Dienstag, 14. Oktober 2025

Überall Openair! Der Offenluft-Unsinn

Wir haben im August im Raum Passau die Burg Mumpfing angeschaut. Bei einer Führung im kleinen Kreis (wir waren nur 8 Personen) erklärte Johannes Alois Duppler-Fidelmoser, der Leiter der Burg, die Geschichte der Grafen von Mumpfing und die baulichen Eigenheiten der Anlage, die mit Burggraben, Zugbrücke, mit Mauern und Zinnen, die mit einem 20 Meter hohen Turm und einem Palas aus dem 12. Jahrhundert doch recht imposant ist. Am Ende konnten wir Fragen stellen. Es gab nun einige Dinge zu Geschichte und Architektur, aber dann kam die Frage, die den Guide kurzfristig sprachlos machte:

«Wann sind die Konzerte?»

Es stellte sich heraus, dass die Fragende davon ausging, auf jeder Burg und auf jedem Schloss, in jedem Kreuzgang und in jedem Kloster fänden Open Air-Konzerte statt. Und so ganz unrecht hat die Dame ja auch nicht. Johannes Alois Duppler-Fidelmoser musste der Enttäuschten mitteilen, dass auf Burg Mumpfing eine solche Konzertreihe noch nicht geplant sei.
Ihr Erstaunen war grenzenlos.

Beim an die Führung anschliessenden Imbiss, ein Imbiss, der dort «Brotzeit» genannt wird, fingen wir an, eine Konzertreihe für Burg Mumpfing zu planen. Bei der angeregten Diskussion stellte ich fest, dass alle acht Führungsteilnehmer davon ausgingen, die Musik müsse zum Ambiente passen, man müsse also auf einer Anlage, die mit Burggraben, Zugbrücke, mit Mauern und Zinnen, die mit einem 20 Meter hohen Turm und einem Palas aus dem 12. Jahrhundert doch recht imposant ist, auch entsprechende Stücke finden. Das könne allerdings ein Mittelalter-Programm mit Fidel und Flöte und viel Schlagwerk genauso wie ein Programm des Historismus bedeuten, ebenso könne man sich auch einen kompletten Avantgarde-Abend denken, quasi im Kontrast.

Mit unserer Planung – das musste ich nun den anderen Teilnehmenden sagen – waren wir den meisten Open Air-Standorten voraus. Da heisst es nämlich:
Bekanntes Orchester
Solisten mit vielen Preisen
Stücke, die allen gefallen
Melodien zum Mitsingen
Ob irgendwas zu einer Anlage, die mit Burggraben, Zugbrücke, mit Mauern und Zinnen, die mit einem 20 Meter hohen Turm und einem Palas aus dem 12. Jahrhundert doch recht imposant ist, passt, ist wurscht.

Einer der seltsamsten Abende lief neulich auf 3sat: Die Mezzosopranistin Elīna Garanča sang, begleitet vom Kammerensemble CHAARTS, Stücke aus «Carmen». Dazu spielten die Musiker Sätze aus den Carmen-Suiten. Alles phänomenal. Alles grandios. Die Sängerin IST einfach die Carmen und die Musiker waren super – ohne Dirigent.
Und wo fand das Ganze statt?
Auf Neuschwanstein.
An diesem Ort, pseudogotisch und mittelaltergetränkt, passte der Bizet wie eine mediterrane Tarte neben eine Rindsroulade. Zudem regnete es die ganze Zeit und es war kalt, die Zuschauer waren in Regenumhänge gehüllt und die Musiker hatten Schaffell überm Frack, was dem Ganzen noch zusätzlich eine skurrile Note verlieh.

Auf jeder Burg, auf jeden Platz gab es diesen Sommer ein Offenluft. Dabei muss man, müsste man ja eigentlich stets von einem Halb-Offenluft reden; denn die Musiker sind immer unter Dach, das Publikum ist Wetter und Stürmen ausgesetzt.
Hier zeigt sich ein dann ein kleiner Unterschied zwischen Klassik-Offenluft und Rock/Pop-Offenluft:
Bei Klassikkonzerten liegt der Grund für die Abdeckung der Musiker in dem Wert ihrer Instrumente, wer könnte es verantworten, wenn eine sauteure Geige, ein teurer Flügel, ein unbezahlbares Horn dem Regen anheimgegeben würden? Kein ernstzunehmender Musiker ist bereit, bei Regen und Schnee zu spielen. Auch die Zuhörerinnen und Zuhörer machen sich da nicht gut, man hat ja schliesslich keine Sommerhemden und Kleider von Armani und Gucci gekauft, um sie unter Regenumhängen und Pelerinen zu verstecken.
Anders bei Rock/Pop-Konzerten, hier ist es die Technik, die die Bands unter das Dach zwingt, wer schon einmal einen Kaffee auf seinen Computer geleert hat, weiss, wie stark Elektronik unter Nässe leidet; das Publikum allerdings ist hier anders, Regen, Schnee, Sturm, Hagel, Wind gehören dazu, man WILL nass werden, man WILL im Schlamm baden, man WILL es kalt haben. Ein Wacken ohne dreckige Kleider, ein St. Gallen ohne Regen und Sturm wäre nur der halbe Spass…

Aber ist das ganze Offenluft nicht Quatsch? Schon nach dem ersten hätte man aufhören sollen. Das fand nämlich vor 4000 Jahren im heutigen Palästina statt. Die Josua Brass Combo spielte vor Jericho. Mit verheerenden Folgen für die Stadt, sie haben sicher davon gehört. Im Mittelalter durften deswegen Blech und Schlagzeug ihre Openairs nur VOR der Kirche machen, innen wurde schöne und leise Musik gemacht.

Wir haben im August im Raum Passau die Burg Mumpfing angeschaut. Und der Burgführer Johannes Alois Duppler-Fidelmoser machte uns klar, dass auf SEINER Burg der Offenluft-Unsinn nicht mitgemacht würde.

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