Freitag, 11. April 2025

Hans Rosenthal und ich

Wir haben uns vorletzten Dienstag mit meiner Vergangenheit beschäftigt und letzten Dienstag mit Spiel. Und nun liegt natürlich nichts näher, als dass nun auch Hans Rosenthal mit ins Spiel kommt (man verzeihe das Wortspiel).

Gut.
Das ging jetzt ein wenig zu schnell.
Also noch einmal von vorne:

Am 2. April wäre der berühmte Quiz-, Show- und Spielmaster Hans Rosenthal 100 Jahre alt geworden, das ZDF hat am letzten Montag einen wunderbaren Doku-Spielfilm ausgestrahlt, auf den ich später zu sprechen komme.
Wir alle haben «Hänschen» als Macher von «Dalli-Dalli» in Erinnerung, besser gesagt alle Boomer, jede und jeder erinnert sich doch an die herrlichen Sprüche wie «Das war Spitze!» (mit Sprung), «…ein x war doppelt, das ziehen wir ab…», «Mady, was ist das in Schilling?», Sprüche, die im Gedächtnis der Boomer nur mit Sätzen wie «Welches Schweindl hätten`s denn gern?», «Bitte noch eine Handbewegung» oder «Gehe ich recht in der Annahme…», also den Worten aus «Was bin ich?» konkurrieren.

Ich habe nun eine ganz eigene Geschichte mit Hans Rosenthal. Was nur noch Boomer wissen: Die wirklich grosse Sache von Hänschen war nicht die Show mit der Sechseck-Kulisse, das war eine Radiosendung namens «Allein gegen Alle». Ein phänomenales Ding, vor allem weil es so radiogen war und im TV nicht klappte.
In der Quizsendung trat eine einzelne Kandidatin oder ein einzelner Kandidat mit drei Fragen gegen eine ganze Stadt an, die 15 Minuten Zeit hatte, diese zu beantworten. Man beachte: das war vor Google! Es mussten nun also Leute, das speziell wissen, im Rathaus anrufen und die Antwort melden. (Interessanterweise hatten da gerade grosse Städte Probleme, da hier der Zusammenhalt nicht so funktionierte wie in einer Kleinstadt.)

Die Sendung wurde seit 1963 von allen ARD-Anstalten getragen und reihum aus den Funkhäusern live gesendet. Nun war auch am 13. 2. 1965 ein solch «Allein gegen Alle»-Abend. Sie ahnen es: Meine Mutter lag in den Wehen und mein Vater und meine beiden Omis hörten Hans Rosenthal. (Die Väter waren damals nicht dabei, das kam es viel später.) Am 14. Februar erschien dann ich – um 3.03. Welche Städte und welche Frager im Radio dran waren, war nicht mehr zu eruieren…

Da der Süddeutsche Rundfunk natürlich stets auch dran war, ging ich mit meinen Eltern immer zur Ausstrahlung des Quiz, wenn Stuttgart an die Reihe kam.
Bevor es losging, übte Hans Rosenthal mit dem Publikum das Start-Klatschen (bei grünem Licht) – welcher Showmaster würde das heute noch selber machen? Dann fing es an, Erwin Lehn intonierte mit seinem Südfunktanzorchester (so etwas gab es noch, in jeder Rundfunkanstalt!) das Motiv, das den Titel vertonte: Da daa – da di dam dam. Dann erschien eine Ansagerin, stets überaus geschminkt, hochtoupiert und im langen Kleid und sprach:
«Allein gegen Alle. Sie hören eine Gemeinschaftssendung des SDR, des SWF, des BR, des SR, des HR, des WDR, des NDR und des RIAS Berlin. Angeschlossen ist der Schweizer Telefonrundspruch. Für Musik sorgt Erwin Lehn mit seinem Südfunktanzorchester. Am Mikrophon Hans Rosenthal.»
Grüne Lampe.
Er kam.
Applaus.

Kleine Zwischenbemerkung: Ich war immer über dieses Telefonspruch-Ding erstaunt und stellte mir vor, dass die Schweizer alle am Telefon sassen, um Radio zu hören. Dies passte zu den vielen Märchen, die in der BRD über die Eidgenossen kursierten: Sämtliche Schweizer versammeln sich regelmässig zum Abstimmen, alle sprechen die 4 Landesprachen, können Käse herstellen und haben Geissen – und jodeln.
Natürlich hatten auch die Basler, Zürcher, Berner und Luzerner Radiogeräte – nur die Übertragung passierte auf weiten Strecken über Telefonleitungen, in einem bergigen Land keine blöde Idee.

Und dann kam «Dalli-Dalli».
Und es kam der 9. November 1978.
Diesem Tag widmet das ZDF (in schonungsloser Ehrlichkeit und Selbstkritik) vor allem seinen Hans Rosenthal-Film. Der Mainzer Sender brachte es nämlich fertig, die 75. Sendung der Show exakt auf den 40. Jahrestag der Pogromnacht zu legen. Und Rosenthal litt.
Was nämlich viele nicht wussten (nicht wissen wollten): Der beliebteste Quizmeister der Deutschen wäre genau von diesen fast umgebracht worden. Rosenthal war Jude und überlebte das Dritte Reich versteckt in einer Berliner Laube. Nach der furchtbaren «Dalli-Dalli»-Sendung schrieb er sein beeindruckendes Buch «Zwei Leben in Deutschland».

Als ich nun neulich sah, wie Hänschen, zwei Blumenkinder an der Hand» am 9. 11. 1978 aus der Kulisse kommt, erinnerte ich mich an diese Szene. Denn selbstverständlich hatten wir die Jubiläums-Show geguckt, wie wir alle Sendungen gesehen hatten.
Warum ich nicht protestierte? Ich war zu jung. Ich war 13.

Man kann sich nun überlegen, was der junge Mann von neulich mit den Pazifisten-Sandwiches gemacht hätte…
Wahrscheinlich hätte er den TV zum Fenster hinausgeworfen.





 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dienstag, 8. April 2025

Warum ist ein "Spiel des Jahres" immer so kompliziert?

«Die schöne Müllerin» wurde 2018 zum SPIEL DES JAHRES gewählt. Und weil ich gerne spiele, habe ich mir dieses Spiel gekauft. Und natürlich, weil ich den Liederzyklus mag (und ihn auch schon mehrfach komplett aufgeführt habe…)

Beim Auspacken bekomme ich aber schon die leichte Krise. Die zirka einen halben Kubikmeter grosse Kiste enthält

eine Spielfläche 80cm x 90cm
6 Spielfiguren «Müllerbursche»
6 Spielfiguren «Jäger»
6 Spielfiguren «Müllerin»
30 Bach-Ereignis-Karten
30 Blaueblumen-Ereigniskarten
30 Mühlrad-Ereigniskarten

Zusätzlich finde ich noch eine Spielanleitung, die in ihrem Umfang meine Ausgaben von Goethes «Faust I» und Dantes «Inferno» übersteigt. Gut, das Spiel wird in Deutsch, Englisch, Französisch, Türkisch, Russisch und Chinesisch erklärt, aber auch noch die deutsche Anleitung ist ziemlich lang:

1) Sinn und Ziel des Spieles – es folgen 20 engbedruckte Seiten
2) Spielvorbereitung – es folgen 20 engbedruckte Seiten
3) Spielablauf: Die 5 Phasen mit je 8 Haupt- und 7 Teilrunden – es folgen 20 engbedruckte Seiten
4) Spielende und Gewinn – es folgen 20 engbedruckte Seiten

Und ab diesem Zeitpunkt habe ich keine Lust mehr auf das Spiel, wirklich nicht, da ist mir meine Zeit zu schade, da höre ich mir lieber den Schubert in der (immer noch) wunderbaren Aufnahme mit Fischer-Dieskau und Moore an, oder ich spiele ein paar Stücke selber.

Warum sind diese «SPIELE DES JAHRES» immer so schrecklich kompliziert? Wenn man bedenkt, dass die Mühle-Regeln auf kürzesten Raum passen:

Setzphase: Die Spieler setzen abwechselnd je einen Stein, insgesamt je neun, auf Kreuzungs- oder Eckpunkte des Brettes
Zugphase: Die Spielsteine werden gezogen, das heißt, pro Runde darf jeder Spieler einen Stein auf einen angrenzenden, freien Punkt bewegen. Kann ein Spieler keinen Stein bewegen, hat er verloren.
Endphase: Sobald ein Spieler nur noch drei Steine hat, darf er mit seinen Steinen springen, das heißt, er darf nun pro Runde mit einem Stein an einen beliebigen freien Punkt springen. Sobald ihm ein weiterer Stein abgenommen wird, hat er das Spiel verloren.
Drei Steine einer Farbe, die in einer Geraden auf Feldern nebeneinander liegen, nennt man eine „Mühle“. Wenn ein Spieler eine Mühle schließt, darf er einen beliebigen Stein des Gegners aus dem Spiel nehmen, sofern dieser Stein nicht ebenfalls Bestandteil einer Mühle ist.

Eine Recherche des Investigativ-Journalisten Peer Schmutt hat jetzt Licht in das Dunkel gebracht, und seine im «Tageswochenmonat» veröffentlichte Reportage ist wirklich erhellend, weil sie Skandalöses und Mafiöses zum Vorschein bringt:

Die Jurymitglieder, die das «SPIEL DES JAHRES» ermitteln, werden nach Stunden bezahlt.
Das heisst, das Testen, das Ausprobieren eines Spieles mit einfachen Regeln bringt ihnen wenig Kohle. Das Ausprobieren, das Testen eines komplizierten Spieles macht sie zu reichen Frauen und reichen Männern. Allein das Lesen der Regeln der «Schönen Müllerin» würde diesen Leuten schon einen satten Hunderter auf den Tisch legen…
Insofern lieben die Juryleute komplexe Spiele, Spiele, bei denen man Ewigkeiten Figuren verteilt, Ewigkeiten Karten legt oder sogar – auch das gibt es – erst einmal Zahlen unten auf die Spielsteine klebt. Solche Spiele sind geliebt – und werden dann auch meist SPIEL DES JAHRES.

Aber Otto Normalverbraucher und Lise Normalverbraucherin?
Sie werden NICHT fürs Spielen bezahlt, sondern möchten sich in ihrer knappen Freizeit bei einem netten Spiel erholen; aber sie möchten auch nicht immer nur UNO oder «Mensch, ärgere dich nicht» spielen. Aber wenn ihre knappe Freizeit durch Spielregellesen, Steine bekleben und Karten austeilen draufgeht, dann verlieren sie die Lust.

Im Spielegeschäft, habe ich eine lange Diskussion mit der Verkäuferin, denn sie weigert sich, DIE SCHÖNE MÜLLERIN zurückzunehmen.
Ihr Argument: Auf dem Deckel stehe ganz klar, dass der Karton 18 Figuren, 90 Karten und eine ausführliche Anleitung beinhalte.
Mein Argument: Es steh auch klar «7-80» Jahre.

Und ich kann mir keine Siebenjährigen vorstellen, die sich gedulden, bis Opa nach 90 Minuten das Spiel parat gemacht hat…











 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Freitag, 4. April 2025

WG-Renovierung als Vorbild: Wir gehen kurz in den Weltraum

Ich habe neulich über die Truppe Nina, Nena, Nemo, Mona, Moni, Momo und Memo geschrieben, jene Truppe, die ins Büro zogen.
Heute geht es um Danilo, Daniel, Darius, Daniela und Dagmar.

Danilo, Daniel, Darius, Daniela und Dagmar bewohnen zusammen ein Haus als eine Art 5er-Stundenten-WG. In dieses Haus war vor vielen Jahren zunächst Darius als Untermieter eingezogen, dann folgten nach und nach die anderen, und inzwischen haben die fünf die drei Stockwerke des Häuschens in Freiburg-Littenweiler für sich.
Alle sind eigentlich zufrieden, allerdings hat das Nach-und-nach-und-nach-Einziehen gewisse Ungeschicklichkeiten hervorgebracht:

Danilo bewohnt das Erdgeschoss, und zwar das grösste Zimmer, ein Wohnzimmer mit Gartenblick und viel Platz, das zweitgrösste Zimmer ist eine Abstellkammer, das kleinste Zimmer dient als Gemeinschaftsraum. Nicht ganz praktisch, denn wenn alle fünf zusammenhocken wollen, dann tun sie das in der Küche, oder sie tun es bei Danilo, der dann, wenn er müde wird, seinen Schlafsack im Gemeinschaftszimmer ausrollt. Und die Abstellkammer bietet so viel Raum, dass sich sehr, sehr, sehr viel angesammelt hat…

Daniel arbeitet neben dem Studium im Schichtdienst, und das bedeutet, dass er zu den ungewöhnlichsten Zeiten aus dem Haus geht und wieder heimkommt. Blöderweise muss er dafür durch das Zimmer von Darius durch. Dieser hat seinen Bereich mit Regalen zwar abgetrennt, ist aber sehr häufig in einer Art zugange, die eigentlich ein Durchlaufen peinlich machen. Haben Sie es verstanden? Darius hat Sex, und zwar mit Männern und mindestens dreimal in der Woche. Und wenn dann Daniel am Rande des Darius-Zimmers durchläuft, dann kann er versuchen, nichts zu sehen, aber zu hören bekommt er doch so allerlei…

Dagmar hat den schönsten Ausblick, vor ihrem Zimmer wächst ein riesiger Obstbaum, der vor allem im Frühling in einer weissen Pracht blüht. Nur kann sie das gar nicht so geniessen, denn sie hat eine Pollenallergie und wenn sie einmal das Fenster öffnet, dann ist das so, wie wenn ein Katzenallergiker von einer Mieze komplett abgeschleckt wird.

Nun erreichte Danilo, Daniel, Darius, Daniela und Dagmar vor einigen Tagen die Botschaft, dass sie von Juni bis August 2025 weichen müssen: Der Vermieter (ja, das ist immer noch Miete, so etwas gibt es und wahrscheinlich nur in Orten wie Freiburg) muss das Haus generalrenovieren, und das wird nur gehen, wenn alle fünf für drei Monate weg sind und das Haus leer.

Zunächst ein Schock, aber dann finden alle irgendwie eine Lösung:
Danilo wird sich bei seinen Eltern in Eiderstedt einmieten, um in der Einsamkeit des Nordens nun endlich seine Diplomarbeit zu schreiben.
Darius hat einen Ferienjob in Playa del Inglés auf Gran Canaria, und wenn er nicht gerade Kaffee ausschenkt, wird er dort Sex haben, und sicher mehr als dreimal in der Woche.
Dagmar geht nach Indien, um mit Ayurveda ihren Allergien zu Leibe zu rücken.
Daniela hat eine Praktikumsstelle an einem angesehenen Institut bekommen.
Und Daniel bleibt seiner Schichtdienststelle treu, kann aber bei einem Arbeitskollegen wohnen.

Während die fünf nun zusammensitzen und Aus- und Einzug planen, kommen sie auf grandiose Ideen: Wie wäre es, wenn man VOR dem Wiedereinzug alle Bedürfnisse und Wünsche berücksichtigt und die Zimmer völlig neu verteilt?

So wird Danilo im Erdgeschoss in das mittlere Zimmer ziehen, das grösste wird der Gemeinschaftsraum (mit Blick in den Garten!) und das kleinste wird Abstellbereich. Dass dieser Raum 10 Kubikmeter kleiner ist, ist eine Chance: Ausmisten und Wegwerfen! Ausmisten und Wegwerfen!

Darius und Daniel tauschen die Zimmer. So kann der eine im hinteren Zimmer treiben, was er will, und Daniel kann zur Arbeit, wie und wann er will. Und wenn Daniel dann auch mal eine Freundin hat, dann wird er halt mehr bei ihr sein, denn bei ihm sieht das mehr so nach «Frau fürs Leben» aus und nicht «Mann für eine Nacht» wie bei Darius.

Und auch die beiden Damen tauschen die Räume. Daniela kann den wunderschönen und pittoresken Baum bestaunen – und die andere hat keinen Schnupfen mehr, oder zumindest weniger.

Wäre dieses Vorgehen nicht auch eine Lösung für unsere Erde?
Wir gehen alle mal für ein halbes Jahr weg. Alle 8 Milliarden in den Weltraum, dann wird der Planet saniert und aufgefrischt. Und jetzt wird neu gefragt: Wer braucht wie viel Platz? Wer will wo wohnen? Wie viel Wasser, Bodenschätze, Ackerland haben wir? Können wir das gerecht verteilen? Es wäre super, einmal neu anzufangen.

Also, Elon: Mach einmal etwas Sinnvolles.
Wir brauchen SpaceX-Dinger für ziemlich viele Menschen.





 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

 

Dienstag, 1. April 2025

Pazifismus ist ungeil

Ich blicke auf ein Foto aus den Achtzigerjahren:
Die Aufnahme zeigt einen jungen Mann, der sich ein Doppel-Pappschild, ein sogenanntes Sandwich umgeschnallt hat, er trägt normale Kleidung, ist aber weiss geschminkt. Im Hintergrund, wir befinden uns aller Ansicht nach auf einem Parkplatz, tummeln sich weitere Personen mit Schildern. Auf dem Sandwich des jungen Mannes können wir lesen:

JEDE MINUTE WIRD AUF DER WELT 1 MILLION FÜR RÜSTUNG AUSGEGEBEN.

Es handelt sich also offensichtlich um einen Friedensaktivisten vor einer Friedensdemo. Wir erinnern uns: Das gab es damals. Menschen, die keine Waffen wollten. Menschen, die an den Frieden glaubten. Menschen, die gegen die Pershings demonstrierten. Menschen, die in Mutlangen blockierten. Es gibt noch einen anderen Namen für sie:
Pazifisten.

Aber wenn ich jetzt so dieses Foto betrachte, dann muss ich zugeben, dass diese Leute schon extrem ungeil waren.
Der junge Mann trägt seine schwarzen Haare in einer ganz unmöglichen Topffrisur und
hat eine langweilige Drahtbrille auf der Nase. Seine Statur ist OK, aber athletisch ist sie nicht, dafür sind seine Schulter zu hängend und seine Arme nicht kräftig genug. Er wirkt wie ein Bubi, der wahrscheinlich immer einen Preis der «Stiftung Humanismus Heute» gewinnt, vielleicht auch bei «Jugend forscht» oder «Jugend musiziert», der aber sicher, sicher, sicher keine Pokale auf seinem Wandregal hat, weder in Leichtathletik noch in Schwimmen oder einer Mannschaftssportart.
Ungeil.

Könnten Sie sich vorstellen, dass eine Frauenfigur in einer Oper singt:
Zivildienstleistende, Zivildienstleistende
Sind schöne Burschen
und dass sie sich später einem solchen in die Arme wirft, der ihr zuflüstert:
Wir wollen eine Zucht von Kriegsdienstverweigerern anlegen!
Nein, sicher nicht.
Es ist auch nicht so, Marie singt im «Wozzeck»:
Soldaten, Soldaten
Sind schöne Burschen
Und der Tambourmajor singt
Wir wollen eine Zucht von Tambourmajoren anlegen!

Könnten Sie sich vorstellen, dass eine Kapelle den «Marsch der Krankenpfleger» spielt? Oder einen «Aufmarsch der Altenpfleger»? Oder den «Tanz der Heilerziehungspfleger»?
Sicher nicht.
Aber dass der «Marsch der Dragoner» oder «Ulanen reiten durchs Tor» oder «Schwere Kavallerie» gut klingt, das ist jedem klar.

Pazifismus ist eben ungeil.
Wie eben Abrüsten auch viel langweiliger ist als Aufrüsten.
Aufrüsten heisst ja, dass etwas passiert, dass etwas geschieht, da wird Stahl geformt und Eisen gegossen, da wird Technik entwickelt und werden Apparate gebaut, da wird getestet und probiert, und dann knallt es bumst es, das ist stark und männlich, und es macht allen Freude.
Abrüsten dagegen heisst ja, dass hier Dinge verschrottet werden, Dinge, die geformt und gegossen und gebaut wurden, Dinge, in die Firmen und Erfinder Schweiss und Mühe gesteckt haben, Dinge, die ja auch Geld gekostet haben, Dinge, die dann einfach weggeworfen werden.
Wie traurig muss sich eine Rakete fühlen, die sich ihr Leben lang auf den Einsatz freut, freut, zu krachen und zu rumsen und bumsen, und dann einfach auf dem Schrottplatz landet.

Und nun mal ganz ehrlich: Haben Sie nicht auch Freude an Filmen wie «Herr der Ringe» oder «Braveheart» oder «Robin Hood»? Und würden Sie diese Filme auch anschauen, wenn die Protagonisten Bauern wären, die friedlich ihr Land bestellen? Nach dem Motto «Im Märzen der Bauer»? Und ist dann, wenn dem so ist, der Spruch «Schwerter zu Pflugscharen» nicht ein totaler Blödsinn? Mit was soll Aragorn denn kämpfen?

Nein.
Wir sind froh, dass solche Demonstrationen wie auf dem Foto nicht mehr stattfinden, nicht mehr stattfinden, einfach weil sie ungeil sind. 

P.S.
Der Satz JEDE MINUTE WIRD AUF DER WELT 1 MILLION FÜR RÜSTUNG AUSGEGEBEN stimmt natürlich nicht mehr. Inzwischen ist es viel, viel, viel mehr.

P.P.S.
Der ungeile junge Mann auf dem Foto bin natürlich ich. Aufgenommen im Frühjahr 1985 in Schwäbisch Hall.