Dienstag, 21. September 2021

Rommlers Not oder: Wie berichtet man aus der arabischen Welt?

Heinz Rommler, leitender Redakteur des Ressorts Ausland des Buxtehuder Boten, hat drei Texte von freien Mitarbeitern auf seinem Schreibtisch liegen, alle drei drehen sich um Homosexuelle in der arabischen Welt, die drei Text-Überschriften lauten:

Der Koran ist gegen mich
Als Schwuler in Qatar leben
von Michael T. Müller

Ich möchte so leben wie ich bin!
Von den Nöten schwuler und bisexueller Männer in Saudi-Arabien
von Fritz G. Meyer

Jetzt wird es wirklich schlimm
Als Schwuler im Afghanistan der neuen Taliban-Regierung
von Georg M. Schmidt

Rommler ist hin- und hergerissen. Natürlich, das ist ihm völlig klar, kommt der dritte Beitrag, der des Herrn Schmidt, dem entgegen, was gewünscht wird. Alle arbeiten sich gerade an den Taliban ab, die Taliban sind das personifizierte Böse, man interviewt eine Menge Leute, die durch die Taliban an den Rand ihrer Existenz kommen. Dass die Taliban ja auch Unterstützer haben müssen, dass sie sonst gar nicht so leicht durch das Land hätten durchmarschieren können, dass die Stimmung auf dem flachen Land anders sein muss als in Kabul, all das wird in zweiter Reihe gelassen.

Aber ist das, was die Taliban wollen, nicht das, was in den meisten muslimischen Ländern gilt?
Rommler trifft eine mutige Entscheidung: Er wird den Qatar-Beitrag bringen. Er sieht schon gross die Überschrift vor sich:

Der Koran ist gegen mich
Als Schwuler in Qatar leben
von Michael T. Müller

Zwei Stunden später bekommt er einen Anruf der Sportredaktion. Ob er völlig vom wilden Affen gebissen sei, ob er noch alle Tassen im Schrank habe, ob er noch ganz Hugo sei und ob er eine ganz, ganz, ganz, ganz grosse Macke habe? Wenn er über islamische Regeln schreiben wolle, dann solle er Afghanistan nehmen, oder vielleicht auch den Iran, aber sicher nicht Qatar, dort sei WM – WM, das habe er doch sicher schon einmal gehört, die Weltmeisterschaft, das sei das Entscheidende, niemand wolle über Konflikte oder Unterdrückung in einem Land, das Austragungsort sei lesen. Er wolle ihm nicht drohen, aber 1978 hätten etliche Redakteure ihre Stellen verloren, weil sie unbedingt meinten, man müsse über Folter in Argentinien berichten… (Die es übrigens nie gab, das hat man inzwischen klar festgestellt…)

Gut, dann also die Saudis:

Ich möchte so leben wie ich bin!
Von den Nöten schwuler und bisexueller Männer in Saudi-Arabien
von Fritz G. Meyer

Drei Stunden nach diesem Versuch bekommt er einen Anruf der Wirtschaftsredaktion. Ob er völlig vom wilden Affen gebissen sei, ob er noch alle Tassen im Schrank habe, ob er noch ganz Hugo sei und ob er eine ganz, ganz, ganz, ganz grosse Macke habe? Wenn er über islamische Regeln schreiben wolle, dann solle er Afghanistan nehmen, oder vielleicht auch den Iran, aber sicher nicht Saudi-Arabien. Die Saudis seien ganz, ganz wichtig für den Westen. Als Vermittler, als Verbündeter, und eben auch als Wirtschaftspartner. Sie hätten in der Wirtschaftsredaktion gerade einen langen und ausführlichen Artikel über die Entwicklung der deutsch-saudischen Wirtschaftsbeziehungen der letzten 30 Jahre vor sich. Und die sind gut! Die haben sich entwickelt! Die Saudis – das werde unter der Hand so kolportiert – stünden kurz vor der Aufnahme in die EU und vor der Einführung des Euro.

Rommler gibt klein bei.
Dann werden es halt doch die Taliban:

Jetzt wird es wirklich schlimm
Als Schwuler im Afghanistan der neuen Taliban-Regierung
von Georg M. Schmidt

Aber ein bisschen ein mulmiges Gefühl hat er doch dabei. Messen wir nicht mit…, nein nicht mit zwei Mass, mit vielerlei Mass, mit tausendfachem Mass, sind wir nicht schrecklich ungerecht? Wissen wir überhaupt genug? Wie leben Frauen in Pakistan? Wie geht man mit Schwulen im Iran um? Wie viel Opposition gibt es im Jemen?
Seien wir genau:
Die Taliban sind ein Problem.
Aber sie sind sicher nicht das einzige in der arabischen Welt.























 

 

 

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen