Die letzten Jahre bin ich stets räpplifrei durch die drey
scheenschte Dääg gewandert. Diese kleinen bunten Biester, die deutsche Touristen
stets falsch mit Konfetti bezeichnen, sind nämlich hartnäckige Gesellen. Hast
du sie einmal in den Kleidern, und damit auch in der Wohnung, kriegst du sie
nicht mehr weg. Sie fallen auf den Boden und schieben sich in alle Ritzen, sie
wandern auf deinen Schreibtisch und in deinen PC, sie scheinen sich zu
vermehren und überfluten deine Küche. Noch an Pfingsten entdeckst du im Bad ein
paar rote, blaue und grüne Papierkreise, noch in den Sommerferien tauchen sie auf einmal in deinen
Badesachen auf.
Natürlich muss man sich auch von den Wagen fernhalten. Sie
locken dich nämlich mit Blumen (Rosen und Mimosen), mit Schoggi und Bonbons,
aber auch mit so gesunden Dingen wie Mandarinen oder Orangen. Und wenn du das
Geworfene fangen willst, wirst du mit Räppli übergossen. Das weiss ich
eigentlich alles, aber am Montag flog nun dieser Schoggistängel auf mich zu und
ich blickte nur nach diesem Teil und schwupps – ich hatte meine Ladung
abbekommen.
Als ich zuhause mich umzog, die Räppli hatten es bis in
meine Unterhose geschafft, keine Ahnung, wie sie das gemacht haben, dachte ich,
dass es immer so läuft: Man lenkt dich ab, bietet dir etwas, du passt nicht auf
– und es ist geschehen.
Das Räppli-Prinzip.
Da sitzt eine Jungfrau auf dem Felsen und kämmt ihr lockiges
Haar und singt eine wundersame Melodey und der Schiffer im Kahne wird von
wildem Weh ergriffen und achtet nicht mehr auf die Felsen und schwupps: Schiffbruch
und Bad im kalten Rhein.
Räppli-Prinzip.
Da blockiert ein Mann mit seinem Koffer den Gang im Zug und
du hilfst ihm noch das brutal schwere Gepäckstück weiterzuschieben und bist so
abgelenkt, dass du nicht mehr nach hinten schaust und schwupps: Dein Geldbeutel
ist weg, schon aus dem Zugfenster gereicht und auf Nimmerwiedersehen
verschwunden. Wenn dich dann noch jemand beim Code-Eintippen beobachtet hat,
ist dein Konto geplündert, bevor in Rheinfelden der Kontrolleur kommt, du deine
Börse nicht findest und deine Sperr-Hotline anrufst. (Ist einer Kollegin
passiert.)
Räppli-Prinzip.
Da gibt man dir beim COOP ein Los mit Sofortgewinn, der dann
ein einzelner Kaugummi ist, aber man kann ein ganzes Wellness-Wochenende
gewinnen, wenn man die Gewinnnummer per SMS an die COOP AG schickt und du
denkst, warum nicht, kostet ja nicht viel und schreibst die 86735364875 an die
COOP AG und schwupps: Du hast der Werbeabteilung des Handelsriesen deine
Handynummer gegeben.
Da verwickeln dich Leute in nette Gespräche und du denkst an
nichts Böses und schwupps: Du hast FRAU MIT LEBER oder AGATHE oder MEN OF STEEL
abonniert, du bist auf einmal Passivmitglied bei den FREUNDEN DES
PULLOVERSTRICKENS 1899 e.V. oder beim KANUPOLO-CLUB DIESSENHAUSEN 1976 e.V., du
bist – schlimmste aller Möglichkeiten – den Mormonen, den Zeugen Jehovas oder
der Scientology beigetreten.
Politiker haben das Räppli-Prinzip zur wahren Perfektion
gebracht. Wenn also da eine Pressekonferenz stattfindet, auf der Minister A
verkündet, dass die Hochschulen mit zusätzlichen 45 Millionen unterstützt
werden, eine Pressekonferenz, auf der Minister B sagt, dass zusätzliche
Sozialwohnungen gebaut werden, wenn C von Steuersenkung und D von Verbessrung
des ÖV spricht:
Schaut nach den Waggisen mit den Räpplisäcken! Schaut nach den Waggisen!
Schaut nach den grossen Plastiksäcken mit Räpplis!
Irgendwo wird gerade eine grosse, eine ganz grosse, eine Riesenschweinerei vorbereitet.
Man will euch nur ablenken.
Am Dienstag habe ich es dann wieder richtig gemacht: Ich
habe den Warnspruch der Basler Polizei beachtet, heisst es da: Augen auf und Tasche zu, hiess es bei
mir Augen auf und Kragen zu. Ich habe
keine Mimosen, keine Orangen, keine Bonbons und keine Schokolade nach Hause
getragen, aber dafür waren auch meine Unterhose und mein T-Shirt papierfrei.