Dienstag, 23. März 2021

Der Schuss ging nach hinten los

Ich habe im Oktober über die Bettler am Bahnhof geschrieben. Damals schrieb ich:

Was mir so wichtig ist: Ich möchte selbst entscheiden können, wem ich etwas gebe und wem nicht. Ich möchte nicht, dass der Staat eingreift, ich möchte kein Verbot, ich bin selbst mündig und habe ein wenig Verstand. Ich möchte, dass Jimmy – und die vielen anderen, die höflich und nett sind – sein Geld bekommt und nehme deshalb die Berufsbettler in Kauf. Wenn niemand diesen Horden Knete gibt, dann werden sie sicher irgendwann verschwinden.

Wenn ich mir nun die Situation anschaue, muss ich mir eingestehen, dass ich mich gründlich getäuscht habe. Basel ist überschwemmt von ca. 500 osteuropäischen Bettlern, sie sitzen vor jedem Supermarkt und jedem Shop, an jeder Strassenecke und jeder Kreuzung. Und dafür sind die einheimischen Bettler verschwunden.
Man hat kein Bettelverbot, um den einheimischen Bettlern nicht zu schaden, und jetzt haben die Bettler, die man angezogen hat, die Basler Bettler vertrieben.
Der Schuss ging nach hinten los.

Schuss nach hinten, so sagt man doch, gell?
Der Schuss, der nach hinten losgeht.
Es ist sehr interessant, dass so viele unserer Redensarten von der Jagd und vom Militär kommen. Ich habe darüber sogar mal einen Post geschrieben («Die ganze Schiesserei» vom September 2014), indem ich alles sprachliche Geballere und Geknallere angehäuft habe. Witzigerweise kam dort aber gerade der Schuss, der nach hinten losgeht, nicht vor.
Wenn man nun aber wirklich an die Jagd oder das Militär denkt, dann sieht man, wie unangenehm das ist: Früher konnte mangels wirklich guter Technik nämlich wirklich ein Schuss aus einer Kanone oder einem Gewehr nach hinten losgehen.

In einem meiner Lieblingsfilme, der Tennessee Williams-Adaption Blue Jasmin von Woody Allen (mit der von mir angebeteten, vergötterten und in den Himmel gehobenen Cate Blanchett) gibt es eines der schönsten Beispiele:
In Rückblenden, Selbstgesprächen und Tagträumen erfährt man nach und nach Jasmines Vorgeschichte. Sie führte offenbar ein unbeschwertes Luxusleben. Ihr gutaussehender Ehemann Hal hatte mit zweifelhaften Geschäften viel Geld verdient und Jasmine lebte in den Tag hinein…Später fand sie heraus, dass Hal sie jahrelang mit anderen Frauen betrogen hatte. Hal wurde wegen seiner illegalen Geschäfte verhaftet und beging im Gefängnis Selbstmord…erfährt man, dass sie selbst dem FBI telefonisch den entscheidenden Tipp gegeben hatte, als Hal sie wegen einer anderen Frau verlassen wollte. Demzufolge war ihr die Rechtswidrigkeit seiner Geschäfte durchaus bewusst.
(so Wikipedia)
Die Aktion, die ihn strafen sollte, strafte sie selbst am meisten: Er war zwar im Gefängnis, aber ihr Geld und ihr Luxus war futsch.

Aber wir müssen gar nicht in die Fiktion, in die Literatur oder das Kino gehen, wir müssen uns nicht mit Theaterstücken oder Romanen beschäftigen, die Geschichte und die Politik liefern uns so schöne Nachhintenschüsse, die uns die Fiktion, die Literatur oder das Kino, Theaterstücke oder Romane niemals liefern können.

Einer der ganz schönen Nachhintenschüsse war die UDSSR, die Sowjetunion für die Deutschen. Wer immer über die «Russen», die «Sowjets» oder die «Iwans» klagte, musste daran erinnert werden, dass dieser Staat nur mit deutscher Hilfe zustande kam: Die Deutschen liessen Lenin im plombierten Wagen durch das Deutsche Reich fahren, in der Hoffnung, ein durch Revolution geschwächtes Russland würde den Deutschen weniger Schwierigkeiten machen, was zunächst auch der Fall war. Aber nur zunächst! Nur zunächst!
Ein Schuss, der nach hinten losging.

Wunderbare Nachhintenschüsse haben aber auch immer wieder die Amis geliefert. Da stört einen der Machthaber XY in irgendeinem Land, und weil man XY loswerden will, hilft man irgendwelchen Rebellen, Rebellen, die nur ein Ziel haben: XY abzusetzen – so denkt man! In Wirklichkeit haben diese Rebellen natürlich noch ganz andere Ziele, Ziele die die Amis regelmässig übersehen. Und dann ist auf einmal mit USA-Hilfe ein islamistischer Staat entstanden, ein Staat, der den USA die grösste mühe bereitet.
Der Schuss ging nach hinten los.

Und dann sind da noch die vielen, vielen, vielen Politiker, die ständig vor der Frage stehen:
Wenn ich meinen Parteikollegen, meine Parteikollegin verpfeife, anzeige, anschwärze, begreift der Wähler dann, dass eben diese oder dieser ein böser Mensch ist, oder wird das Fehlverhalten auf die ganze Partei übertragen. Das wäre ein böser Nachhintenschuss, denn dann schade ich meiner politischen Laufbahn natürlich ungeheuer, weil die Leute mich dann ja nicht wählen, weil ja ALLE in meiner Partei Dreck am Stecken haben müssen.
Viele Schüsse, die nach hinten gehen.

Und vielleicht wird man auch einst viele der Coronamassnahmen als solche Schüsse beurteilen. Denn Isolation und Depression schwächen das Immunsystem…



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