Freitag, 31. Dezember 2021

Die Geschichte von Tom M.

Zum Jahreswechsel habe ich noch eine heikle Geschichte für Sie.

Im Jahre 2016 sprang Tom M. (37, aus H. in NRW) aus dem Fenster im 10. Stockwerk. Er hatte das Leben satt und dachte, die 10 Stockwerke würden ihn genug beschleunigen, dass der berühmte Faktor g ihn so schnell würde machen, dass sein Rückgrat es nicht aushielte. Leider hatte Tom die Rechnung ohne seinen Nachbarn gemacht, der drei Matratzen für den Sperrmüll bereitgestellt hatte, nein, nicht gestellt, gelegt, und das auch noch übereinander. Die Matratzen – Sie ahnen es längst – dämpften den Sturz so stark, dass Tom M. sich nur beide Beine und beide Arme brach. Nach 2 Monaten Spital und 3 Monaten Reha war Tom M. wiederhergestellt.

Wiederhergestellt, ja. Aber nur physisch. So schluckte Tom M. (inzwischen 38, aus H. in NRW) im Jahr 2017 eine Handvoll Pillen. Aber auch das funktionierte nicht. Nach einer halben Stunde fing Tom an zu erbrechen, und das tat er so laut, dass die Nachbarn die Rettung holten. Sein Magen wurde ausgepumpt und nach einigen Tagen Kontrolle im Spital konnte er wieder nach Hause.

Im Jahre 2018 probierte es Tom M. (inzwischen 39, und inzwischen in K. in B.-W.) mit dem Aufschneiden der Pulsadern. Es ist nicht mehr herauszufinden und dem Chronisten unbekannt, wie es hier zu einer Rettung kam. Aber es war Spitz auf Knopf, Tom hatte viel Blut verloren und mehrere Ärzte kämpften um sein Leben. Auch hier brauchte es Spital und Reha, bis er wieder auf die Beine kam.

Im Jahre 2019 wäre nun der Strick dran gewesen. Es passierte aber das Wunder: Tom M. (inzwischen 40, aus K. in B.-W.) fand einen guten Psychiater, der ihn seitdem mit Medikamenten und Therapie stabil hält.

Mir ist der Fall Tom. M. wieder in den Sinn gekommen, als ich neulich die Diskussion um ein herzkrankes Mädchen mitbekam, dessen Operation wegen grosser Spitalauslastung verschoben werden musste. «Schmeisst einen Ungeimpften raus!», twitterte jemand.
Ich frage mich, ob dieser jemand auch für Tom M. einen Ungeimpften rauswerfen wollen würde…
Denn:
Tom M. ist an allen seinen Spitalaufenthalten selbst schuld.
Er hat sich die Knochen gebrochen, er hat sich vergiftet, er hat sich das Blut aus dem Leib genommen. Die logische – und auch kostengünstige – Konsequenz wäre gewesen, dass man ihm die Todesspritze oder den Gnadenschuss gibt. Aber nein, dreimal kämpft die Medizin um ein Leben, das gar nicht mehr gewollt wird. Das gehört zum Berufsethos der Medizin.

Oder: Gehörte?
Corona hat hier eine gefährliche Diskussion angestossen. Sollen auch Ungeimpfte ein Intensivbett bekommen? Das ist ja die Frage. Aber wenn wir weiterdenken, dann kommt eine Lawine ins Rollen:
Sollen Selbstmörder wie Tom M. behandelt werden und nicht einfach getötet?
Bekommt Fritz P. aus Q., der den Tag mit einem Liter Weisswein beginnt und ihn mit drei Gläsern Whiskey abschliesst und der Bier trinkt, wenn er mal keinen Alkohol will, der sich auch Gin und Schnaps und Tequila in sich hineinschüttet, eine Spenderleber?
Wird Alexa B. aus C., die 4-5 Packungen Gauloises ohne Filter raucht, die kaum die Treppe heraufkommt und wie ein Schwein hustet, an ein Atemgerät angeschlossen?
Bekommt Heinz Z. aus Y., der mit 134 kg bei 167 cm Grösse mehr als das Doppelte seines Idealgewichtes wiegt, der aber an keiner Konditorei vorbeikommt und dessen Lebensmotto das Udo Jürgensche «Aber bitte mit Sahne» ist, eine Herzbehandlung?
Und wird man Sandra S. aus S. operieren, obwohl sie beim Boarden VOR dem Back Flip schon dachte, dass er schiefgeht und NACHHER wusste, dass er schiefgegangen war?

Liebe Leserinnen und Leser, die Diskussion ist kreuzgefährlich. Aber vielleicht muss sie geführt werden und vielleicht müssen neue Richtlinien gefunden werden.
Wahrscheinlich sogar.

In Zukunft werden im Krankenhaus nur Menschen behandelt, die folgende Kriterien ausweisen:
Sie sind gegen alle von der WHO aufgelisteten Krankheiten geimpft.
Sie haben Idealgewicht bzw. einen perfekten BMI.
Sie sind Nichtraucher, Abstinenzler und nehmen keine Drogen.
Sie betreiben Sport, aber nix Riskantes, sondern laufen oder schwimmen.
Sie fahren kein Auto und erst recht kein Motorrad.
Sie befinden sich in einer seelisch ausgeglichenen Situation.

Die Frage ist nun, warum sich solche Perfektmenschen, die geimpften Idealgewichtler, die nichtsaufenden Nichtraucher, die Breitensportler, Menschen, die aus einer Margarine- oder einer Weichspüler-, aus einer Urlaubs- oder Schüsslersalzreklame entsprungen sein könnten, überhaupt auf einer Intensivstation befinden sollen. Wahrscheinlich kommen sie nie in ein Spital.
Gut so. Wenn alle gesund leben, brauchen wir weniger Betten und können die Kapazität weiter verringern.

Tom M. (42, aus K.) ist übrigens geimpft. Und mokiert sich stark über Leute, die das Gesundheitssystem unnötig belasten. Und wenn er das tut, muss man ihm manchmal seine eigene Geschichte erzählen.

Und wie viel er die Allgemeinheit gekostet hat.

In diesem Sinne: Guten Rutsch! Und kein Feuerwerk! Wir wollen doch nicht irgendein Spital belasten...

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