Wir haben uns vorletzten Dienstag mit meiner Vergangenheit beschäftigt und letzten Dienstag mit Spiel. Und nun liegt natürlich nichts näher, als dass nun auch Hans Rosenthal mit ins Spiel kommt (man verzeihe das Wortspiel).
Gut.
Das ging jetzt ein wenig zu schnell.
Also noch einmal von vorne:
Am 2. April wäre der berühmte Quiz-, Show- und Spielmaster Hans Rosenthal 100 Jahre alt geworden, das ZDF hat am letzten Montag einen wunderbaren Doku-Spielfilm ausgestrahlt, auf den ich später zu sprechen komme.
Wir alle haben «Hänschen» als Macher von «Dalli-Dalli» in Erinnerung, besser gesagt alle Boomer, jede und jeder erinnert sich doch an die herrlichen Sprüche wie «Das war Spitze!» (mit Sprung), «…ein x war doppelt, das ziehen wir ab…», «Mady, was ist das in Schilling?», Sprüche, die im Gedächtnis der Boomer nur mit Sätzen wie «Welches Schweindl hätten`s denn gern?», «Bitte noch eine Handbewegung» oder «Gehe ich recht in der Annahme…», also den Worten aus «Was bin ich?» konkurrieren.
Ich habe nun eine ganz eigene Geschichte mit Hans Rosenthal. Was nur noch Boomer wissen: Die wirklich grosse Sache von Hänschen war nicht die Show mit der Sechseck-Kulisse, das war eine Radiosendung namens «Allein gegen Alle». Ein phänomenales Ding, vor allem weil es so radiogen war und im TV nicht klappte.
In der Quizsendung trat eine einzelne Kandidatin oder ein einzelner Kandidat mit drei Fragen gegen eine ganze Stadt an, die 15 Minuten Zeit hatte, diese zu beantworten. Man beachte: das war vor Google! Es mussten nun also Leute, das speziell wissen, im Rathaus anrufen und die Antwort melden. (Interessanterweise hatten da gerade grosse Städte Probleme, da hier der Zusammenhalt nicht so funktionierte wie in einer Kleinstadt.)
Die Sendung wurde seit 1963 von allen ARD-Anstalten getragen und reihum aus den Funkhäusern live gesendet. Nun war auch am 13. 2. 1965 ein solch «Allein gegen Alle»-Abend. Sie ahnen es: Meine Mutter lag in den Wehen und mein Vater und meine beiden Omis hörten Hans Rosenthal. (Die Väter waren damals nicht dabei, das kam es viel später.) Am 14. Februar erschien dann ich – um 3.03. Welche Städte und welche Frager im Radio dran waren, war nicht mehr zu eruieren…
Da der Süddeutsche Rundfunk natürlich stets auch dran war, ging ich mit meinen Eltern immer zur Ausstrahlung des Quiz, wenn Stuttgart an die Reihe kam.
Bevor es losging, übte Hans Rosenthal mit dem Publikum das Start-Klatschen (bei grünem Licht) – welcher Showmaster würde das heute noch selber machen? Dann fing es an, Erwin Lehn intonierte mit seinem Südfunktanzorchester (so etwas gab es noch, in jeder Rundfunkanstalt!) das Motiv, das den Titel vertonte: Da daa – da di dam dam. Dann erschien eine Ansagerin, stets überaus geschminkt, hochtoupiert und im langen Kleid und sprach:
«Allein gegen Alle. Sie hören eine Gemeinschaftssendung des SDR, des SWF, des BR, des SR, des HR, des WDR, des NDR und des RIAS Berlin. Angeschlossen ist der Schweizer Telefonrundspruch. Für Musik sorgt Erwin Lehn mit seinem Südfunktanzorchester. Am Mikrophon Hans Rosenthal.»
Grüne Lampe.
Er kam.
Applaus.
Kleine Zwischenbemerkung: Ich war immer über dieses Telefonspruch-Ding erstaunt und stellte mir vor, dass die Schweizer alle am Telefon sassen, um Radio zu hören. Dies passte zu den vielen Märchen, die in der BRD über die Eidgenossen kursierten: Sämtliche Schweizer versammeln sich regelmässig zum Abstimmen, alle sprechen die 4 Landesprachen, können Käse herstellen und haben Geissen – und jodeln.
Natürlich hatten auch die Basler, Zürcher, Berner und Luzerner Radiogeräte – nur die Übertragung passierte auf weiten Strecken über Telefonleitungen, in einem bergigen Land keine blöde Idee.
Und dann kam «Dalli-Dalli».
Und es kam der 9. November 1978.
Diesem Tag widmet das ZDF (in schonungsloser Ehrlichkeit und Selbstkritik) vor allem seinen Hans Rosenthal-Film. Der Mainzer Sender brachte es nämlich fertig, die 75. Sendung der Show exakt auf den 40. Jahrestag der Pogromnacht zu legen. Und Rosenthal litt.
Was nämlich viele nicht wussten (nicht wissen wollten): Der beliebteste Quizmeister der Deutschen wäre genau von diesen fast umgebracht worden. Rosenthal war Jude und überlebte das Dritte Reich versteckt in einer Berliner Laube. Nach der furchtbaren «Dalli-Dalli»-Sendung schrieb er sein beeindruckendes Buch «Zwei Leben in Deutschland».
Als ich nun neulich sah, wie Hänschen, zwei Blumenkinder an der Hand» am 9. 11. 1978 aus der Kulisse kommt, erinnerte ich mich an diese Szene. Denn selbstverständlich hatten wir die Jubiläums-Show geguckt, wie wir alle Sendungen gesehen hatten.
Warum ich nicht protestierte? Ich war zu jung. Ich war 13.
Man kann sich nun überlegen, was der junge Mann von neulich mit den Pazifisten-Sandwiches gemacht hätte…
Wahrscheinlich hätte er den TV zum Fenster hinausgeworfen.