Freitag, 17. Oktober 2025

Losverfahren! Wir sollten überall auslosen

O Fortuna
wie der Mond
von wechselhafter Art!

Die deutsche Bundesregierung hat eine fundamental tolle Idee in die Runde geworfen und auf den Weg gebracht:
Die Männer, die in den Wehrdienst müssen, sollen ausgelost werden.
Nach einigem Nachdenken und Grübeln, nach einigem Stirnrunzeln finde ich inzwischen, dass das gar keine schlechte Idee ist. Nein, man sollte das Losverfahren auf ALLE Bereiche des täglichen und öffentlichen Lebens anwenden. Ich möchte Ihnen hier einige Beispiele vorstellen.

RENTE

Die Rentenkassen sind leer? Die neue Idee: Die Renten werden ausgelost. Das Verfahren wird auf folgende Art vor sich gehen:
Mit 65 beantragen Sie nach vielen, vielen, vielen Jahren Arbeit in die Rente zu gehen. Ihr Name kommt in die Lostrommel. Nun wird gezogen, und zwar in einem Verhältnis 1 zu 2, das heisst auf ein Los «Rente» kommen zwei Lose «Nichtrente». Die 33,33% Glücklichen kommen in eine neue Lostrommel, die anderen arbeiten weiter. Jedes Jahr können diese nun wieder eine Rente beantragen und auf die Lotterie hoffen. Allerdings gibt es eine Deckelung des Alters, mit 80 bekommt dann doch jede und jeder sein oder ihre Rente – wenn er oder sie dann noch lebt, aber das ist eben Fortuna!
Und die Glücklichen? Ja, die müssen noch einmal in die Lostrommel, denn nun wird die Höhe der Rente gezogen. Es gibt (zu gleichen Teilen) 30%, 40%, 50% und 60% des letzten Gehaltes. Wem das nicht reicht, der darf natürlich auf die Rente verzichten und das nächste Jahr noch einmal das Glück versuchen. Aber Achtung! Aber Achtung! Man kommt wieder in die ERSTE Trommel, also muss man sich überlegen, ob man nicht jetzt eine Rente von 30% akzeptiert, bevor man nächstes Jahr gar nichts hat.

O Fortuna!
Stets nimmst du zu
und nimmst du ab;
schmähliches Leben!

STEUER

Es wird seit langem diskutiert, ob man die in Deutschland ausgesetzte Vermögenssteuer nicht wieder einführen soll.
Ja, unbedingt wieder einführen, aber per Los! Und das geht folgendermassen:
Jedes Jahr wird zunächst ein Steuersatz gezogen (von 10% bis 70%). Die Ziehung des Steuersatzes wird zum medialen Ereignis hochstilisiert und zu einer kleinen Fernsehshow, man könnte die legendäre Karin Tietze-Ludwig wieder engagieren, sie ist ja erst 84 und sieht immer noch blendend aus, und sie würde mit ihrem legendären Lächeln die magischen Worte sprechen:
«Der Aufsichtsbeamte hat sich vor der Sendung vom ordnungsgemässen Zustand des Ziehungsgerätes und der Kugeln überzeugt.»
Ist der Steuersatz festgelegt, dann werden aus den 100 reichsten Leute in der BRD die gezogen, die Vermögenssteuer in diesem Jahr zahlen müssen.

O Fortuna!
Erst misshandelst
dann verwöhnst du
im Spiel des Geistes Schärfe.
Dürftigkeit,
und große Macht
lässt du wie Eis zergehen.

ORGANSPENDE

Ja, ja, ja, auch hier! Wir haben zu wenig Spenderleber, Spenderniere, Spenderherz, Spenderlunge. Was liegt näher, als uns Spenderleber, Spenderniere, Spenderherz, Spenderlunge durch ein Losverfahren zu sichern. Sobald der Totenschein ausgefüllt ist, wird ausgeknobelt, ob die Organe zu Verfügung stehen. Klar ist, dass nur tote Menschen in die Lotterie kommen, es wird also niemand – wie bei Monty Python – vor Ihrer Tür stehen und ihre Leber, Ihr Herz oder Ihre Niere wollen.

Furchtbares Schicksal du
und eitles,
du kreisendes Rad,
schlimm dein Wesen,
nichtig dein Glück.

Aber – wenn wir jetzt so weit gedacht haben – warum losen wir nicht die ganzen Politiker aus und lassen das mit den Wahlen? Warum nicht? Denn – mal ganz ehrlich:
Schlechter als diese Bundesregierung könnte eine AUSGELOSTE es auch nicht machen…



Dienstag, 14. Oktober 2025

Überall Openair! Der Offenluft-Unsinn

Wir haben im August im Raum Passau die Burg Mumpfing angeschaut. Bei einer Führung im kleinen Kreis (wir waren nur 8 Personen) erklärte Johannes Alois Duppler-Fidelmoser, der Leiter der Burg, die Geschichte der Grafen von Mumpfing und die baulichen Eigenheiten der Anlage, die mit Burggraben, Zugbrücke, mit Mauern und Zinnen, die mit einem 20 Meter hohen Turm und einem Palas aus dem 12. Jahrhundert doch recht imposant ist. Am Ende konnten wir Fragen stellen. Es gab nun einige Dinge zu Geschichte und Architektur, aber dann kam die Frage, die den Guide kurzfristig sprachlos machte:

«Wann sind die Konzerte?»

Es stellte sich heraus, dass die Fragende davon ausging, auf jeder Burg und auf jedem Schloss, in jedem Kreuzgang und in jedem Kloster fänden Open Air-Konzerte statt. Und so ganz unrecht hat die Dame ja auch nicht. Johannes Alois Duppler-Fidelmoser musste der Enttäuschten mitteilen, dass auf Burg Mumpfing eine solche Konzertreihe noch nicht geplant sei.
Ihr Erstaunen war grenzenlos.

Beim an die Führung anschliessenden Imbiss, ein Imbiss, der dort «Brotzeit» genannt wird, fingen wir an, eine Konzertreihe für Burg Mumpfing zu planen. Bei der angeregten Diskussion stellte ich fest, dass alle acht Führungsteilnehmer davon ausgingen, die Musik müsse zum Ambiente passen, man müsse also auf einer Anlage, die mit Burggraben, Zugbrücke, mit Mauern und Zinnen, die mit einem 20 Meter hohen Turm und einem Palas aus dem 12. Jahrhundert doch recht imposant ist, auch entsprechende Stücke finden. Das könne allerdings ein Mittelalter-Programm mit Fidel und Flöte und viel Schlagwerk genauso wie ein Programm des Historismus bedeuten, ebenso könne man sich auch einen kompletten Avantgarde-Abend denken, quasi im Kontrast.

Mit unserer Planung – das musste ich nun den anderen Teilnehmenden sagen – waren wir den meisten Open Air-Standorten voraus. Da heisst es nämlich:
Bekanntes Orchester
Solisten mit vielen Preisen
Stücke, die allen gefallen
Melodien zum Mitsingen
Ob irgendwas zu einer Anlage, die mit Burggraben, Zugbrücke, mit Mauern und Zinnen, die mit einem 20 Meter hohen Turm und einem Palas aus dem 12. Jahrhundert doch recht imposant ist, passt, ist wurscht.

Einer der seltsamsten Abende lief neulich auf 3sat: Die Mezzosopranistin Elīna Garanča sang, begleitet vom Kammerensemble CHAARTS, Stücke aus «Carmen». Dazu spielten die Musiker Sätze aus den Carmen-Suiten. Alles phänomenal. Alles grandios. Die Sängerin IST einfach die Carmen und die Musiker waren super – ohne Dirigent.
Und wo fand das Ganze statt?
Auf Neuschwanstein.
An diesem Ort, pseudogotisch und mittelaltergetränkt, passte der Bizet wie eine mediterrane Tarte neben eine Rindsroulade. Zudem regnete es die ganze Zeit und es war kalt, die Zuschauer waren in Regenumhänge gehüllt und die Musiker hatten Schaffell überm Frack, was dem Ganzen noch zusätzlich eine skurrile Note verlieh.

Auf jeder Burg, auf jeden Platz gab es diesen Sommer ein Offenluft. Dabei muss man, müsste man ja eigentlich stets von einem Halb-Offenluft reden; denn die Musiker sind immer unter Dach, das Publikum ist Wetter und Stürmen ausgesetzt.
Hier zeigt sich ein dann ein kleiner Unterschied zwischen Klassik-Offenluft und Rock/Pop-Offenluft:
Bei Klassikkonzerten liegt der Grund für die Abdeckung der Musiker in dem Wert ihrer Instrumente, wer könnte es verantworten, wenn eine sauteure Geige, ein teurer Flügel, ein unbezahlbares Horn dem Regen anheimgegeben würden? Kein ernstzunehmender Musiker ist bereit, bei Regen und Schnee zu spielen. Auch die Zuhörerinnen und Zuhörer machen sich da nicht gut, man hat ja schliesslich keine Sommerhemden und Kleider von Armani und Gucci gekauft, um sie unter Regenumhängen und Pelerinen zu verstecken.
Anders bei Rock/Pop-Konzerten, hier ist es die Technik, die die Bands unter das Dach zwingt, wer schon einmal einen Kaffee auf seinen Computer geleert hat, weiss, wie stark Elektronik unter Nässe leidet; das Publikum allerdings ist hier anders, Regen, Schnee, Sturm, Hagel, Wind gehören dazu, man WILL nass werden, man WILL im Schlamm baden, man WILL es kalt haben. Ein Wacken ohne dreckige Kleider, ein St. Gallen ohne Regen und Sturm wäre nur der halbe Spass…

Aber ist das ganze Offenluft nicht Quatsch? Schon nach dem ersten hätte man aufhören sollen. Das fand nämlich vor 4000 Jahren im heutigen Palästina statt. Die Josua Brass Combo spielte vor Jericho. Mit verheerenden Folgen für die Stadt, sie haben sicher davon gehört. Im Mittelalter durften deswegen Blech und Schlagzeug ihre Openairs nur VOR der Kirche machen, innen wurde schöne und leise Musik gemacht.

Wir haben im August im Raum Passau die Burg Mumpfing angeschaut. Und der Burgführer Johannes Alois Duppler-Fidelmoser machte uns klar, dass auf SEINER Burg der Offenluft-Unsinn nicht mitgemacht würde.

Freitag, 10. Oktober 2025

Auf Wiedersehen, Windows 10!

Auf Wiedersehen, Windows 10!
Au Revoir, Windows 10!
Arrivederci, Windows 10!
A bun ans vair, Windows 10!

Mit dem Kauf meines neuen Computers geht eine lange und intensive Freundschaft zu Ende. Du hast mich seit fast 10 Jahren begleitet, alles wechselte – du aber bliebst. Als Fels in der Brandung. Als nicht wankende Stütze. Ich zog um, von Kleinbasel ins Am Ring-Quartier, von da ins Gellert, du aber warst immer dabei. Der Partner wechselte, du nicht. Und die Arbeitsstellen! Ich übernahm die KKB, hörte in Allschwil auf, hörte beim Musikverein und im Chor auf, aber ob ich nun für die Sekundarschule Powerpoints machte, oder ob ich Probenpläne schrieb, immer war es auf Windows 10. Mit dir geht eine grosse Konstante in meinem Leben verloren.

Mache es gut, Windows 10!
Fais-le bien, Windows 10!
Fallo bene, Windows 10!
Sto bain, Windows 10!

Dass es ganz klar ist: Ich wurde zu diesem Schritt gezwungen. Ich verlasse dich nicht freiwillig, ich wurde genötigt. Ich möchte ausrufen wie Donna Isabella am Beginn der «Braut von Messina»:
Der Noth gehorchend, nicht dem eignen Trieb... 
Ende des letzten Jahres kam die Horrormeldung: «Der Support für Windows 10 wird nur noch bis zum 31. 10. 2025 gewährleistet.» Fieberhaft rief ich die Seite meines Herstellers, Acer auf und durchsuchte die Liste nach den Geräten, bei denen ein Update möglich wäre. (So gefühlt hatte ich mich das letzte Mal, als ich in den Listen am schwarzen Brett der Uni Freiburg nach meinem Namen in der Kategorie «Latein – zugelassen zum Hauptstudium» suchte.)
Ich hatte einen Aspire A315-51 und fand in der Liste der Glücklichen
Aspire A315-47 / Aspire A315-48 / Aspire A315-49 / Aspire A315-60 / Aspire A315-61 …
Alle 50-Notebooks hatten die Arschkarte. Tränen liefen mir die Wangen hinunter, zusammen mit dem Abschied von dir würde auch der Abschied vom meinem Acer vonstattengehen.

Es war schön mit dir, Windows 10!
C`était sympa avec toi, Windows 10!
È stato bello con te, Windows 10!
I haja bun cun el, Windows 10!

Warum griff Bill Gates zu so einem harten Schritt? Ja, meine verschwörungstheoretisch denkenden weitläufigen Bekannten würden jetzt sagen, wer die ganze Welt totimpfen will, ist ja eh ein Menschenhasser, aber das lassen wir nun mal ganz schön beiseite, nein, der Grund für das radikale «Der Support für Windows 10 wird nur noch bis zum 31. 10. 2025 gewährleistet» war ganz simpel: Du warst zu gut.
Wenn ein Produkt gut ist, dann halten die Leute daran fest. Das ist aber für eine Firma, die Geld verdienen möchte, ganz blöd. Nichts ist schlechter für das kapitalistische System als Dinge, die gut sind und ein Leben lang halten. Wo kämen wir da hin? Schliesslich will man verkaufen. Und da man ins Windows 10 keine Sollbruchstelle (wie bei Waschmaschinen, Toastern, Herden, Heizungen usw.) eingebaut hat, geht nur der Trick mit der Supportverweigerung. Laut Experten rollt eine riesige Welle von Elektroschrott auf uns zu, weil Millionen von Notebooks und Tablets weggeworfen werden müssen.

Habe viel Spass in der Rente, Windows 10!
Amuse-toi à la retraite, Windows 10!
Buon divertimento in pensione, Windows 10!
Tant divertiment in vitta di pensiun, Windows 10!

Wie wird das jetzt werden mit Windows 11? Es wird es schwer haben, nicht nur bei mir.
Das ist, wie wenn man die Nachfolge eines CEO antritt, der 30 Jahre im Amt war, beliebt bei allen Angestellten und erfolgreich auf der ganzen Linie. (Soll es geben! Soll es geben! Soll es geben!)
Das ist, wie wenn man einen Witwer mit 5 Kindern heiratet, die sich zunächst emotional gegen die Stiefmutter sträuben.
Das ist, wie wenn in der Espressobar die Frau hinter der Theke wechselt und alle Kunden genervt sind, weil die Neue natürlich mit einem «wie immer» nichts anfangen kann.
Aber ich werde Windows 11 eine faire Chance geben, wie auch meinem neuen Notebook – das immerhin wieder ein Acer ist, ein wenig Konstanz braucht der Mensch ja schon…
In diesem Sinne:

Auf Wiedersehen, Windows 10!
Au Revoir, Windows 10!
Arrivederci, Windows 10!
A bun ans vair, Windows 10!

Dienstag, 7. Oktober 2025

Apple Pi

Ich komme mit einer (sehr pfiffigen, sehr gewitzten) Schülerin im Englischunterricht auf die mathematische Grösse «Pi» und wir überlegen uns, wie der Engländer dies ausspricht. Es muss – da sind wir uns einig – «pai» heissen und bildet dann mit «pie» ein Homophon. Sofort kommt uns ein Witz in den Sinn: «What is the math teacher's favorite dessert? – apple pi.» Und wir sind mächtig stolz.
Dann aber denken wir, dass dieser Joke zu eindeutig, zu naheliegend, zu offensichtlich, zu banal ist, und dass sicher schon Leute daraufgekommen sind. Einmal Google ernüchtert uns: Es gibt sogar ein T-Shirt mit diesem Spass, ein Apfel und ein Pi-Zeichen. Natürlich sind schon andere auf diese Idee gekommen…

Ich erzähle meiner Schülerin, dass ich jedes Mal mit einer Schnute reagiere, wenn ein Mensch den Spruch «Das Leben ist hart – Sie sind Herter» bringt. Nicht, weil das nicht lustig wäre, sondern weil der oder die Betreffende meint, er oder sie sei so wahnsinnig originell. Und ich habe diesen Spruch schon circa 1600 mal gehört.

Das heisst aber nicht, vor allen Fettnäpfen gefeit zu sein. Als ich meinen Knabenkantoristen Emil mit Max, Luis und Ariel stehen sah und diese fragte: «Seid ihr die Detektive?», bekam ich von Emil einen Blick, der Enttäuschung, Mordlust, Depression und Verzweiflung in sich barg. Und auch ich war mir so originell, so witzig, so lustig, ich war mir so intelligent und spritzig vorgekommen, dabei war das so banal…

Der geniale Umberto Eco schreibt zu diesem Thema in einem seiner «Streichholzbriefchen»:

Seit ich klein war, bin ich meines Nachnamens wegen gewöhnlich zwei (und nur zwei) Arten von
Witzen ausgesetzt gewesen, nämlich: »Du bist (Sie sind) derjenige, der immer antwortet« und »Du hallst (Sie hallen) durch die Täler wider,« Während der ganzen Kindheit glaubte ich, durch einen merkwürdigen Zufall seien alle Leute, denen ich begegnete, Dummköpfe. Dann, in mein hohes Alter gelangt, habe ich mich überzeugen müssen, dass es zwei Gesetze gibt, denen sich kein menschliches Wesen entziehen kann: Die erste Idee, die einem in den Sinn kommt, ist immer die nächstliegende, und wenn man eine naheliegende Idee gehabt hat, kommt einem nicht in den Sinn, dass andere sie schonvorher gehabt haben könnten. Ich verfüge über eine hübsche Sammlung von Rezensionen, in allen Sprachen des indogermanischen Stammes, deren Titel sich zwischen »L'eco di Eco« (Das Echo von Eco) und »Un libro che fa eco« (Ein Buch, das Widerhall findet) bewegen. Allerdings habe ich hier den Verdacht, dass es diesmal nicht die erste Idee war, die dem Redakteur in den Sinn kam; es dürfte eher so gewesen sein, dass die Redaktion sich versammelt und vielleicht zwanzig mögliche Titel durchdiskutiert hatte, und plötzlich hatte sich das Gesicht des Chefredakteurs aufgehellt, und er hatte gesagt: »Freunde, mir ist eine phantastische Idee gekommen!« Und die Runde: »Chef, du bist ein Genie! Wie machst du das nur?» – «Das ist eine Gabe», wird er geantwortet haben.

Wie kommt es, dass wir immer wieder denken, dass wir einen neuen und originellen Witz gemacht haben? Dass wir eine originelle Idee hatten? Dass wir neuartig und einfallsreich sind?
Weil wir nur Berichte in der Art von «Vor mir war noch keiner draufgekommen und so machte ich das Geschäft meines Lebens» haben und keine andere.
Sehen Sie:
Marco P., der die Idee für den Plugiwumm, ein Küchengerät, hat, das wirklich jeder braucht aber noch niemand erfunden hat, geht zum Patentamt und meldet Plugiwumm zum Patent an. Und natürlich bekommt er das Patent und produziert und lizensiert und wird reich. Und er schreibt ein Buch darüber: «Wie ich den Plugiwumm erfand und reich wurde».
Aber:
Markus F., der den Plagiwamm erfindet, ein Gerät zum sparsamen Schälen von Kartoffeln, geht auch zum Patentamt. Dort erfährt er, dass der «Sparschäler» schon 1947 patentiert wurde, und sogar (zusammen mit der Schokolade, dem Reissverschluss und dem LSD) zu den wirklich wichtigen Schweizer Erfindungen zählt. Der Patentbeamte ist überdies so frech, Markus zu sagen, dass er eine echte Lachnummer sei.
Der Unglückliche wird nun über seine «originelle Idee» schweigen. Er wird hoffen, dass die Sache nicht publik wird, er wird sicher kein Buch mit dem Titel «Wie ich den Plagiwamm erfinden wollte und erstens nicht reich wurde und mich zweitens unendlich blamierte» schreiben.

Und da nur Menschen, die wirklich originell und einfallsreich waren, das veröffentlichen, denken wir, jedes Wortspiel sei witzig und komisch und noch nie dagewesen. Dabei wäre es so einfach, es gibt ja da so ein Ding, das nennt sich das Internet.
Sie haben einen lustigen Spruch zum deutschen Bundeskanzler in Bezug auf den Monatsnamen?
Googeln Sie! Es gibt sie schon tausendfach.
Sie haben eine witzige Schlagzeile zum Thema «Trump triumphiert»?
Googeln Sie! Das Netz ist voll davon.

Ich komme mit einer (sehr pfiffigen) Schülerin auf den Witz: «What is the math teacher's favorite dessert? – apple pi.» Und wir stolz.
Aber Google ernüchtert uns: Es gibt sogar ein T-Shirt mit diesem Spass, ein Apfel und ein Pi-Zeichen. Natürlich sind schon andere auf diese Idee gekommen…

Man ist nicht immer so originell, wie man denkt.



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Freitag, 3. Oktober 2025

Keine Bücher von Emeriti!

from: prof.em.dr.dr.schmid@unibochum.de
to: helge.michels@huberverlag.de

Lieber Helge
Du hast lange nichts von mir gehört. Aber hier ist es nun: Mein neues Werk. Ich denke, wenn wir schnell lektorieren und drucken, dann könnten wir es bis Leipzig 2026 schaffen, so umfangreich ist es ja nicht.
Liebe Grüsse Florian

from: helge.michels@huberverlag.de
to: prof.em.dr.dr.schmid@unibochum.de

Lieber Florian
Schön, von dir wieder einmal zu hören. Ich sehe da ein «em» in deiner Mailadresse – das heisst aber doch nicht etwa «emeritus»? Dann hätten wir nämlich ein Problem.
Liebe Grüsse Helge

from: prof.em.dr.dr.schmid@unibochum.de
to: helge.michels@huberverlag.de

Lieber Helge
Doch, das heisst genau das. Ich bin seit Herbst 2024 im Ruhestand, also ein Emeritus. Mein Lehrstuhl ist in guten Händen, und ich bin sehr zufrieden und glücklich. Warum hätten wir dann ein Problem?
Liebe Grüsse Florian

from: helge.michels@huberverlag.de
to: prof.em.dr.dr.schmid@unibochum.de

Lieber Florian
Dann willkommen im Ruhestand. Allerdings können wir dann dein Buch nicht machen, weil der Huberverlag grundsätzlich Werke von Emeriti nicht verlegt. Ich kriege da auch keine Ausnahme hin, das hat noch nie geklappt. Tut mir sehr leid.
Liebe Grüsse Helge

from: prof.em.dr.dr.schmid@unibochum.de
to: helge.michels@huberverlag.de

Lieber Helge
Habe ich dich richtig verstanden? Ihr verlegt keine Bücher und Schriften von emeritierten Professoren? Das darf ja wohl nicht wahr sein! Warum das denn?
Liebe Grüsse Florian

from: helge.michels@huberverlag.de
to: prof.em.dr.dr.schmid@unibochum.de

Lieber Florian
Das geht jetzt wirklich nicht gegen dich, aber wir haben schlechte Erfahrungen gemacht. Emeriti entfernen sich sehr häufig von der konkreten Forschung und denken mehr ins Allgemeine, ins Übergreifende, aber auch ins Spekulative und – ich muss das so sagen – Unwissenschaftliche.
Da ist zum Beispiel der Astrophysiker, hochdekoriert und nobelpreisbehängt, der im Alter dann über Aliens nachdenkt, und der uns Bücher anbietet, die an Daeniken erinnern.
Da ist der Mediziner, Mikrobiologe und Hygieniker, der auf einmal alle Impfungen für unnötig erklärt und sich zur Symbolfigur einer obskuren Quer- und Schrägdenkerszene machen lässt.
Da ist zum Beispiel der berühmte Altertumsforscher, der uns Bücher anbietet, die erläutern, dass das 4. Jahrhundert komplett nicht stattgefunden hat.
Da ist der Nachrichtentechniker, der sich nun für Übertragung von Telepathie beschäftigt und auch Patente drauf schon angemeldet hat.
Und da ist der mit allen Auszeichnungen versehene, weltbekannte Linguist, der Urphänomen-Thesen entwirft, die sich meilenweit im Märchenhaften und Spekulativen bewegen.
Wegen aller dieser Leute hat unsere Verlagsleitung beschlossen, einfach keine Bücher mehr von Emeriti zu drucken.
Sorry.
Liebe Grüsse Helge

from: prof.em.dr.dr.schmid@unibochum.de
to: helge.michels@huberverlag.de

Lieber Helge
Tja, da nehmt ihr mich also in Sippenhaft. Allerdings muss ich sagen, so ganz unrecht habt ihr natürlich nicht. Wir hatten letztes Jahr einen Vortrag eines 95jährigen Emeritus, und da konnte man nur den Kopf schütteln.
Gut, dann muss ich mich an einen anderen Verlag wenden. Alles Gute dir.
Liebe Grüsse Florian

from: helge.michels@huberverlag.de
to: prof.em.dr.dr.schmid@unibochum.de

Lieber Florian
Dir auch. Nichts für ungut.
Liebe Grüsse Helge