Dienstag, 13. Juli 2021

Die Ersatzbusfahrer


Schilda, die Stadt der Schildbürger, jene Stadt, die durch so viele Lesebücher und Kinderschmöker geisterte, Schilda, eben dieses Schilda hat sich in den letzten 100 Jahren zu einer veritablen Grossstadt gemausert. Schilda hat inzwischen über 300000 Einwohner, ist Sitz mehrerer grosser Firmen, ist digitalisiert, autobahnangeschlossen und enorm be-ÖVt. Seit 1990 besitzt Schilda ein Tramnetz mit 6 Linien, die insgesamt eine Streckenlänge von satten 12 km zustande bringen.
Nun bleibt aber Schilda eben doch Schilda, und deshalb will ich von einer Strassenbahn-Story erzählen.

2015 stellte man fest, dass bestimmte Punkte des Tramnetzes Schwachpunkte aufwiesen. Der Grund war klar: Die ältesten Gleise waren 25 Jahre alt, und nach 25 Jahren sind halt Metall und Stein ein wenig ermüdet. So musste man als erstes die Gleise der Linien 2 und 3 am Victoriaplatz erneuern, für das ¾ Jahr wurden 10 Busse gekauft und 10 Schienenersatzverkehrsbusfahrer (welche Worte macht die deutsche Sprache möglich!) eingestellt. Die Sache lief, die Schienenersatzverkehrsbusfahrer taten ihren Dienst und die Gleise waren nach einer Weile erneuert. Natürlich hatte man ihnen nur einen Zeitvertrag angeboten.

Dann kam die Renovierung der Endschlaufe der Linie 7 in Schilda-Seldwyla. Auch hier musste man ein halbes Jahr Schienenersatzverkehrsbusse einsetzen und man brauchte wieder Schienenersatzverkehrsbusfahrer. Und diese Schienenersatzverkehrsbusfahrer, die 2015 gearbeitet hatten, wurden auch im Jahr 2016 wieder eingestellt. Und die Schienenersatzverkehrsbusfahrer taten einen geschätzten und gelobten Dienst, so wie im Jahre zuvor. Natürlich wieder nur per Zeitvertrag.

2017 stellte man dann fest, dass die Kreuzung der Linien 1 und 4 im Eugenspiegel-Quartier erneuert werden musste. Und da im Eugenspiegel-Quartier wichtige Leute wohnen, konnte man das auch nicht aufschieben. Also: Wieder auf die Schienenersatzverkehrsbusfahrer zurückgreifen, die Schienenersatzverkehrsbusfahrer wurden wieder eingestellt und…
Aber halt!
Es gab Probleme.
Denn die Schienenersatzverkehrsbusfahrer bockten, sie maulten, sie motzten, sie streikten, sie hatten keine Lust auf einen dritten Zeitvertrag. Die Schienenersatzverkehrsbusfahrer klagten und – bekamen Recht. Die Schilda-Strassenbahnen-Sozietät (SSS) wurde verdonnert, die Schienenersatzverkehrsbusfahrer auf Dauer anzustellen.

Was auch geschah.

2018 brachte keine Probleme, denn es mussten Gleise der Linie 3 saniert werden.
2019 brachte keine Probleme, denn es musste der gesamte Bahnhofsbereich erneuert werden.
2020?

Seit letztem Jahr hat Schilda ein massives Problem. Alle Gleise sind erneuert, ausser die der Linien 8, 9, 10 und 11, aber die sind erst 2011 entstanden, aber man hat 10 Schienenersatzverkehrsbusfahrer fest angestellt, mit Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Rente. Also hat die SSS bei Stadt und Unternehmen nachgefragt:
Muss man nicht am Markplatz das Kopfsteinpflaster erneuern?
Will nicht die Post am Georgplatz neue Kabel verlegen?
Gibt es kein Bauprojekt in Schilda-Süd?
Alles mit einem Ziel: Wir müssen die Schienenersatzverkehrsbusfahrer beschäftigen.

So.
Und nun müssen wir nur die Rückschlüsse auf andere Städte ziehen.
Denn:
Schilda ist überall.

Sie fragen sich, warum in Basel seit zehn Jahren kein Sommer vergeht, ohne dass irgendwelche Strecken gesperrt werden, ohne dass umgeleitet wird und Schienenersatzverkehrsbusfahrer zum Zuge kommen?
Sie fragen sich, warum in Mannheim seit 8 Jahren der Markplatz gesperrt ist, kein normaler Tramverkehr möglich ist und Schienenersatzverkehrsbusfahrer den Dienst übernehmen?
Sie fragen sich, warum in Koblenz niemals ein anständiger Strassenbahnverkehr stattfindet?

Die Antwort ist klar:
Alle Städte haben Schienenersatzverkehrsbusfahrer eingestellt und diese Schienenersatzverkehrsbusfahrer muss man jetzt beschäftigen. Und weil man Schienenersatzverkehrsbusfahrer beschäftigen muss, erfinden alle Städte Bauprojekte, die dann Tramlinien bewusst blockieren.

Schilda ist überall.

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