Dienstag, 18. Oktober 2011

Das Thunfischprinzip

Es gehört zum guten Ton, Leute im Supermarkt vorzulassen, die wenig Ware haben. "Möchten Sie vor?", frage ich also die ältere Dame, die mit einer Dose Thunfisch in Öl hinter mir steht. "Nein", lächelt sie und zeigt auf den vollen Warenkorb auf dem Boden. Der Fisch hat einfach keinen Platz im Korb gefunden. Wir kommen ins Gespräch darüber, ob es Menschen gäbe, die das Angebot lächelnd angenommen und dann ihre Waren über mich hinüber gewuchtet hätten. Sie sagt nein, ich ja.
Es gibt solche Menschen. Ja, ich bin sogar der Meinung, dass viel in unserer Gesellschaft nach dem Thunfischprinzip funktioniert: Wenig zeigen, der Hammer kommt nach, den Thunfisch präsentieren, den Korb nachliefern.
"Das tut jetzt ein bisschen weh", sagt der Arzt, der nachfolgende Schmerz würde selbst Guantanamohäftlingen als verschärft vorkommen. "Wir sind gleich fertig", sagt die Dentalhygienikerin, dann kratzt sie noch eine Stunde an meinem Gebiss herum. "Das wird nicht viel kosten", sagt der Automechaniker, die Gesamtrechnung liegt im Bereich zwischen Monatslohn und Kantonsbudget.
Ob Stuttgart 21, Atomkraft, Rüstung: Thunfischprinzip! Im Korb liegen Folgekosten, Folgeschäden, Folgeentwicklungen, Folgefolgen.
Ja, es gibt solche Leute.
"Wollen Sie vor?" fragt die ältere Dame, ich habe inzwischen bezahlt, den Mann hinter sich. Er hat nur eine Zwiebel in der Hand. Er geht vor und - - - - - - hat wirklich nur das Knollengewächs. Auch das gibt es. Ausserdem würde der Text ja sonst "Zwiebelprinzip" heissen.

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