Montag, 24. Oktober 2011

Müssen Kinder schreien?

Neulich, im Bus Linie 36: Ein Kind im Kinderwagen schreit, laut, intensiv und lässt sich auch durch alle Beruhigungsversuche der Mutter nicht beeindrucken. „Jetzt ist aber mal Ruhe!“, meckert eine Frau auf einem der vorderen Sitze. „Es ist ein Kind“, bemerkt ein Fahrgast. „Deshalb muss es nicht so schreien!“, kontert die Dame.
Ich finde, sie hat absolut Recht: Kindergeschrei ist nervig, quälend und sollte unterbunden werden. Warum schreien Kinder eigentlich? Weil sie uns damit sagen wollen, dass sie Hunger haben, ihre Windel nass ist, dass etwas wehtut, dass sie Angst vor der Riesendogge haben, die lüstern-gierig in den Kinderwagen starrt. Und hier müssen wir doch ansetzen: Da alle Sprachübungen heute in Schule und Kindergarten nach vorne wandern, müsste doch auch die erste Sprache (Linguisten nennen das L1) früher erworben werden. Unser Sprachlernplan sähe dann – rückwärts gelesen – so aus:
Frühenglisch mit 10
Frühfranzösisch mit 8
Standardsprache mit 4
Sprechen lernen mit 3 Monaten
Das geht nicht? Meine Güte, wozu zahlen wir ein Heer von Didaktikern, Sprachforschern, Neuro- und Psycholinguisten, Pädagogen und Logopäden? Wozu werden Millionen von Seiten wissenschaftlicher Publikationen auf den Markt geworfen? Also, meine Damen und Herren, machen Sie sich an die Arbeit! Ich möchte, dass in einigen Jahren ein solches Kind in der Linie 36 ein klaren Satz formuliert: „Dr grosse Hund sabbert mir uf de Kopf, ställ bitte dr Wage woanders ane.“
Die Dame, die zu Recht gemotzt hatte, stieg übrigens bald beleidigt aus, nachdem sämtliche Fahrgäste über sie hergefallen waren. Ich hoffe, sie war eine von den oben erwähnten Wissenschaftlerinnen und wird jetzt intensiv am Sensationsbuch „Mein Kind spricht ab Geburt – ein Lernplan für Eltern und Hebammen“ arbeiten.

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