Freitag, 25. Oktober 2024

Herbstreise (2): Es lebe die App!

Es ging auf die Schwäbische Alb.
Es ging nach Frankfurt.
Es ging zunächst Bad Waldsee – Aulendorf – Herbertingen – Albstadt – Balingen
Dann ging es Stuttgart – Heilbronn – Heidelberg – Frankfurt.
Und von Frankfurt aus in mannigfaltige Richtungen…
Hierbei – und nun muss man dem 21. Jahrhundert auch einmal ein Kränzlein winden – sind gewisse Apps von grösstem Nutzen.

Mein Vater plante alles mit dem Bundesbahn-Kursbuch. Das Kursbuch war eigentlich eine wunderbare Sache, wenn man über zwei bestimmte Voraussetzungen verfügte: Man musste Muskeln und Zeit haben.
Die Muskeln brauchte man, um den Wälzer aus dem Regal zu heben. Denn das Ding, das ja sämtliche Eisenbahnfahrpläne der Deutschen Bundesbahn enthielt (damals noch ohne die Strecken im Osten…), war schwer. Kennen Sie die Bildbände des Taschen-Verlages? Das Kursbuch übertraf jene an Gewicht. Kennen Sie die leder- und metalleingebundene Grosymus-Bibel aus der Bibliothek St. Anton? Das Kursbuch brachte mehr auf die Waage. Kennen Sie die neue Goethe-Gesamtausgabe? Das Kursbuch war sperriger.
Zeit brauchte man, um mit dem Ding umzugehen. Man musste erst in einer der 45 Streckenkarten die Linie 341, 342 oder 357 eruieren, um dann wild hin- und herblätternd die betreffenden Linien zu begutachten. Stets musste man dabei auf Buchstaben wie a), b), c) usw. oder A, B, C usw. achten. Niemand hat das schöner beschrieben als Eugen Roth:

Ein Mensch ist der Bewundrung voll:
Nein, so ein Kursbuch einfach toll!
Mit wieviel Hirn ist es gemacht:
An jeden Anschluss ist gedacht.
Es ist der reinste Zauberschlüssel
Ob München - Kassel, Bremen - Brüssel,
Ob Bahn, ob Omnibus, ob Schiff,
Man findet's leicht auf einen Griff!
Dabei sind auch noch Güterzüge
In das verwirrende Gefüge
Des Fahrplans fleissig eingeschoben!
Die Bahn kann man genug nicht loben.
Der Mensch in eitlem Selbstbespiegeln,
Rühmt sich, dies Buch mit sieben Siegeln
Zu lesen leicht, von vorn bis hinten,
Trotz seiner vielbesprochnen Finten.
Schon fährt der Mensch nach Osnabrück
Und möcht am Abend noch zurück:
Und sieht, gedachten Zug betreffend,
Erst jetzt ein kleines f, ihn äffend;
Und ganz versteckt steht irgendwo:
"f) Zug fährt täglich außer Mo."
Der Mensch, der so die Bahn gelobt,
Sitzt jetzt im Wartesaal und tobt.
Und was er übers Kursbuch sagt,
Wird hier zu schreiben nicht gewagt.

Ganz schwierig wurde es dann mit den Busverbindungen. Denn das BAHN-Kursbuch war ja ein BAHN-Produkt und enthielt BAHN-Züge und BAHN-Busse. Also nicht die Busse der Post und der ca. 20000 örtlichen, regionalen und privaten Busunternehmen. Wenn man nun von Tuttlingen (wo einen das Kursbuch hinführte) nach Trossingen mit einem Bus der Südbaden-Bus GmbH weiterfahren wollte, hatte man keine Chance. Ich selbst habe einmal im Bahnhof Tuttlingen angerufen und den Schalterbeamten darum gebeten, seinen Platz zu verlassen und auf Bussteig 1, der 15 Meter Luftlinie von ihm entfernt war, nachzusehen, ob am Samstag ein Bus in die Hohnerstadt führe. Was er natürlich brüsk ablehnte und ich doch mit meinem Mitsubishi fuhr…
Brauchte man nun eine Verbindung, die einen Hinweg ZUM Abfahrtsbahnhof und einen Weg VOM Zielbahnhof zum Zielort enthielt, war man aufgeschmissen.

Hier muss man nun die vielen Apps, die vielen Internetseiten, die vielen Möglichkeiten einfach loben. Eine Tour wie am Freitag, den 11. Oktober wäre früher praktisch nicht denkbar gewesen: Wir reisten über Friedberg nach Bruchenbrück-Görbelheimer Mühle, wo sich Edition & Galerie Hofmann befindet (übrigens ein herrliches Areal mit Ausstellungsräumen), dann ging es von Bruchenbrück-Görbelheimer Mühle über Friedberg nach Bad Nauheim in die Therme, die Sprudelhoftherme. Alles easy und bequem vom Handy aus geplant. Mit der DB-App.
Bitte nicht lachen!
Die App ist immer zuverlässig. Die Bahn ist es nicht.

Aber um es noch einmal ganz klar zu sagen, liebe Ü-60er und Ü70er und Ü80er:
FRÜHER war nicht alles besser.
Früher war NICHT alles besser.
Früher war nicht ALLES besser.
Und wenn Sie der Ich-hole-das-Kursbuch-Fitness und dem Wie-schön-ich habe-eine-Abendbeschäftigung nachtrauern:
Ihre Muskelübungen könnten sie auch mit Brennholz machen, wäre besser als Erdgas.

Und als Abendbeschäftigung könnten Sie ja auch mal ein Gesellschaftsspiel machen.

 

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