Freitag, 2. Juni 2023

Absurdes Theater am PC

Ein Freund von mir hat mit «Dennoch und gestern und überhaupt» ein wunderbares Theaterstück geschrieben.
Zentrale Rolle in diesem Drama spielt eine Tür. Durch diese Tür, sie ist im Mittelpunkt der Kulisse, die eine Hotellobby, ein Bankfoyer oder eine Schulaula darstellen kann, kommen nach und nach fünf Personen auf die Bühne.
Im ersten Akt ist noch eitel Wohlgefallen, man lernt sich kennen, man schäkert, man flirtet, man lacht. Es herrscht eine Atmosphäre der Ausgelassenheit.
Im zweiten Akt gibt es dann Konflikte, so, wie es halt im Zusammenleben von Menschen Konflikte gibt. Immer wieder versuchen einige, durch die Tür die Hotellobby, das Bankfoyer oder die Schulaula zu verlassen. Aber die Tür ist abgeschlossen. Ein angerufener Hotelmanager, Bänker oder Schulabwart (er ist über Lautsprecher zu hören) erklärt, dass diese Tür zu und es auch immer gewesen sei. Nachdem die anwesenden Personen sich eine Weile gewundert haben, schliesslich sind sie ja durch genau eben diese Türe hineingekommen, akzeptieren sie die Tatsache.
Im dritten Akt eskaliert die Situation dann vollständig, die fünf Leute versuchen daraufhin die Tür einzuschlagen. Da die Pforte auch auf äusserste Gewalt nicht reagiert, schaltet sich der Hotelmanager, Bänker oder Schulabwart noch einmal per Stimme ein: Er erklärt, dass sich an der Wand keine Tür befindet. Und auch nie befunden hat. Und auch nie befinden wird.
Die Personen akzeptieren und verfallen in Apathie.

Ein Vorbild für diese Wendung in «Dennoch und gestern und überhaupt» ist sicher die Rolle von Pozzo und Lucky im Godot-Stück. Pozzo erscheint im ersten Akt, seinen Sklaven Lucky an einer Hundeleine und lässt ihn «denken», Lucky hält daraufhin lautstark einen langen Monolog. Im zweiten Akt ist Pozzo blind – und behauptet, es immer schon gewesen zu sein («eines Tages wachte ich auf und war blind…»). Lucky ist stumm, auch hier wird gesagt, dass er es immer schon gewesen sei…
Man redet hier vom Absurden Theater.

Und solch Absurdes Theater macht auch mein PC, mein Laptop, machen mein Handy und mein Tablet. Alle in Kombination mit Druckern, Routern und anderen Geräten. Sie kennen das wahrscheinlich auch:

Da versuchen Sie ein Dokument zu drucken. Und es geht nicht. Sie gehen auf →Start, gehen auf →Einstellungen, gehen auf →Geräte und gehen auf →Drucker. Dort klicken Sie auf →Problembehandlung ausführen. Das Programm braucht zwei Minuten um durchzurattern, dann präsentiert die Problembehandlung ein Ergebnis:
Der Drucker ist nicht eingeschaltet.
Sie blicken zum Drucker, das Lämpchen leuchtet Ihnen entgegen, das Lämpchen mit jenem Kreis mit Lücke und dem senkrechten Strich. Der Drucker ist eindeutig angeschaltet, daran kann niemand zweifeln.

Absurdes Theater.

Sie haben gestern ein Dokument begonnen, haben – wie immer – →WORD geöffnet, haben auf →leeres Dokument geklickt und haben geschrieben. Sie sind dann nicht ganz fertig geworden und nun wollen Sie weiterschreiben.
Können Sie aber nicht.
Denn Ihnen wird gesagt, Sie hätten nicht die Berechtigung, dieses Dokument zu bearbeiten. Eine ANDERE Person habe das Dokument angelegt, und nur diese ANDERE Person dürfe darin herumfuhrwerken. Sie könnten allerdings eine Kopie, und diese dann… Was Sie auch tun. Leider werden Sie wieder nicht fertig. Nun öffnen Sie am nächsten Tag die Kopie und lesen: Sie hätten nicht die Berechtigung, dieses Dokument zu bearbeiten. Eine ANDERE Person habe das Dokument angelegt, und nur diese ANDERE Person dürfe darin herumfuhrwerken. Sie könnten allerdings eine Kopie, und diese dann…
Am Ende werden Sie x Kopien haben und werden nicht mehr wissen, wo Ihnen der Kopf steht. Dabei gibt es doch gar keine ANDERE Person, Sie sind ja diese ANDERE und hätten jede Berechtigung gehabt, die Datei zu bearbeiten, denn Sie haben sie ja erstellt.

Absurdes Theater.

Wie gehen wir mit absurdem Theater um? Mit den Stücken von Beckett und Ionesco ist es ja so, dass wir lachen und schmunzeln (vielleicht auch grübeln) können, weil wir nicht drinstecken. Wenn wir auf Godot warten würden, jeden Tag, immer wieder, wenn wir also nicht Betrachter, sondern Akteure wären, sähe das anders aus.
Am PC sind wir aber Agierende.
Und dennoch: Man kann wahrscheinlich nur darüber lachen.
Oder jemand fragen. Ich habe mir angewöhnt, in solchen Fällen Hilfe zu holen. Wenn jemand nur 20 Jahre jünger ist, dann hat er schon mal viel mehr mitbekommen von dem Digitalmist…

Ein Freund von mir hat ein wunderbares Theaterstück geschrieben.
Und es mir vorgelesen. Bei Tee und Kerzenlicht.
Denn als er mir es gemailt hatte und ich das Doc öffnete, übersetze es sich stets selbstständig ins Finnische.
Keiner weiss, warum.













 

 

 

 

 

 

 

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