Montag, 24. April 2017

Überbucht!!!!



Hatten Sie schöne Osterferien? Das wollte ich Sie fragen. Ja, hatten Sie? Ach, Sie waren im Süden. Das war auch genau das Richtige bei den Sibirischen Temperaturen, die bei uns herrschten…
Hat alles geklappt mit Flug und Hotel? Ja? Ich meine, hat man Ihnen einen Platz in dem Flieger gegeben, den Sie gebucht und ein Zimmer in dem Hotel, das Sie im TUI-Katalog ausgewählt hatten? Ja, lachen Sie nicht. Das ist gar nicht mehr selbstverständlich heutzutage.

War es übrigens noch nie. Der Talmud erzählte folgende Variante einer Geschichte aus der Thora:
Als Noah von Jahwe den Auftrag bekam dieses Riesenschiff zu bauen, da kam es ihm doch etwas zu riesig, zu gewaltig, es kam ihm doch zu wuchtig und grandios vor, also machte er es etwas kleiner. Und es passten auch alle Tierpaare rein, alle – bis auf die Dinos, die kurz vor der Abfahrt noch behäbig antrabten. Und für die Brontos und Velocis, für die Tyrannis und Tricis gab es nun wirklich keinen Raum mehr, die Arche Noah war überbucht. Und so mussten die Dinosaurier draussen bleiben und ertranken alle und starben aus.

Auch diese Geschichte ist sehr alt:
Bei der Hochzeit von Thetis und Peleus hatte man Platz für alle Gottheiten geschaffen, nur ein Hocker fehlte. Na ja, dachte das Brautpaar, alle werden schon nicht kommen, Hermes ist bestimmt unterwegs und Zeus in einem Menschenfrauenbett und Dionysos sicher wieder betrunken und Helios muss ja eh früh aufstehen und kann abends eigentlich nicht so gross was machen, alle werden also nicht da sein, aber weit gefehlt: Alle kamen und der Raum war überbucht, und die zuletztgekommene Eris war so sauer, dass sie den berühmten Apfel warf und die Folge war bekanntlich ein ziemlich gewaltiger Krieg.

Überbuchen hat also eine lange Tradition, aber nie wurde das Prinzip mit solcher Leidenschaft angewandt wie zurzeit; da werden Fluggäste auf Flüge in 15 Stunden vertröstet, da werden Hotelgäste in andere Etablissements gekarrt, weil kein Platz mehr da ist.
Überbuchen.
Eigentlich ein furchtbarer Euphemismus, denn es ist schlicht und einfach Betrug. Sie verkaufen nämlich Dinge, die Sie nicht haben, Sie verkaufen den 351. Sitzplatz, den es nicht gibt, Sie verkaufen das 61. Einbettzimmer, das nicht existiert. Und wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.

Überbuchen ist eine Folge eines falschen Umgangs mit Statistik.
Stellen Sie sich vor, Sie führen das Quatuor pour la fin du temps auf und haben einen Saal mit 100 Sitzen, freie Platzwahl. Jetzt würde jeder vernünftige und anständige Erdenbürger einfach 100 Karten an den Menschen bringen. Der unanständige und unvernünftige denkt nun aber: Statistisch erscheinen 4 von 100 Besuchern nicht – obwohl sie ein Ticket haben. Manche werden krank, manche vergessen einfach den Termin, manche lässt der Flurspiegel nicht vorbei (…so kann ich unmöglich unter die Leute!), manche googeln noch schnell Messiaen und stellen fest, dass das ja ein MODERNER ist und schliesslich gibt es Personen, die eine halbe Stunde vor Konzertbeginn eine plötzliche und heftige Aversion gegen Kammermusik überkommt. Wenn nun also vier Plätze leerbleiben, so denkt man, kann man vier Plätze mehr verkaufen.
Es sind aber IM DURCHSCHNITT vier Plätze frei, manchmal sind es ganz viele und manchmal, wenn niemand krank ist und niemand vergisst, wenn alle Flurspiegel das Outfit gnädig durchwinken und wenn alle, die ein Ticket gekauft haben, vorher wussten, dass Messiaen nicht wie Brahms klingt und wenn keinen oder keine eine Akutkammermusikaversion überfiel, dann kommen eben alle und die 4, die dann stehen müssen, sind sauer.

Überbuchen heisst Betrug.
Überbuchen heisst Dinge verhökern, über die Sie nicht verfügen.

Natürlich kommt man Ihnen als Nachsehenhabende(r) entgegen. Auf dem nächsten Flug werden Sie upgegradet und erhalten einen Verzehrbon für die Wartezeit. Aber mal ganz ehrlich: Was ist ein Glas Schampus und ein Lachsbrötchen und ein Hühnchen mit Reis und ein Rotwein gegenüber den 8 Stunden, die Sie später am Strand liegen?
Bei Hotels ist das noch netter, da bestellt man Ihnen ein Taxi zu einem Hotel einer höheren Kategorie, ein Hotel, das allerdings irgendwo liegt, man versichert Ihnen zwar noch, das sei Innenstadt, weil der Abstand zum HBF gleich sei, aber das ist natürlich Schwachsinn. Wehe Ihnen, wenn Sie gerade diese Herberge gewählt haben, weil Sie direkt neben dem Theater oder dem Konzertsaal liegt…

Sie hatten also schöne Ferien? Alles hat geklappt?
Wie gesagt: Glück gehabt.
In Zukunft empfiehlt es sich nämlich, 13 Stunden vor Abflug sich schon im Schlafsack in die Schlange zu legen, denn die Letzten werden hier eben nicht die ersten sein, sondern die Letzten kriegen keinen Platz mehr.

                                                        

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