Dienstag, 17. November 2020

Liebes booking.com die Zweite

 Liebes booking.com

Ich habe dir schon einmal geschrieben. Damals ging es darum, dass ich dir klarzumachen versuchte, dass ich nicht die Zeit und das Geld habe, ständig zu verreisen und auch weder Knete noch genug Ferien, jede Reise beliebig zu verlängern. Es ging auch darum, dass ich bestimmte Städte von einem Stützpunkt aus mache und nicht Hotels in Mainz, Frankfurt und Wiesbaden brauche.

Nun muss ich mich wieder einmal bei dir melden. Seit Tagen schickst du mir Angebote, ich nehme an, einfach um bei mir im Gedächtnis zu bleiben. Nun bist du nicht so zynisch, mir Offerten für meine meistgewählten Ziele zu senden, weil du weisst, dass ich da Corona-Probleme bekomme: Du schreibst nichts von Frankfurt, Berlin, Stuttgart oder Den Haag, nein du willst mich – mit 25% Ermässigung und immer KOSTENLOSER STORNIERUNG – nach Bern oder Luzern befördern.

Bern oder Luzern.
Liebes booking.com, du weisst, wo ich wohne. Für einen Trip mit jeweils einstündiger Fahrt brauche ich kein Hotel. Ich habe ein Generalabonnement, das weisst du vielleicht nicht, aber selbst ohne jegliche Ermässigung kämen die Transportkosten auf 82.-, und das wäre immer noch günstiger als jegliches Hotel – ausser dem Schuppen für 35.--, bei dem wahrscheinlich die Kakerlaken in der Dusche tanzen, der Putz von den Wänden rieselt und man als Aussicht das rot blinkende Schild des Stripschuppens gegenüber hat.

Abgesehen davon:
Was sollte ich in der Bundesstadt? Ins Museum gehen? Darf ich kichern? Zum Glück habe ich die aktuellen Präsentationen im Kunstmuseum und im Zentrum Paul Klee schon gesehen, im Moment sind beide Gebäude geschlossen. Soll ich ins Theater, ins Konzert oder in die Oper? Keine Chance – alles dicht. Gut, in Luzern könnte ich ins Museum, aber das liegt genau beim Bahnhof und da kann ich gemütlich hin, 3 Stunden zu den Bildern, noch einen Apéro und dann gemütlich wieder heim.

Was sagst du? Ich soll mir die Städte einfach einmal…ANSCHAUEN? Jetzt nochmals deutlich gesagt: Luzern und Bern liegen gaaaaaaaaaaaaaaaanz nah, kapiert? Ich kenne diese Städte, war in beiden schon ca. 30x und werde mir da kein Zimmer nehmen.
Ach so.
Du meinst, ich soll einfach mal so überhaupt irgendwo hin. So nach dem Motto: Entspannen, entschleunigen, Tapetenwechsel, Burnout-Prophylaxe?
Klartext:
Ich bin entspannt. Ich bin entschleunigt. Ich bin von einem Burnout so weit entfernt wie die Erde vom Sirius. Im Gegenteil: Ich würde gerne arbeiten. Ich hätte gerne meine Jungs bei Mahler III betreut, ich würde gerne für das Adventskonzert üben und ich würde gerne das Geübte präsentieren, ich würde gerne dirigieren, korrepetieren usw. ich habe nicht zu viel Stress, ich habe zu wenig.
Und zum Thema Tapetenwechsel:
Alle Tapeten auf den Fotos der Hotelzimmer gefallen mir nicht. Am schlimmsten ist diese Seventies-Revival-Tapete in orange und braun. O meine Güte! So eine hatte ich in meinem Jugendzimmer. Ich glaube, wenn ich in so einer Umgebung aufwache, dann bekomme ich wieder Pubertätsakne und fange an, Bee Gees zu singen: NIGHT FEVER, NIGHT FEVÄÄÄR: Nein, da bleibe ich doch bei meiner weissen Raufaser. Wenn ich einen Wechsel brauche, dann hänge ich zwei Bilder um.

Wenn ich aber ehrlich bin, dann bringst du mir doch noch weitere Sachen: Wellness im Engadin zum Beispiel. Hier ergibt sich aber ein Problem anderer Art: Ich kann mir die 579.—für eine Nacht/2 Personen im Hotel Gold in Sils nicht leisten, nein, das ist jetzt nicht ganz korrekt, ich WILL mir das nicht leisten.
Liebesbooking.com, Wellness hat doch was mit Wohlbefinden, Wohlfühlen, hat was mit Rundumseligkeit, mit Entspannung, Wellness hat was mit Fallenlassen, Sorgenabgeben, hat was mit Lächeln und Duft und Klang und Zärtlichkeit zu tun. Und das leiste ich mir wieder, wenn Corona vorbei ist.
Wenn ich mir vorstelle, dass der Masseur mich nicht anlächelt, wenn er mich begrüsst (natürlich lächelt er, aber unter der der Maske sieht man das ja nicht) und ich auch nicht zurücklächeln kann (oder ich kann es, aber man sieht es nicht), wenn ich mir dann vorstelle, dass es im Raum nicht nach ätherischem Öl, sondern nach Desinfektionsmitteln riecht, und wenn ich mir dann noch vorstelle, dass der Masseur, nicht Duftöl, sondern Desinfektionsöl auf meinen Rücken reibt, und natürlich behalten wir beide die Maske an, dann kommt mir das kalte Grausen…
Nein, die 579,-- geben wir aus, wenn es keine Corona-Wellness mehr ist.

Liebes booking.com
Maile mir nicht mehr.
Ich weiss, du tust das, weil du dich in Erinnerung rufen willst. Das ist nicht nötig. ich bin nicht dement und habe keinen Alzheimer, ich habe auch keine Amnesie, wenn ich wieder einmal ein Hotel brauche, werde ich nicht 10 Stunden lang überlegen: «Wie hiess noch einmal die Plattform, auf der ich immer Zimmer gebucht habe?» Und wenn, dann würde ich in meinen Mails ja eine Bestätigung von dir und damit deinen Namen finden.
Maile mir nicht mehr.
Von Bern, Zürich und Luzern fahre ich abends (KOSTENLOS!) heim.
Und Wellnessen macht zurzeit einfach keinen Spass.

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