Hatten Sie schöne Osterferien? Das wollte ich Sie fragen. Ja,
hatten Sie? Ach, Sie waren im Süden. Das war auch genau das Richtige bei den
Sibirischen Temperaturen, die bei uns herrschten…
Hat alles
geklappt mit Flug und Hotel? Ja? Ich meine, hat man Ihnen einen Platz in dem
Flieger gegeben, den Sie gebucht und ein Zimmer in dem Hotel, das Sie im
TUI-Katalog ausgewählt hatten? Ja, lachen Sie nicht. Das ist gar nicht mehr
selbstverständlich heutzutage.
War es
übrigens noch nie. Der Talmud erzählte folgende Variante einer Geschichte aus
der Thora:
Als Noah von
Jahwe den Auftrag bekam dieses Riesenschiff zu bauen, da kam es ihm doch etwas
zu riesig, zu gewaltig, es kam ihm doch zu wuchtig und grandios vor, also
machte er es etwas kleiner. Und es passten auch alle Tierpaare rein, alle – bis
auf die Dinos, die kurz vor der Abfahrt noch behäbig antrabten. Und für die
Brontos und Velocis, für die Tyrannis und Tricis gab es nun wirklich keinen
Raum mehr, die Arche Noah war überbucht. Und so mussten die Dinosaurier
draussen bleiben und ertranken alle und starben aus.
Auch diese
Geschichte ist sehr alt:
Bei der
Hochzeit von Thetis und Peleus hatte man Platz für alle Gottheiten geschaffen, nur ein
Hocker fehlte. Na ja, dachte das Brautpaar, alle werden schon nicht kommen, Hermes
ist bestimmt unterwegs und Zeus in einem Menschenfrauenbett und Dionysos sicher
wieder betrunken und Helios muss ja eh früh aufstehen und kann abends
eigentlich nicht so gross was machen, alle werden also nicht da sein, aber weit
gefehlt: Alle kamen und der Raum war überbucht, und die zuletztgekommene Eris
war so sauer, dass sie den berühmten Apfel warf und die Folge war bekanntlich
ein ziemlich gewaltiger Krieg.
Überbuchen
hat also eine lange Tradition, aber nie wurde das Prinzip mit solcher
Leidenschaft angewandt wie zurzeit; da werden Fluggäste auf Flüge in 15 Stunden
vertröstet, da werden Hotelgäste in andere Etablissements gekarrt, weil kein
Platz mehr da ist.
Überbuchen.
Eigentlich
ein furchtbarer Euphemismus, denn es ist schlicht und einfach Betrug. Sie
verkaufen nämlich Dinge, die Sie nicht haben, Sie verkaufen den 351. Sitzplatz,
den es nicht gibt, Sie verkaufen das 61. Einbettzimmer, das nicht existiert.
Und wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.
Überbuchen
ist eine Folge eines falschen Umgangs mit Statistik.
Stellen Sie
sich vor, Sie führen das Quatuor pour la fin du temps auf und haben einen Saal
mit 100 Sitzen, freie Platzwahl. Jetzt würde jeder vernünftige und anständige Erdenbürger
einfach 100 Karten an den Menschen bringen. Der unanständige und unvernünftige
denkt nun aber: Statistisch erscheinen 4 von 100 Besuchern nicht – obwohl sie
ein Ticket haben. Manche werden krank, manche vergessen einfach den Termin,
manche lässt der Flurspiegel nicht vorbei (…so kann ich unmöglich unter die
Leute!), manche googeln noch schnell Messiaen und stellen fest, dass das ja ein
MODERNER ist und schliesslich gibt es Personen, die eine halbe Stunde vor
Konzertbeginn eine plötzliche und heftige Aversion gegen Kammermusik überkommt.
Wenn nun also vier Plätze leerbleiben, so denkt man, kann man vier Plätze mehr
verkaufen.
Es sind aber
IM DURCHSCHNITT vier Plätze frei, manchmal sind es ganz viele und manchmal,
wenn niemand krank ist und niemand vergisst, wenn alle Flurspiegel das Outfit
gnädig durchwinken und wenn alle, die ein Ticket gekauft haben, vorher wussten,
dass Messiaen nicht wie Brahms klingt und wenn keinen oder keine eine
Akutkammermusikaversion überfiel, dann kommen eben alle und die 4, die dann
stehen müssen, sind sauer.
Überbuchen
heisst Betrug.
Überbuchen
heisst Dinge verhökern, über die Sie nicht verfügen.
Natürlich
kommt man Ihnen als Nachsehenhabende(r) entgegen. Auf dem nächsten Flug werden
Sie upgegradet und erhalten einen Verzehrbon für die Wartezeit. Aber mal ganz
ehrlich: Was ist ein Glas Schampus und ein Lachsbrötchen und ein Hühnchen mit
Reis und ein Rotwein gegenüber den 8 Stunden, die Sie später am Strand liegen?
Bei Hotels
ist das noch netter, da bestellt man Ihnen ein Taxi zu einem Hotel einer
höheren Kategorie, ein Hotel, das allerdings irgendwo liegt, man versichert
Ihnen zwar noch, das sei Innenstadt, weil der Abstand zum HBF gleich sei, aber
das ist natürlich Schwachsinn. Wehe Ihnen, wenn Sie gerade diese Herberge
gewählt haben, weil Sie direkt neben dem Theater oder dem Konzertsaal liegt…
Sie hatten
also schöne Ferien? Alles hat geklappt?
Wie gesagt:
Glück gehabt.
In Zukunft
empfiehlt es sich nämlich, 13 Stunden vor Abflug sich schon im Schlafsack in
die Schlange zu legen, denn die Letzten werden hier eben nicht die ersten sein,
sondern die Letzten kriegen keinen Platz mehr.
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