Dienstag, 17. Mai 2022

Metaverse? Erst einmal richtige Maschinen

Ich besteige am 2.4.2022 den Bus Linie 61 nach Binningen. Wie immer versuche ich mich zu zwingen, die Werbung auf dem Bildschirm, der in der Mitte hängt, nicht anzusehen. Und wie immer gelingt es mir nicht. Und während ich mich noch – wie immer – über die Drecksangliszismen ärgere („Love your City – heute geht´s ins Gundeli“, „Hallo, I´m new – neues Café im Gellert“), fällt mein Blick auf die kleine Uhr unten auf dem Bildschirm:
16.05
Ach, du liebe Zeit! Hier ganz wörtlich zu nehmen: Ist es wirklich schon so spät? Und natürlich kommt hier auch jedem der Panther in den Sinn, wo jemand an der Uhr gedreht hat…
Es kann aber unmöglich sein, ich habe zwar einen Abstecher in meine Stammbuchhandlung Olymp&Hades gemacht, bin aber um 14.00 aus dem Haus, das Tram 8 kam gleich, in der Buchhandlung habe ich nur bestellt, dann kam wieder gleich das Tram…
Aber dann fällt es mir ein: Hier hat jemand NICHT an der Uhr gedreht, die elektronische Uhr steht noch auf Sommerzeit. Lustig.
Aber…
Wenn das Winterzeit wäre, müsste es ja 14.05 sein. Nein, hier hat jemand zwei Stunden vorgestellt. Scheinbar sind die Screens in den BLT- und BVB-Bussen nicht auf Funk gestellt, sondern die Zeiten werden manuell eingegeben.

Im April war die Rolltreppe zum Gleis 10 mehrere Wochen ausser Betrieb. Die SBB war aber nicht untätig, sie brachte zwei Schilder an:
Reparatur ausstehend
Wir bitten um Entschuldigung
Ihre SBB
Schön und gut, so läuft man nicht aus Versehen auf die Treppe, aber warum wird nicht repariert? Und kommen Sie mir bitte nicht mit Drittweltland, denn in einem Drittweltland würden solche Dinge sofort repariert (mit den verrücktesten Mitteln und Teilen). Ich habe darüber gepostet.

Die beste Technik ist nur so gut, wie der Mensch, der sie macht, wie der Mensch, der sie bearbeitet und wie der Mensch, der sie bedient.

Am Abend sehe ich einen Beitrag in der 3sat-Kulturzeit über die virtuelle Zukunft des Menschen. Mit einer Spezialbrille kann man in andere Welten tauchen, wegsein (sic), woanderssein (sic), weranderssein (sic), man kann einen Rundgang im MoMa machen, man kann aber genauso eine virtuelle Galerie besuchen, in der nur virtuelle Kunstwerke ausgestellt sind, man kann in die Kunstwerke im MoMa hineinspringen und herumlaufen, und genauso kann man das mit den virtuellen.
Im Metaverse (das ist abgeleitet von Universe) steht eine bessere Version von mir in einem wunderschönen Haus am Wasser (…und am Ende der Strasse steht ein Haus am See…) und wählt aus den schönsten Kleidern, um dann andere Avatare in einem virtuellen Restaurant zu treffen.
Ein bisschen gruselig.
Ein bisschen so wie im Film Matrix.
Nur bislang freiwillig.

Jetzt kommen mir aber Bedenken. Wie kann eine Menschheit, die es nicht schafft, Uhren umzustellen und Rolltreppen zu reparieren, ein Metaverse erschaffen? Und welche Pannen werden dann im Metaverse passieren?

Was ist, wenn mein Avatar in dem wunderschönen Haus am Wasser (…und am Ende der Strasse steht ein Haus am See…) nackt vor dem Spiegel steht, um sich virtuelle Kleider auszusuchen, und dann kommen aus irgendeinem Grund alle möglichen virtuellen Freunde herein? Natürlich ist der Avatar super gebaut und bestens bestückt, aber vielleicht will man das ja trotzdem nicht…
Was ist, wenn in dem wunderschönen Haus am Wasser (…und am Ende der Strasse steht ein Haus am See…) ein Konstruktionsfehler ist und ich – oder mein anderes Ich – dann aus dem Fenster stürzt oder durch eine Wand bricht? Sterbe ich dann in Wirklichkeit auch? Ich echt?
Was ist, wenn mein virtuelles Auto vor dem Museum parkt und aus irgendeiner Panne 40 Bitcoins Parkgebühren anfallen? (Für Unkundige: Das klingt jetzt so wenig, sind aber 1,6 Millionen Sfr…)
Was ist, wenn ich im Museum aus einem Bild nicht herauskomme und dann immer, wenn ich die Brille aufsetze, Teil der Nachtwache bin? Oder dem Floss der Medusa?

Was ist, wenn…
Was ist, wenn…
Was ist, wenn…

Nein, ich finde, eine Menschheit, die es nicht schafft, in der realen Welt zurechtzukommen, sollte sich noch keine virtuelle erschaffen.
Also lernen wir erst einmal Uhren stellen und Rolltreppen reparieren.
Und dann ins Metaverse. Sonst gehen die Uhren da auch falsch und die Aufzüge funktionieren nicht.

P.S. Haus am See ist ein Song von Peter Fox aus dem Jahr 2008.









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