und da sind da noch die Strassenmusiker.
Wer der Meinung ist, es gebe in Basel zu viel Strassenmusiker, möge nach Málaga gehen, Sie haben kaum Ihre Vorspeise begonnen, da baut sich einer vor den Draussensitztischen auf und singt, begleitet von Gitarre oder Ziehharmonika. Dabei singt er keineswegs Flamenco, er singt das, was Japanische Touristen irgendwie mit Südeuropa in Verbindung bringen: Ein Schiff wird kommen, O sole mio oder Champs Elysees. Meistens singt er nur drei Songs, aber die Freude über seinen Abgang ist kurz, denn es kommen noch drei weitere.
Streiten die Zigarettenfabrikarbeiterinnen?
Definitiv nicht mehr, in der Fábrica de Tobacos - ja, die aus Carmen, die gibt es noch original - wird nicht mehr messergestochen, sondern geforscht und gelernt, es ist jetzt die Uni. Überhaupt streiten Südspanier relativ wenig, im Gegensatz zu den Süditalienern, wo einmal anschreien pro Tag zum guten Ton gehört, vielleicht hat die islamische Zeit bis 1500, in der alle Religionen und Denkrichtungen friedlich koexistieren durften (Was ist nur aus dem Islam geworden??) doch ihre Spuren hinterlassen. Wer streitet, sind die Kanarienvögel, wenn Sie am Strand liegen, die Wärme der Sonne und die Bläue des Meeres geniessen, erreicht der Lärm aus den Palmen die Dezibelzahl eines Jets, also überlegen Sie gut, ob Sie Ihrem Spatzi Spielgefährten in den Käfig tun wollen, Sie werden nie mehr Ruhe haben.
Werfen andalusische Frauen mit Blumen?
Andalusien quillt über von Bougainvilleas, Hibisken, Strelizien und anderer floraler Köstlichkeiten, aber nie sind wir mit irgendwelchen Blumen beworfen worden. In Córdoba wäre das eine spezielle Sache: Dort sind die Innenhöfe, die Patios mit Tausenden von Blumentöpfen behängt, jedes Jahr wird der schönste Hof bei der Fiesta del Patios prämiert, die 4000 Euro Preisgeld sind allerdings eher eine schale Aufwandsentschädigung für das Giessen der bis zu 2m hoch hängenden Töpfe. Ob Córdobanische Frauen gelegentlich mit diesen Töpfen nach ihren Männern werfen, entzieht sich meiner Kenntnis.
Wenn nun also eine Andalusierin oder ein Andalusier auf Sie zukommt, will er oder sie weder streiten noch Blumen werfen. Er will von Sonne, Meer oder Essen singen oder...
Feuer!
Alle in Málaga, Sevilla, Granada oder Córdoba rauchen, aber niemand hat Feuer. Wir sind in den zwei Wochen sicher jeden Tag zehnmal um fuego gebeten worden.
Dies so eine Sache, die in keinem Reiseführer steht.
So viel für heute, am Freitag und nächste Woche mehr.

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