Ich hoffe, sagte Gerer neulich zu mir, als wir vor dem Schaufenster der Deppenbarke standen, dass man mir diesmal keine Bücher schenkt. Diese Geschenke, diese Weihnachtsbüchergeschenke, sind das Schrecklichste, was man sich vorstellen kann. Am Stephanstag häufen sich stets Werke auf meinem Tisch, die ich nicht lesen will und ohne schwere seelische Beeinträchtigung auch nicht lesen kann, so Gerer. Weihnachten an sich ist ja schon eine schlimme Sache, sagte er, während er auf einen Tannenzweig im Schaufenster zeigte, die Stadt ist voll von Kitsch, von Tannenkitsch und Krippenkitsch, die Stadt ist komplett weihnachtsverkitscht, aber dem könnte man sich ja noch entziehen, so Gerer, man werde aber durch das Schenken, das Weihnachtskleiderschenken und das Weihnachtsbücherschenken auf widerliche Weise in die Sache mit hineingezogen. Er habe, sagte er, in seiner Wohnung keinen Tannenkitsch und keinen Krippenkitsch, er würde sich völlig heraushalten, aber er werde beschenkt und müsse dann wieder schenken. Man schenkt mir eine Vase, so Gerer vor dem Schaufenster der Deppenbarke, und erwartet dann wieder irgendeinen Topf von mir, man schenkt mir einen Schal und erwartet eine Krawatte, so Gerer, schon im Oktober löst das Wort Weihnachtsgeschenke ein starkes Nervenzittern bei mir aus.
Von allem Schenken ist nun das Schenken von Büchern, das Weihnachtsbücherschenken, das Furchtbarste, sagte er, während er auf einen Stapel Kriminalromane zeigte, man gibt mir schlechte Bücher von schlechten Autoren, die schon beim Versuch der Lektüre mein vegetatives Nervensystem völlig erschüttern. Der Tannenkitsch und der Krippenkitsch bringen mich ja schon fast um, so Gerer, aber die Bücher, die ab dem 26.12. auf meinem Tischchen liegen geben mir den Rest. Vorletztes Jahr hat man mir 100 Seiten eines Modernen Lyrikers gegeben, sagte er, und dieser Moderne Lyriker bewirkte einen so starken Schwindel bei mir, dass ich mich für einen Tag hinlegen musste. Letztes Jahr lösten die falschen Bezüge in einem Historischen Roman einen Zusmmenbruch bei mir aus, sagte Gerer, während er in die Deppenbarke hineinschaute, ja, dieser Historische Roman hat mich fast umgebracht. Eine Seite Diderot, ein Satz von Lenz, ein Gedicht von Hölderlin, eine Novelle von Kleist sind mehr wert als dieses ganze Gerümpel, so Gerer, sie beruhigen und stärken mich, aber diese weihnachtsgeschenkten Bücher töten mich.
Deshalb hoffe ich, dieses Jahr keine Weihnachtsbüchergeschenke zu bekommen, sagte er, aber ich weiss, die Hoffnung wird sich nicht erfüllen.
Einmal, so Gerer, habe sein Patensohn ihm die Neuerscheinung eines wirklich guten Autors, einer der wenigen, die er wirklich schätze, auf den Gabentisch gelegt.
Die Lektüre sei dann entsetzlich gewesen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen