Dienstag, 9. Februar 2021

Rehabilitationsreise nach...

Wissen Sie, was eine Rehabilitationsreise ist?
Ja, das könnte eine Reise in ein Rehabilitationszentrum sein, in ein Kurbad oder eine Physio-Oase, also zu einem Ort, der der persönlichen Rehabilitation dient.
Ist es aber nicht.
Es könnte auch eine Reise sein, bei der man zu einer Person reist, die Rehabilitation benötigt, also eine Reise, auf der man einem Mensch Dokumente und Akten bringt, die dann eine Rehabilitation einleiten.
Ist es aber auch nicht.
Eine Rehabilitationsreise ist eine Reise, die den bereisten Ort rehabilitiert, es geht also um die Rehabilitation einer Stadt, einer Landschaft, um die Rehabilitation eines Ortsteils, einer Region, um die Rehabilitation einer geografischen Gegebenheit.

Sie alle kennen das: Da fährt man nach Wuppin, in eine Stadt, die eigentlich im Internet einen ganz netten Eindruck machte, man will durch den wunderschönen Barockpark schlendern, man will die Arp-Ausstellung im Museum besuchen, man will einen Kaffee in der Fussgängerzone trinken und die berühmte Schillerstatue auf dem Markplatz anschauen.

Und dann geht alles schief: Der Zug hat 5 Minuten Verspätung, sodass der Bus nicht wartet und man 45 Minuten am scheusslichen Bahnhof wartet, er liegt dann doch zu weit vom Stadtkern. Wenn man dann endlich im Zentrum angekommen ist, beginnt es zu regnen. Also streicht man Barockpark und Kaffee in der Fussgängerzone, man trabt durch den Vollsiff zum Museum, wobei man (natürlich?) in einen Hundehaufen tritt. Das Museum musste (natürlich?) am Vortag wegen Mottenbefalls für zwei Tage schliessen. Also geht man erst mal essen und (natürlich?) ist das Essen grauenhaft.
Bliebe das Schillerdenkmal, aber das ist (natürlich?) eingerüstet.

Und nun haben sich – obwohl alles nur eine blöde Verkettung ist – folgende Meinungen im Hirn festgesetzt:
Erstens: Wuppin ist scheisse.
Zweitens: Keine zehn Pferde bringen mich noch einmal nach Wuppin.
Und hier braucht es nun eben eine Rehabilitationsreise, Wuppin braucht Rehabilitation. Und siehe da: Wenn man es ein zweites Mal nach Wuppin wagt, dann wird der Bus am Bahnhof parat stehen, es wird NICHT regnen, es wird KEIN Hundehaufen da sein, man wird also Barockpark und Kaffee geniessen, auch das Schillerdenkmal wird NICHT eingerüstet sein, gut, das Museum hat keinen Arp, aber es hat Richard Serra, und das ist ja genauso gut, oder?

Bei mir werden – wenn man überhaupt wieder reisen darf – zwei Orte Ziel von Rehabilitationsreisen sein: Pirmasens und Domodossola. Beide Schockerlebnisse, das mit der pfälzischen Schuh-Stadt und das mit der Gemeinde am Ende des Simplon, liegen weit zurück, liegen in meiner Kindheit, und wenn ich jetzt google und mir die Bilder anschaue, dann habe ich das Gefühl, diese Städte noch nie gesehen zu haben. Die Stadtkirche mit der Wassertreppe, der sehr ansehnliche Markplatz, all die Strassen, das ganze Ambiente, das ist doch sehr nett (Pirmasens). Und Domodossola ist eine typische Stadt der italienischen Alpen mit engen Gassen, einer pittoresken Piazza, Kirche und schönen Brunnen, und ich finde im Internet nichts, gar nichts, überhaupt nichts von dem Dreck und dem Chaos, das ich in meinen Erinnerungen habe…

So. Und nun hat die Menschheit eine grosse Rehabilitationsreise vor.
Da war man vor fast 52 Jahren an einem Ort und der war – sagen wir es einmal diplomatisch – nicht ganz so nett, wie man sich gedacht hatte.
Da hatte man weder Kosten noch Mühe gescheut, hatte sich sehr, sehr, sehr angestrengt und dann war es dort nicht wirklich schön. Es war steinig und wüstig, es gab keine Pflanzen und keine Wälder, keine Bäche und Flüsse sprudelten und keine Tiere grasten an den Ufern. Man konnte – ich kann es nicht anders sagen – nicht atmen, es war nur deprimierend, nur bedrückend, nur öde, nur trist, nur blöd und doof.

Sie ahnen, liebe Leserin, lieber Leser, was ich meine?
Ich meine die Reise zum Mond.

Ja, und nun will man wieder hin. Und das wird so eine Rehabilitationsreise. Dieses Mal wird man die anmutigen Wasserläufe finden, an denen goldene Hirsche und silberne Tiger fröhlich spielen, dieses Mal wird genug Luft zum Atmen da sein, dieses Mal wird es lustig und schön.

Es gibt nun nur ein kleines Problem: Geld.
Sowohl in der Pfalz als auch im Piemont bekomme ich sehr günstige Hotels angeboten, unter 100 Franken pro Nacht, nach Pirmasens würde ich für ca. 50 Euro fahren und nach Domodossola gratis, denn ich habe ja das Schweizer GA, das Vollabonnement und die Stadt liegt ja direkt an der Grenze.
Auf den Mond zu reisen wird teuer, sehr teuer, es wird Geld kosten, das man eigentlich nicht hat. Ich meine, jetzt gerade über Mondfahrten nachzudenken, in einem Moment, wo weltweit Billiarden gebraucht werde, um die coronageschädigte Wirtschaft wieder zu beschwingen, hat fast etwas Zynisches.

Aber vielleicht ist das ja wichtig. Vielleicht muss man den Mond eben doch mit allen Mitteln rehabilitieren.
Und Vicky Leandros wird ihr Lied umschreiben:
Auf dem Mond da blüh -üh-ühen Rosen.
Auf dem Mond, da gibt es Mondenschein.
Darum bleib ich nicht hier, auf der Erde bei dir.
Auf dem Mond können wir glücklich sein.





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