Dienstag, 2. Dezember 2025

Die Bastion der Lateiner ist gefallen! (Vatikan gibt Latein als erste Amtssprache auf)

Salvete, lectores columnae Martis-Veneris.

Das heisst (für Nichthumanisten) «Seid gegrüsst, Leser der Dienstag-Freitag-Glosse». Es geht heute nämlich um Latein, und das hat einen Grund: Unsere letzte Bastion ist gefallen. Der Vatikan verzichtet.

Ich habe mit dem Latein eine lange Geschichte. Ich habe Ihnen am 25. 3. dieses Jahres davon erzählt:
Ich habe meine Lateinkenntnisse bei Prof. Dr. Werner Stegmaier erworben. Später Ordinarius in Greifswald, war er in 70ern und 80ern Lehrer am Wagenburg-Gymnasium in Stuttgart. (Erfinde ich jetzt nicht, Sie können ihn googeln und er hat auch einen Wikipedia-Eintrag…)
Es gehört übrigens zu den Merkwürdigkeiten meiner Laufbahn, dass ich am mathematisch-naturwissenschaftlichen Wagenburg den besten Lateinunterricht erhielt, aber eine katastrophale Matheausbildung, und dass es sich dann am altsprachlichen Eberhard-Ludwigs-Gymnasium umdrehte, den besten Matheunterricht der ganzen Stadt und in Latein eine totale Pfeife als Lehrer.

Wie ging es dann weiter?
Nun, Latein wurde mein Wissenschaftliches Beifach an der Uni, ich habe also neben Schulmusik an der Musikhochschule auch Klassische Philologie des Lateinischen an der Albert-Ludwigs-Universität studiert. Und mir wurde einmal eine riesengrosse Ehre zuteil: Im Jahre 1991durfte ich beim «Colloquium Rhenanum», beim Treffen der Freiburger und Strassburger Latinisten den Vortrag der deutschen Seite halten (über die Phaedrus-Fabel III/7 «lupus ad canem»), eine Ehre, die sonst Nebenfächlern nicht zusteht…

In Diskussionen mit Menschen, die dem Latein ein wenig kritisch gegenüberstehen, die meine Studien belächelten, die meinten, es sei ja eine tote Sprache, die es für überflüssig halten, in diesen Diskussionen konnte man nun immer ein Schild hochhalten:
Den Vatikan.
Jener kleine Staat, in dem die Amtssprache das Latein sei, der Latein schreibt und redet und denkt, und der sogar neue Wörter erfindet. Ja! Echt! Schauen sie einmal her:
De sociali quaestione universali agitur, quae humanae vitae dignitati arcte coniungitur. Foederatarum Civitatum Americae Septentrionalis Episcopi socialem nostrae sollicitudinis de caeli status mutatione sensum optime significaverunt, qui tractationem oecologicam tantum praetergreditur, quandoquidem «nostra alterius cura itemque nostra terrae cura penitus nectuntur.
Heisst auf Deutsch:
Es ist ein globales soziales Problem, das eng mit der Würde des menschlichen Lebens zusammenhängt. Die Bischöfe der Vereinigten Staaten haben den sozialen Sinn unserer Sorge um den Klimawandel, der über einen rein ökologischen Ansatz hinausgeht, sehr gut zum Ausdruck gebracht, denn »unsere Sorge füreinander und unsere Sorge für die Erde sind eng miteinander verbunden.
(aus dem Schreiben «Laudate Deum»)

Und nun das:
Der Vatikan, der Sehnsuchtsort der Latinisten, die Bastion in der englischdominierten Welt, das kleine gallische Dorf, die letzte Zufluchtsstätte, dieser Vatikan hat kapituliert.
Die Kurie gibt Latein als erste Amtssprache auf.

Aber ich muss mich ja an die eigene Nase fassen: Mein Latein ist ja auch ziemlich am Ende. Da ich nie an einem BW-Gymnasium unterrichtete, habe ich mein Latein vernachlässigt, ich könnte die meisten Texte heute nicht mehr a prima vista übersetzen. Und das ist im Vatikan eben auch so, viele Leute reden eben doch Englisch miteinander. Der Papst hat nur reagiert, reagiert auf das, was eh Tatsache ist.
Schade ist es doch.

Valete, lectores columnae Martis-Veneris!





Freitag, 28. November 2025

Der schwimmende (im Wasser stehende) Spinnenmann

Jeder in B. kennt ihn: Den Hallenbad-Spinnenmann. Den schwimmenden Nichtschwimmer. Den Stehschwimmer. Den Tiefgraber.

Der Gute ist jeden Tag im Hallenbad, mal am Morgen, mal am Mittag und mal (leider) zur Stosszeit um 17.00.
Er ist ca. 75 Jahre alt und klapperdürr mit langen Armen und Beinen (daher auch der Name «Spinnenmann»).
Das Besondere an ihm ist, dass er mit voller Wucht schwimmt, aber kaum einen Meter vorankommt. Er stösst seine Arme mit Kraft, und er bewegt seine Beine mit Kraft, mit viel Kraft, mit äusserster Kraft, mit extremer Kraft, aber alle seine Bewegungen gegen nach unten, vertikal, sodass der Zugewinn an Strecke praktisch gleich null ist. Er braucht für die Länge von 25 Metern – ungelogen! – 5 Minuten.

Jeder in B. kennt ihn: Den Hallenbad-Spinnenmann. Den schwimmenden Nichtschwimmer. Den Stehschwimmer. Den Tiefgraber. Den meistverhassten Besucher des Hallenbades in B.

Es gibt laufend Beschwerden über ihn, denn er ist wirklich im Weg. Vor allem natürlich zu Zeiten, an denen das Bad voll ist – wie eben zwischen 17.00 und 18.00, wenn alle Bürogummis und Sachbearbeiter, wenn alle Versicherungsangestellten und alle Sekretäre aus den Offices strömen, um ihren Feierabend mit einem erholsamen Schwimmen einzuläuten.

Aber was kann man ihm sagen? Kann man ihm Hausverbot erteilen? Ihm bestimmte Zeiten zuteilen? Was soll der Bademeister sagen und machen? Die Schwierigkeit ist, dass der Spinnenmann seiner Meinung nach das tut, was man in einem Schwimmbad tun darf: Schwimmen. Nach der Meinung der anderen tut er eben das nicht. Natürlich darf man langsam schwimmen, aber wie langsam ist es noch «Schwimmen» und wann ist es «Stehen im Wasser»?
(Wikipedia, sonst so hilfreich, drückt sich um eine klare Definition…)

Jeder in B. kennt ihn: Den Hallenbad-Spinnenmann. Den schwimmenden Nichtschwimmer. Den Stehschwimmer. Den Tiefgraber. Den meistverhassten Besucher des Hallenbades in B. Das klapperdürre Männlein.

Vielleicht aber tun wir dem Manne unrecht.
Vielleicht ist das, was er macht, gar kein Sport, sondern eine Performance.
Seine sinnlose und ineffektive Kraftanstrengung symbolisiert ja in einer unglaublichen Weise viele Aspekte aus Gesellschaft und Politik:

Vielleicht will er die deutsche Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft darstellen, die sich abstrampelt und abmüht, die Geld in die Hand nimmt und Reformen beschliesst, die ackert und sich streitet und nochmal ackert und sich nochmal streitet und einfach nicht vom Fleck kommt.

Vielleicht will er die Klimakonferenzen darstellen, die in regelmässigen Abständen stattfinden und einen immensen Aufwand betreiben, nur um dann wieder festzustellen, dass man nicht vom Fleck gekommen ist.

Vielleicht will er die Kriegsgegner in der Welt symbolisieren, die Kriegsgegner, die nach 3 Jahren Kampf sich endlich an einen Verhandlungstisch setzen, um dann in 8 Wochen einen Waffenstillstand auszuhandeln, einen Waffenstillstand, der dann nach 24 Stunden schon wieder gebrochen wird.

Vielleicht…
Vielleicht…
Vielleicht…
Auf jeden Fall könnte der Mann ein Performer sein, ein Mensch in der Nachfolge Abramovics, Yoko Onos oder Nam June Paiks.

Jeder in B. kennt ihn: Den Hallenbad-Spinnenmann. Den schwimmenden Nichtschwimmer. Den Stehschwimmer. Den Tiefgraber.
Es gibt laufend Beschwerden über ihn, denn er ist wirklich im Weg.
Aber lasst ihn in Ruhe!
Der Mann ist Künstler.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dienstag, 25. November 2025

Ich bin Utopist - und das ist gut so.

Nach dem letzten Post haben mir viele geschrieben, dass ich ein Utopist sei. Und haben das Wort «Utopist» absolut negativ gemeint.

Dabei haben die lieben Leserinnen und Leser meine richtig utopischen Ideen noch gar nicht gelesen:
* Wir fragen jede Gemeinde und Region auf der Welt, zu welchem Staat sie gehören möchte.
* Wir fragen jeden Menschen auf der Welt, in welchem Staat er leben möchte.
* Weltraum und die Weltmeere gehören schon allen, nun wird auch alles, was tiefer als 500m im Boden liegt, der Weltgemeinschaft zur Verfügung gestellt.
(Die zweite Idee stammt übrigens gar nicht von mir, ich habe sie aus einem Programmheft des Theater Basel, weiss aber den Autor nicht mehr…)

Nach dem letzten Post haben mir viele geschrieben, dass ich ein Utopist sei. Und haben das Wort «Utopist» absolut negativ gemeint.

Natürlich ist das alles Utopie. Weiss ich. Weiss ich. Weiss ich. Weiss ich.
Aber – nun mal ganz ehrlich gesagt – sind nicht viele Dinge, die für uns heute total selbstverständlich und üblich und normal sind, eben genau das gewesen: Eine Utopie?
Da wären zu nennen:
* das Auto, die Eisenbahn, der Mondflug und Marsflug und Überhauptflug, die S- und U-Bahn und Schiene und Motor…
* die weltweite Kommunikation, das Telefon, das Handy, das Internet und so weiter…
* generell der elektrische Strom, die Elektronik und der Computer…
* der medizinische Fortschritt, die Möglichkeit, an TBC oder anderen Sachen nicht mehr zu sterben.
etc.
etc.

Nach dem letzten Post haben mir viele geschrieben, dass ich ein Utopist sei. Und haben das Wort «Utopist» absolut negativ gemeint.

Aber genauso im politischen und gesellschaftlichen Bereich haben wir heute viele Dinge, für die diejenigen, die sie vor 100 Jahren dachten und forderten als totale Utopisten beschimpft wurden:
Wir haben – bei allem Bashing und Daraufrumhacken – eine Organisation, in der alle Staaten der Welt zusammensitzen und reden und verhandeln, statt sich die Köpfe einzuschiessen und die Länder zu zerstören.
Wir haben mit dem Roten Kreuz eine Organisation, die sich weltweit um humanitäre und medizinische Belange kümmert, und die in allen Nationen geachtet und anerkannt ist.
Ein evangelischer Mann und eine katholische Frau können heutzutage heiraten, ohne dass sie enterbt und verstossen und aus der Familie verbannt wird.
Aber ich gehe noch weiter: Auch zwei Männer, zwei Frauen können heute zusammenleben und man darf sogar auch noch etwas «dazwischen» sein. Und dieses «Dazwischen» wurde ja schon vor 100 Jahren von Magnus Hirschfeld, der ja sicher unter die ganz grossen Utopisten zu rechnen ist.

«Seid realistisch – fordert das Unmögliche» so prangte es in den 70er Jahren von manchen Hauswänden. Und im wunderbaren Schweizer Film «Utopia Blues» wird gesungen

Vill z`lang hämmer gschwige

Vill z`lang hämmer gnickt
Vill z`lang hämmer das gmacht
Wo sich halt eso schickt
Doch jetzt wirds sich ändere
Ja jetzt boued mir
Es ganz nöis Läbe uf
Utopia isch nonig tot!
Utopia isch nonig tot!

Ja, Utopia ist noch nicht tot.
Nach dem letzten Post haben mir viele geschrieben, dass ich ein Utopist sei. Und haben das Wort «Utopist» absolut negativ gemeint.

Aber ich bin stolz drauf.

Freitag, 21. November 2025

Klima-Idee: Kein Reisen ohne Heimatkenntnis


Ich war neulich in Sankt Urban. St. Urban ist eine wundervolle barocke Klosteranlage mit einem weltkulturerbeverdächtigen Chorgestühl. Es war einer der letzten Abende des goldenen Oktobers, wir spazierten in der untergehenden Sonne, die das Gebäude in den herrlichsten Farben erstrahlen liess. Einfach klasse.
Ich war noch nie in St. Urban gewesen.

Dabei liegt St. Urban zwar im Kanton Luzern, aber ganz, ganz, ganz im Norden und ist mit einem Bähnlein in 10 Minuten von Langenthal zu erreichen. Langenthal wiederum ist praktisch neben Olten und Olten ist keine halbe Stunde von Basel entfernt. Also in einem Satz: Das ist nicht weit.

Meine Patentante Pauline («Päule») – Gott habe sie selig – hätte dafür kein Verständnis gehabt. Sie war praktisch nie aus ihrem Dorf in der Zollernalb herausgekommen, ein paar Mal Stuttgart bei uns und einmal Paris mit dem Kirchenchor ausgenommen («Was soll ich woanders? Hier ist es am schönsten!»), aber die Dinge der Umgebung kannte sie.

Sie war nie in den Barockkirchen in Oberösterreich oder in Rom, aber die Wallfahrtskirche St. Anna in Haigerloch, immerhin doch auch eines der schönsten deutschen Barockmonumente, die kannte sie in- und auswendig.
Sie war nie in Potsdam und kannte Sanssouci nicht, wohl aber die Stammburg der Hohenzollern, schliesslich gibt die imposante Anlage dem Kreis um Balingen ja den Namen.
Sie hat nie den Schäfern auf Kreta oder in den Highlands, nie den Schafhütern in Syrien oder Palästina zugeschaut oder sie beobachtet, warum auch, Schäfer bevölkerten früher auch die Schwäbische Alb. (Und gaben ihr ihr typisches Aussehen, denn die Schafe verschmähten den ultralangsamwachsenden Wacholder, frassen aber das Gras drum herum…)

Warum reisen wir immer in Ferne? In die Ferne, um dann dort das toll zu finden, was wir daheim vor der Nase haben?
Meine Jungs sind auf jeder Tournee hin und weg von Tropfsteinhöhlen, von den Stalagmiten und Stalaktiten, sie staunen und staunen, aber KEINER von ihnen war je in der Erdmannshöhle – und die liegt in Schopfheim, also nur einen Katzensprung von Basel entfernt (wenn auch im Ausland).

Warum in die Ferne schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.

So schreibt der Geheimrat – nein, schreibt er nicht, bei Goethe heisst es in Wirklichkeit:

Willst Du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen,
Denn das Glück ist immer da.

Aber macht nix. Stimmen tut es doch.
Denn nur, wenn man das Nahe kennt, dann merkt man den Unterschied, natürlich gibt es Berge und Schluchten in Übersee und Flüsse und Vulkane, gibt es dort Wüsten und Steppen, die wirklich einmalig sind, aber diese Einmaligkeit sieht man ja nur, wenn man es mit dem daheim vergleichen kann.

Daraus entwickle ich nun eine Forderung, eine Forderung, die alle Klimaprobleme beendet und allen CO2-Ausstoss gegen Null wandern lässt:

KEIN MENSCH DARF MEHR REISEN, DER SEINE NÄCHSTE UMGEBUNG NICHT EINGEHEND BESUCHT UND ERKUNDET HAT. DIESE KENNTNIS WIRD BEI JEDEM TICKETKAUF ÜBERPRÜFT.

Sie wollen ins Disneyland, stammen aber aus Karlsruhe? Dann zeigen Sie bitte, dass Sie den Europa-Park mindestens 10x besucht haben, dann bekommen Sie einen Flug.
Sie wollen ins MoMa, um dort Warhol und Lichtenstein und Pollock und Rothko anzugucken? Weisen Sie nach, dass Sie alle Post-war-Bilder im Umkreis von 100 Kilometern gesehen haben (die meisten Museen haben ein Bild dieser Meister).
Sie wollen einen Canyon in Thailand? Erst einmal in die Wutachschlucht. Oder in die Via Mala, oder an die Teufelsbrücke.

Ich war neulich in Sankt Urban. St. Urban ist eine wundervolle barocke Klosteranlage mit einem weltkulturerbeverdächtigen Chorgestühl. Es war einer der letzten Abende des goldenen Oktobers, wir spazierten in der untergehenden Sonne, die das Gebäude in den herrlichsten Farben erstrahlen liess. Einfach klasse.

Und es gibt noch viel, viel, viel, viel in der Nähe zu sehen.



Dienstag, 18. November 2025

Gedanken über Fussabtreter - der St. Martins-Fake


Wir haben uns einen neuen Fussabtreter zugelegt. Der alte war am Rand ausgerissen und zerfleddert, er besass nämlich einen Lederrand, der sich zerlegte, wenn man den Gegenstand horizontalen Spannungen aussetzte. Zum Beispiel, wenn man sich mit den Füssen darauf rieb. Und genau das ist es ja, wofür ein Fussabtreter gemacht wird. Also wieder genauso ein Fall, wo die Hersteller nix nachdenken, aber ich will nicht abschweifen.

Der neue Fussabtreter sollte nach unseren Wünschen in den Farben Blau, Schwarz oder Anthrazit gehalten sein, auf keinen Fall in Kackbraun wie der alte. Und auf keinen Fall sollten auf ihm Worte wie
WILLKOMMEN
WELCOME
TRAUTES HEIM GLÜCK ALLEIN
HOME SWEET HOME
stehen, eine solche Fussmatte steht in der gleichen Reihe wie ein Katzenbaum, eine Macramé-Eule, wie ein Holzlättlein-Windspiel und zehn kleine Blumentöpfe mit Usambaraveilchen, nun können ein Katzenbaum, eine Macramé-Eule, wie ein Holzlättlein-Windspiel und zehn kleine Blumentöpfe mit Usambaraveilchen eine gewisse Nostalgie und ein gewisses Kindheitsgefühl auslösen, man würde aber doch darauf verzichten wollen…

Wir schauten nun in MANIFESTUM®, den Katalog für links-intellektuelle Menschen mit hohem Monatseinkommen, also Rundfunkmitarbeiter, Zeitungsredakteure, Museumskuratoren und Dramaturgen, MANIFESTUM® hatte tatsächlich einen Fussabtreter im Angebot, ein wunderschönes Ding in Schwarzgrau, handgewebt aus der Wolle von nordiberischen Ur-Schafen, bio, vegan und unbehandelt, aber den stolzen Preis von 599,99 konnten wir im Moment nicht aufbringen.

Also erstanden wir ein dunkelblaues Exemplar im MUJOB® – für 6 Franken, auch sehr schön und sehr gediegen.

Wir hatten uns nun einen neuen Fussabtreter zugelegt. Der alte war, wie Sie wissen, am Rand ausgerissen und zerfleddert, er besass nämlich einen Lederrand, der sich zerlegte, wenn man sich mit den Füsslein darauf rieb. (Und genau das ist es ja, wofür ein Fussabtreter gemacht wird.)

Es ging nun darum, die alte Fussmatte möglichst elegant und sauber zu entsorgen. Nicht lag näher, als sie zu zerschneiden und die kleinen Einzelteile in den Mülleimer zu tun. Ich schnappte mir nun ein Japanmesser und ging an die Arbeit.

Der schwierigste Schnitt ist in diesem Fall der erste. Nein, der schwierigste Schnitt ist immer der erste – und der tiefste, sang ja schon Cat:

The first cut is the deepest
Baby, I know the first cut is the deepest

Aber nicht abschweifen, der erste Schnitt muss so gesetzt werden, dass er die Unterlage (hier meinen Balkontisch) nicht zerkratzt. Ab der zweiten Zerteilung kann man nämlich die Hälfte der Matte auf der anderen schneiden. Ich hob also den Fussabtreter ein bisschen in die Luft und schnitt so mit Japanmesser hinein.

Und während ich so kämpfte, kamen mir Gedanken. Ich dachte daran, dass wir ja Mitte November haben, und ich dachte daran, dass es wahrscheinlich unmöglich wäre, die Matte zu zerteilen, wenn man sie komplett in der Luft hält, und ich dachte daran, dass es ganz schwer wäre, wenn das Textil leichter und das Messer grösser wäre.

Sie ahnen, worauf ich hinauswill?
Der gute Heilige kann unmöglich diesen Mantel mit dem Schwert so zerteilt haben, wie es auf den Abbildungen dargestellt wird. Wahrscheinlich hat er ihn an der Naht zerteilt, denn normalerweise waren die Mäntel zusammengenäht. Ja, natürlich, da ist die «Lasst-uns-diesen-nicht-zerteilen-Geschichte», aber es ist ja so, dass der Mantel Jesu eine AUSNAHME war…
Die Martinsgeschichte ist also ein Fake, aber das macht nix, sie war auf jeden Fall ein gutes PR.

So.
Jetzt muss ich los, ich brauche immer ein wenig länger.
Weil ich immer noch 10 Minuten vor der Wohnungstüre stehenbleibe und mich über meinen neuen Fussabtreter freue.

























 

 

 

 

 

 

 

 

   

 

 

 

Freitag, 14. November 2025

Wo sind Jude, Shaze und Tom im Film?

Liebe Leserin und lieber Leser,
kennen Sie Sally Phillips, Shirley Henderson und James Callis? Nicht? Britische Schauspielerinnen und Schauspieler. Shirley Hendersons Gesicht ist Ihnen wahrscheinlich als das der «Maulenden Myrtha» aus den Potter-Filmen vertraut. Den Namen haben Sie aber nicht gemerkt. Die anderen beiden stehen irgendwo im Nebel der Unbekannten.

Kennen Sie aber Renée Zellweger, Colin Firth und Hugh Grant? Natürlich, was für eine Frage. Und Sie wissen sicher auch, in welchem Film die drei gespielt haben?
Klar: Bridget Jones. Sie verkörperten dort Bridget, den wunderbaren Mark Darcy und den fiesen Daniel Cleaver.

Nun kommen aber auch die anderen wieder ins Spiel. Sally Phillips, Shirley Henderson und James Callis gaben die Rollen der Freunde Bridgets: Sharon (auch «Shazze», «Shaze», oder «Shazzer/Shazer» genannt), Jude und den schwulen Tom.
Dass Sie sich nun partout NICHT an die drei erinnern, liegt daran, dass man im Film ihre Bedeutung auf ein Minimum reduziert hat.

So.
Ich muss mich nun ein wenig outen. Ich lese manchmal auch Bücher, die nicht über allen Zweifel erhaben sind. Und ich tue das ohne schlechtes Gewissen und mit Spass. Das Gleiche gilt für Filme. So habe ich vor vielen, vielen, vielen Jahren «Schokolade zum Frühstück» gelesen und auch den passenden Streifen dazu gesehen. Nun fiel mir neulich in einem Gratis-Bücher-Schrank der Roman wieder in die Hände und ich las ihn noch einmal.
Und nun fiel mir noch einmal auf, was mich damals schon störte: Im Film ist Clique von Bridget eine totale Nebensache. Im Buch sind Sharon (auch «Shazze», «Shaze», oder «Shazzer/Shazer» genannt), Jude und der schwule Tom mithin die wichtigsten Figuren.

Warum verschwindet die Frauenclique im Film? (Ich rechne den Tunten-Tom nun auch mal zu den Frauen – ich als Schwuler darf das…) Weil die Bridget-Gruppe nicht dem entspricht, was wir unter «Frauenfreundschaften» gerne verstünden.
Frauen sollten gerne befreundet sein, sie sollten auch gerne Zeit miteinander verbringen, gerne sich mögen und zusammenhocken, dann aber etwas Nützliches tun:
* Handarbeiten (stricken, häkeln, spinnen, stopfen…)
* mit den Kindern auf den Spielplatz (oder ins Schwimmbad)
* Austausch von Koch, Back- und Einmachrezepten
* Hilfe beim Haushalt, wenn die andere mal krank ist
usw.
usw.
Bridget, Sharon (auch «Shazze», «Shaze», oder «Shazzer/Shazer» genannt), Jude und der schwule Tom tun aber nichts dergleichen, sie hängen herum, stehlen dem lieben Gott die Zeit, rauchen, futtern, quatschen.
Und trinken viel zu viel Alkohol.
Da Bridget ja Tagebuch führt (nicht umsonst heisst das Buch im Original «Bridget Jones's Diary»), werden die Alkoholmengen immer am nächsten Tag verzeichnet – und sind meist hoch.
Pfui.
Geht gar nicht.

Bei Männern ist das natürlich etwas anderes, da geht es um hehre Dinge, Freundschaft, Kameradschaft, einer für alle und alle für einen, da geht es um Ideale und Kunst und Philosophie, da werden Freundschaften zu Bünden und Bündnissen, und der Alkohol spielt nur nebensächlich eine Rolle.
Denkt man.
Denn wenn man genauso hinsieht, dann sind Männerfreundschaften halt doch sehr häufig Sauffreundschaften, die im Nachhinein zu grossen Dingen stilisiert werden. Was haben die «Schubertianer» bei ihren Wochenendfahrten gemacht? Sicher, Kultur ohne Ende, sagt man, aber sie haben auch entsetzlich viel getrunken.
Gesoffen.
Brutal gesagt.
Beim «Mächtigen Häuflein» ging es nicht anders zu.

Liebe Leserin und lieber Leser,
kennen Sie Sally Phillips, Shirley Henderson und James Callis? Nicht? Britische Schauspielerinnen und Schauspieler.
Und es bleibt zu hoffen, dass einmal eine Bridget Jones-Fortsetzung gedreht wird, in der die ganze Liebe weggelassen wird und die drei 90 Minuten lang Sharon (auch «Shazze», «Shaze», oder «Shazzer/Shazer» genannt), Jude und den schwulen Tom spielen dürfen.







 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dienstag, 11. November 2025

Klimakonferenz!

Ich habe noch gar nicht so viel über Klimakonferenzen geschrieben, wie ich gedacht habe. Wenn ich das Stichwort «Klimakonferenz» eingebe, da kommen nur ein paar Posts. Und in den meisten ist der Begriff nur am Rande genannt. Einen Text fand ich allerdings. Ich schrieb nach Glasgow 2021:

Ja, und dann ist da noch das Schlussdokument der Klimakonferenz. Es gibt hier nichts schönzureden oder zu beschönigen: Glasgow war eine Katastrophe. So schön es war, dass – und lassen Sie sich das jetzt mal auf der Zunge zergehen – niemand mehr den Klimawandel abstreitet, angesichts der Tatsache, dass es eins vor zwölf ist, ist ein Packen-wir-es-irgendwie-und-irgendwann-einmal-an einfach zu wenig.
Einfach Mist.
Einfach nix.

Aber wir wollen nicht alles gleichsetzen, dieses Mal wird alles besser, es sind ja dieses Mal ganz viel Betroffene dabei, Indigene zum Beispiel, die ihren Standpunkt schon klar machen werden.

Dann führte ich 2021 aus, dass diese Abschlusserklärungen mich an die Vorsätze meiner Bekanntschaft erinnert, die jeweils zum Neuen Jahr getroffen werden. Der eine will weniger rauchen, die andere abnehmen, der eine mehr Sport, die andere weniger Alkohol.
Und am Ende eines Jahres kann man (meistens) einen Erfolg verbuchen, denn wer von 30 Zigaretten auf 29 kam, wer von 0 Längen Schwimmen auf 1 steigerte, wer nur noch jeden zweiten Tag sich betrinkt, alle diese Leute haben ja reduziert.

So schrieb ich 2021:

Wenn man also kein klares Ziel definiert, dann ist man immer auf der Gewinnerseite.

Und so ist es eben auch mit der Schlusserklärung von Glasgow. „Wir wollen die Kohle reduzieren.“ Das ist ein so netter Satz, eine so entzückende Sentenz, ein so tolles Vorhaben, aber dieser nette Satz, diese so entzückende Sentenz, dieses so tolles Vorhaben bringt halt nix, gar nix, weil dieser entzückende Satz, diese so nette Sentenz, dieser Spruch, dieser Slogan, dieses so tolle Vorhaben keinerlei konkrete Ziele festlegt.
Kohle reduzieren – Bis wann? Und wie viel?

Aber wir wollen nicht alles gleichsetzen, dieses Mal wird alles besser, es sind ja dieses Mal ganz viel Betroffene dabei, Indigene zum Beispiel, die ihren Standpunkt schon klar machen werden.

Ich schloss 2021 mit den Worten:

So bitter es ist: Wir brauchen drastische Massnahmen und die sofort.

Aber wir wollen nicht…
Doch.
Doch.
Doch.
Wir wollen mal gleichsetzen. Welche Klimakonferenz hat in den letzten Jahren wirklich etwas gebracht? Glasgow? Johannesburg? Madrid? Toronto? Baku? Dubai? Sofia?
Wie unerheblich diese Treffen geworden sind, zeigt ja schon die Tatsache, dass ich hier drei Städte hineingemogelt habe, die Sie jetzt – Hand aufs Herz! Hand aufs Herz! Hand aufs Herz! – gar nicht bemerkt haben. Es hab nix in Johannesburg, Toronto und Sofia.

Auch die Anwesenheit der Indigenen kann hier nichts ändern. Denn Sie können ja keinen Druck ausüben, sie können nur hinweisen, hinzeigen, hindeuten auf ein Problem.
Und das Problem ist ja bekannt.
Hinreichend bekannt.

Es tut mir leid, dass ich heute so düster bin. Aber wenn man keine Massnahmen (keine Flüge mehr weltweit unter 500 km – zum Beispiel), sondern nur Ziele beschliesst, dann wird das wieder nix.