Momente später – Henrietta ist gerade gegangen – kommt Fiona vorbei und sagt: «Wie geht es Enten-Gesicht?»
Entengesicht also.
Duck Face.
In den 80ern, in denen der Streifen entstand, war es demnach kein Schönheitsmerkmal, einen Schnabel wie Donald oder Daisy zu haben. Auch die Ausstellung DUCKOMENTA, die ja Klassiker der Malerei kopierte, allerdings eben mit Entenschnabel, musste sich den Vorwurf gefallen lassen, sie habe die Mona Lisa und den Goethe verunstaltet, niemand sagte, die DUCKOMENTA habe diese Portraits verschönert.
An alles das muss ich immer wieder denken, wenn sich junge Mädchen mir im Bus gegenübersetzen, deren Lippen eindeutig an Donald oder Daisy erinnern. Und sie – das ist der grosse Unterschied – haben nicht wie Henrietta von Natur aus mit wulstigen Lippen zu kämpfen, nein, sie haben sich Zeugs reinspritzen lassen.
Duck Face.
Im 20. Jahrhundert waren es vor allem die Brüste, die man mit Kunststoff aufmöbelte. Im 21. Jahrhundert brachen dann die Dämme und jeder Körperteil wurde mit diversen Kunststoffen vergrössert.
Der Po zum Beispiel. Auf einmal war es Mode, einen breiten, grossen und wuchtigen Hintern zu haben. Und dieser grosse, breite, wuchtige und fette Hintern kam von der Kardashian und wurde deshalb auch als Kardashian-Po bezeichnet. Inzwischen hat Kim sich das ganze Material wieder rausnehmen lassen und alle Followerinnen müssen es ihr gleich tun.
Dasselbe wird auch mit den Entenmündern passieren…
Welcher Körperteil war eigentlich noch nicht dran?
Gut, Leber, Herz, Niere, Galle, Magen, Darm und das Hirn, aber das zählt nicht. Ich meine natürlich die sichtbaren.
Was wurde noch nie mit oder ohne Silikon vergrössert?
Im alten Ägypten galten übergrosse Pupillen als unbedingtes Schönheitsmerkmal. Um das zu erreichen, kauten die Ägypterinnen Blätter der Tollkirsche. Dies vergrösserte die Pupille und hatte nur ganz leichte Nebenwirkungen, manchmal blieb das Auge starr und manchmal erblindete man völlig.
Und die Nase? Da ist man nun ganz gespalten, weil man nun eben in Deutschland eine Geschichte hat, in der grosse und gebogene Nasen eine Rolle spielen, deshalb lässt man das Thema «Nase und Beauty» lieber aus…
Ich selbst habe ja grosse Ohren.
Diese Ohren sind ein Familienkennzeichen, alle H…s haben grosse Ohren, und angeblich soll der Arzt bei der Geburt einer meiner Vettern zur Mutter gesagt haben: «Gucken Sie den mal an, wenn ich den in die Luft werfe, dann fliegt er.» Die grossen Ohren haben mir in meiner Musikerlaufbahn sehr geholfen, denn viele Leute denken, dass grosse Ohren auch ein gutes Gehör bedeuten. Das ist natürlich totaler Unsinn, denn es kommt ja auf das Innen- und nicht auf das Aussenleben des Ohres an, also auf Hammer, Amboss und Steigbügel und das Trommelfell und nicht auf die Muschel.
Aber dennoch: Ich warte darauf, dass grosse Ohren schön werden, und in Vorbereitung darauf werde ich mir im Sommer meine Ohren mit viel Silikon vergrössern lassen.
Elefanten-Ohr.
Elephant Ear.
Passt sehr gut zu
Duck Face.
Entengesicht.
Und wenn irgendwann die grossen Ohren wieder aus der Mode kommen, ja, dann lasse ich mir , einen Termin bei Prof. Dr. Jens Blümlein geben, jenem bekannten Arzt, der davon lebt, dass er Kunststoff aus Körpern herausnimmt, und ich werde dort im Wartezimmer mit vielen Kardashian-Pos sitzen, mit Duckfaces, mit Silikonbrüsten, die alle ihre Polsterungen wieder los sein wollen.
Es gibt jedes Jahr die Kampagne «Brot statt Böller», mit der man der sozialen Unterschicht die Sylvesterknallerei madig macht, und damit eine der wenigen Freuden, die sie noch haben.
Ich lanciere jetzt die Parole «Brot statt Busen», wenn wir alle nur ein Jahr auf das Aufpolstern von sichtbaren Organen verzichten, also auf Duck Faces, auf K.-Pos, auf Elefantenohren und Silikonbusen, dann wäre die Welt ernährt.