Was gibt es
Schöneres, als bei diesen Temperaturen in einem Bistro am Fluss zu sitzen und
ein kühles Glas Weisswein zu trinken? Genau. In einem Bistro am Fluss sitzen
und zwei Gläser Weisswein trinken. Und weil man ja auch ein wenig Hunger hat,
isst man noch einen Salat dazu, aber irgendwann muss ich dann doch heim und es
geht ans Bezahlen. Die Rechnung ist einfach: Ein Glas Weisswein kostet 10,50.-
und der Salat 18.-, alles nicht ganz billig, aber im Bistro mit Blick auf den
Fluss muss man eben nicht nur das Bistro, sondern auch den Blick auf den Fluss
bezahlen. Auf jeden Fall ergibt sich die klare Summe von 40.-, als ich aber die
Rechnung sehe, bin ich ob der darauf stehenden 43,70.- doch erstaunt. Die
Servierdame rechnet noch einmal nach, und nachdem sie noch einmal nachgerechnet
hat, muss sie mir Recht geben. Sie entschuldigt sich mit dem schönen Satz:
«Es ist zu
heiss zum Denken, und erst recht zum Rechnen.»
Ich nehme
ein Taxi nach Hause. Der Taxichauffeur überfährt 7 Male den Mittelstreifen,
würgt 3 Male den Motor ab und macht bei jeder Ampel eine Vollbremsung. Ich
bin selber lange nicht Auto gefahren, aber ich war ein ordentlicher, wenn auch
kein genialer Autofahrer, sodass ich bei Fahrern doch einen gewissen Anspruch
habe. Und das ist mir jetzt doch zu viel. «Sind Sie betrunken oder haben Sie
Drogen genommen?» «Wieso?» «Na ja, nach 7 Mittelstreifenüberfahrungen, 3
Abwürgungen und 8 Ampelvollbremsungen fragte ich mich gerade, ob Sie den
Fahrausweis haben, da wir in diesem Land aber ziemlich streng sind, nehme ich
an, Sie haben ihn, wenn Sie aber den Führerschein besitzen, dann haben Sie 2,1
Promille oder Sie sind auf Koks, Speed, Cannabis oder Heroin.» Und jetzt kommt
der schöne Satz:
«Es ist zu
heiss, um konzentriert zu fahren.»
Der
Chauffeur setzt mich wohlbehalten – und das muss nun hier wirklich extra betont
werden – zu Hause ab. Als ich die Haustür öffne, schlägt mir ein Gestank von
epischem Ausmass entgegen. Es riecht, als hätte jemand einen Misthaufen im
Treppenhaus aufgebaut, oder als hätte die Putzfrau mit Gülle geputzt. Es
müffelt wie im Erdferkelgehege des örtlichen Zoos oder im Kuhstall meines
Göttis. Ich betrete das Treppenhaus und sofort löst sich das Rätsel: Herr
Mulder vom 4. Stock kommt die Stufen hinunter. Ich halte mir demonstrativ die
Nase zu und stöhne: «Herr Mulder! Sie stinken. Sie stinken wie ein Misthaufen,
als hätten Sie mit Gülle geduscht, sie müffeln wie ein Erdferkel im Zoo oder
eine Kuh von meinem Götti.» Er zuckt mit den Schultern und spricht den schönen
Satz:
«Die Hitze!
Da lohnt das Duschen gar nicht.»
Die Hitze.
Zugegeben,
es ist heiss, Temperaturen um die 38° Celsius, teilweise bis 40° sind hoch.
Aber können Sie uns als Generalausrede taugen?
Die Schüler
weigern sich den Test zu schreiben, weil es zu heiss ist, jenen Test, den der
Lehrer gar nicht vorbereitet hat, weil es zu heiss ist. Der Autofahrer muss im Schatten parkieren, weil das Auto sonst zu heiss wird und die Polizistin
schreibt ihn nicht auf, weil sie bei der Hitze keinen Stift halten kann. Und
wenn jemand mit einem Hitzschlag ins Spital kommt, wird er oder sie dann
überhaupt behandelt, bei der grossen Hitze?
Wenn
Temperaturen um die 39° jegliches Denken, handeln, jegliches Tun und Wollen,
wenn sie jegliche intellektuelle und praktische Handlung verunmöglichen, dann
muss man sich fragen, warum in anderen, südlicheren Ländern nicht ab Mai das
gesamte öffentliche Leben zusammenbricht. Tut es nämlich nicht.
In Sizilien
werden Mails geschrieben.
Auf Kreta
werden Autos repariert.
In Marokko
werden Dinge verkauft.
Und in
Ägypten gehen Schülerinnen und Schüler in die Schule.
Einziger
Unterschied: Die allerheissesten, allertropischsten, die brutalstwarmen und
kochenden, die siedenden und brühigen, äquatorialen Mittagsstunden werden
ausgenommen. Von 13.00 bis 16.00 zieht man sich in abgedunkelte, kühle Räume
zurück und döst.
Siesta nennt
man das.
Und das
sollte man bei uns auch einführen, wenn die Temperaturen solche Höhen
erreichen.
Vielleicht
gestaffelt:
bis 33° Celsius 13.00 – 14.00
bis 37° Celsius 12.30 – 15.00
bis 42°
Celsius 12.30 – 16.00
Wäre doch nett.
Um mich von
dem Rechnungsschock, dem Taxischock und dem Gestank-Schock zu erholen, giesse
ich mir noch einen Whiskey ein, setze mich vor den Fernseher und schaue
Nachrichten. Und bin erstaunt zu hören:
«Guten
Abend, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer. Wegen der Hitze gibt es heute keine
Politik, keine Wirtschaft, keine Kultur und keinen Sport. Der Wetterbericht für
morgen:
Heiss.
Sehr heiss.»