Freitag, 12. Dezember 2025

Spezialpreis für Trump ist ok (aber bitte das klar sagen!)

Der Vorstand des Männergesangvereins Pfullendorf hat in seiner letzten Sitzung folgenden ergänzenden Passus für die Vereinssatzung beschlossen:

§ 21 Absatz 5
Ein Mitglied, das 80 Jahre im Chor singt, erhält den Titel «Hyper-Ehrenmitglied» und wird mit einer Nadel mit 8 Rubinen und einer Urkunde geehrt, ausserdem wird sein Portrait im Vereinslokal aufgehängt.

Der Passus ist notwendig geworden, weil Hubi Müller, der 1946 frisch-stimmgebrochen und noch mit Flaum um den Mund mit 15 Jahren als Tenor 1 in den gerade aus Trümmern wieder entstehenden Chor eintrat, nächstes Jahr 95 wird und immer noch singt. (Nun als Bass 2).
Bei der Gründung des Chores 1890 ging die Ehrungsliste absolut nicht so weit, die Leute wurden einfach nicht so alt.

Man sieht zwei Dinge an diesem Beispiel:
Es ist absolut üblich, Ehrungen, Stellen, Titel usw. eigens für bestimmte Personen zu erschaffen.
Es ist nicht ehrenrührig solche Ehrungen, Titel, Stellen usw. für bestimmte Personen extra zu machen, man muss es halt nur eindeutig deklarieren.

Gut, manchmal hat die ganze Sache ein Geschmäckle.
Napoleon machte sich zum «Empereur», denn einen Herrschertitel wollte er partout, und den König hatte man ja ein paar Jahre davor geköpft, gut, dann halt Kaiser, völlig ignorierend, dass es in Europa eigentlich nur einen Kaiser gab…
Göring machte sich zum «Reichsmarschall», der über dem Generalfeldmarschall stand und – im Gegensatz zu diesem – keine militärische Laufbahn durchlebt haben musste. Der Titel blieb singulär für ihn, es gab vorher und nachher keinen anderen.

Manchmal ist eine solche Extrawurst aber echt klasse.
Als dem Theologen Hans Küng die Lehrerlaubnis entzogen wurde, hatte die Uni Tübingen ein Problem: Da stand nun ein hochbezahlter, hochqualifizierter, anerkannter Wissenschaftler, der aber nicht mehr ans Katheder durfte. Denn angestellt war er beim Land Baden-Württemberg, die Aufsicht über seine Lehre hatte aber der Vatikan.
Die Alma Mater löste das Problem elegant nach dem Wahlspruch ihres Gründers Eberhard im Bart: «Attempto» (ich wage es). Da in den Vorlesungen Küngs ohnehin über 50% Protestanten sassen, gründete man kurzerhand ein «Institut für Ökumenische Forschung», verbunden mit einer Professur für «Ökumenische Theologie».
Wenn man Küng gelegentlich vorwarf, er sässe in einem eigens für ihn geschaffenen Stuhl, konnte der Eidgenosse (heimatberechtigt in Sursee) nur lächeln: ER hatte sich das nicht ausgesucht, ER wäre gerne Katholischer Lehrstuhlinhaber geblieben…

So wäre nun die FIFA-Ehrung für Trump auch keine Sache, wenn Infantino ehrlich gewesen wäre. Wenn er ehrlich gesagt hätte:
1.) Es gibt ab 2025 einen FIFA-Friedenspreis.
2.) Der Preis ist auf Donald Trump zugeschnitten und für ihn gemacht.
3.) Daher ist Trump auch der erste Preisträger.

Aber wenn Infantino ein sauber denkender, ehrlicher, fairer und anständiger Mensch wäre, dann wäre er nicht mit Trump befreundet. Er wäre aber auch nicht FIFA-Präsident. Denn ein sauber denkender, ehrlicher, fairer und anständiger Mensch engagiert sich nicht im Profifussball. Oder wirft schon auf nationaler Ebene das Handtuch (wie Keller, der nun echt ein sauber denkender, ehrlicher, fairer und anständiger Mensch ist…)

Der Vorstand des Männergesangvereins Pfullendorf hat in seiner letzten Sitzung einen ergänzenden Passus für die Vereinssatzung beschlossen, der einem Mitglied, das 80 Jahre singt, eine Reihe ganz spezieller Ehrungen zuteilwerden lässt.
Der Passus ist für Hubi Müller gemacht und auf ihn zugeschnitten, Hubi, der seit 1946 seine Stimme erhebt.

Und das ist völlig OK.

Bei Trump hat es einen Geruch, besser gesagt Gestank.





Dienstag, 9. Dezember 2025

Frank Gehry ist tot: Ein dekonstruktivistischer Nachruf für einen grossen Dekonstruktivisten

 

Frank Owen Gehry (eigentlich Frank Ephraim Goldberg) wurde 1929 in Toronto/ Kanada geboren. Er ist ein kanadisch-US-amerikanischer Architekt und Designer, der seit 1947 in Kalifornien lebt.
Bis

1954

studierte

Frank

O. Gehry

Architektur

an der University

of Southern California

in Los Angeles,

danach ein Jahr lang an der Harvard Graduate School of Design.
Anschließend arbeitete er für verschiedene Architekturbüros an der Westküste, bevor er sich 1962 als Architekt selbstständig machte. 1989 wurde ihm der Pritzker-Preis für Architektur verliehen.
Gehrys Arbeiten erregten Aufsehen, weil sie experimentell sind und aus Elementen bestehen, die gebrochen oder zerrissen erscheinen. Seine Gebäude gelten als Beispiele des Ad-hoc- oder Punk-Designs, wodurch Gehry zu einem der wichtigsten amerikanischen Architekten am Übergang von Postmoderne zum Dekonstruktivismus wurde.


Zu Beginn seiner Karriere waren seine Werke durchaus konventionell. Erst gegen Ende der 60er Jahre veränderte er seine architektonische Formensprache, indem er begann vermeintlich "ärmliche" Materialien wie Sperrholz, Wellblech und im Möbelbau sogar Wellpappe einzusetzen. 1983 wurden Gehrys Leuchten in New York ausgestellt - Konstruktionen aus gerissenen, gebrochenen Materialfragmenten, die von innen beleuchtet werden. Zu Gehrys populärsten Entwürfen gehört die Stuhlserie "Powerplay" aus gebogenen Holzfurnierstreifen (1992) für Knoll, die bereits vor ihrer Markteinführung mit einer Ausstellung im New Yorker Museum of Modern Art gewürdigt wurde.
……………………………………………………………….Gehry war der Sohn von Irving und Thelma Goldberg, deren Eltern als Immigranten jüdisch-polnischer Herkunft ins Land kamen. Sein Vater betrieb bis zum staatlichen Verbot den Verkauf von …………………………………………………………….Glücksspielmaschinen an die Bars in der Umgebung von Timmins im östlichen Ontario, das damals eine Goldgräberstadt war.[5] Aus Abfällen des großväterlichen Eisen- und Haushaltswarenladens bastelte er als Junge seine ersten Häuser und Städte zusammen.[5] Charakteristisch für Gehry sind seitdem abgewinkelte Ebenen, kippende Räume, umgekehrte Formen und eine gebrochene Geometrie. Beispiele sind der Pappsessel "Little Beaver" (1989) für Vitra oder die Serie "Easy Edges" (1971-1972) für Cheru Enterprises. Vitra legte 1992 vier Modelle in einer Reedition neu auf: den "Side Chair", den "Dining Table" und das in drei Größen erhältliche, ineinander stapelbare "Low Table Set".An der University of Southern California (USC) in Los Angeles studierte Gehry Architektur bis 1954, sein Studium finanzierte er sich als Lkw-Fahrer.[5] Lehrer war unter anderem Gregory Ain.[6]

………………………………………….Gehry entwarf einige der phantasievollsten Gebäude, die je gebaut wurden, und erlangte ein Maß an Anerkennung, die nur selten einem Architekten zuteil wird.

Seine

erste

Frau

Anita

war

unglücklich

mit seinem

Nachnamen und

schlug ihm daher gemeinsam mit ihrer Mutter 1954 vor, Goldberg in den weniger offensichtlich jüdischen Namen Gehry zu ändern, was er umgehend tat. Danach nahm er ein Zweitstudium für Stadtplanung an der Harvard Graduate School of Design auf. Ab

1962 betrieb er ein Architekturbüro in Los Angeles unter dem Namen Gehry Partners, LLP. Während der ersten Ehe (die 1968 geschieden wurde) bekam das Paar zwei Töchter.

Auf Drängen von Mark Zuckerberg, dem Vorstandsvorsitzenden von Facebook, entwarf er zudem eine Erweiterung des nordkalifornischen Hauptsitzes des Unternehmens.

Ab 1975 war Gehry mit der Panamaerin Berta Isabel Aguilera verheiratet.[7] Er hatte mit ihr zwei Söhne. Nach der Geburt ihres ersten Sohnes zog die Familie in ein größeres Haus aus den 1920er Jahren. Seine Frau ermutigte ihn, ihr Wohnhaus in Santa Monica (in dem sie bis zu seinem Tod wohnten) nach seinen Vorstellungen kühn umzugestalten und zu erweitern. 1980 wurde das Gebäude vom American Institute of Architects (AIA) ausgezeichnet.[8]

Der weltberühmte kanadisch-amerikanische Architekt und Designer Frank Gehry ist im Alter von 96 Jahren nach einer kurzen Atemwegserkrankung gestorben. Er verstarb am Freitag in seinem Haus in Santa Monica, Kalifornien, sagte Meaghan Lloyd, Leiterin des Büros Gehry Partners LLP.

Seine Faszination für die moderne Pop-Art führte zu unverwechselbaren, markanten Gebäuden. Zu seinen zahlreichen Meisterwerken zählen das Guggenheim-Museum im spanischen Bilbao, die Walt Disney Concert Hall in Los Angeles und das Berliner DZ-Bank-Gebäude.

 

 

Freitag, 5. Dezember 2025

Das leidige Thema Alterskontrolle


Liebe Leserinnen und Leser
Wir machen heute ein kleines Quiz:

- In welchem Winkel stehen die Zeiger der Uhr bei 12.15?
- Wie geht der Satz weiter «Klimbim ist unser Leben, und ist es mal nicht wahr…»
- Warum ist es witzig, wenn ein Arzt Dr. Brinkmann heisst?
- Was war auf der Hardthöhe?
- Was machte Rolf Kauka?
- Welches Datum hatte der «Tag der Deutschen Einheit»?

Nun, das ist jetzt nicht einfach ein Quiz. Es ist ein Quiz zur Altersermittlung, wenn Sie alle Fragen wissen, sind Sie auf jeden Fall über 18 – mehr noch, Sie sind ziemlich alt. Die Dienstag-Freitag-Glosse hat sich ob einiger doch heikler Inhalte verpflichtet, bei der FSK mitzumachen und nur noch Leserinnen und Leser über 18 zuzulassen.

Immer wieder hört man ja, dass Politikerinnen und Politiker an Altersgrenzen herumschrauben. Soll die Altersgrenze für Bier auf 18 raufgehen? Sollte man Tabak erst mit 21 kaufen dürfen? Sollte TikTok ab 14 sei? Oder ab 16/18/20 oder sollte man es gleich verbieten? Ab wann sollte man in ein Pornokino dürfen?
Und immer wieder klingt die Parole BIER ERST MIT 18 wie das Nonplusultra des Jugendschutzes, das Ei des Kolumbus, der Stein der Weisen.

Die Sache ist aber die: Jedes Gesetz ist so gut wie seine Durchführung, und jeder Jugendschutz ist so gut wie seine Kontrolle.
Und hier versagen alle Systeme meist vollständig.

Ein Bubenchor hatte einen netten Apéro nach einem Auftritt, die Dame, die Wein und Sekt ausschenkte, fragte die ersten Sänger nach einem Ausweis. Die waren aber beide Mitte 20, auf jeden Fall sichtbar über 18 und entsprechend angesäuert. Nachdem diese ihren Unmut geäussert hatten, prüfte die Dame gar nicht mehr – und gab den Chianti und den Riesling auch an Sänger, die ihr Glas Wein hörbar noch mit Bubenstimme verlangten.

Aber auch wenn das System der Kontrolle funktioniert, kann man nicht verhindern, dass «weitergegeben» wird. Der Kassierer bei COOP oder der MIGROS kann sich nicht darum kümmern, was mit den 30 Dosen Bier passiert, die der 18jährige kauft. Es ist zwar klar, dass er die nicht alleine trinkt, und man sieht auch, dass vor Türe Kids warten, aber hier einzuschreiten, das kann man von keinem verlangen.

Im Internet ist die ganze Sache noch heikler. Wie soll ich herausfinden, ob der junge Mann, der bei der Seite «Grosse Titten – grosse Mösen» seinen Ausweis einscannt, auch selber am Bildschirm sitzen bleibt oder ob er seinen kleinen Bruder den Screen überlässt? Abgesehen davon, dass natürlich ein eingescannter Ausweis 100x – 200x bearbeitet sein kann.

Neuerdings testet man KI. Aber wie das noch in den Kinderschuhen steckt, hat man neulich gesehen: Ein 14jähriger zog sich den Scheitel ein wenig seriöser, klebte sich einen Schnauz an und trug eine Krawatte, die Kamera nahm ihn auf und die KI gab sein Alter als 30 – 40 an. Obwohl ein Blinder sah, dass der Bart ein Fake ist…

Immer wieder hört man ja, dass Politikerinnen und Politiker an Altersgrenzen herumschrauben. Immer wieder klingt die Parole TABAK ERST MIT 20 wie das Nonplusultra des Jugendschutzes, das Ei des Kolumbus, der Stein der Weisen.
Das Problem ist aber die Kontrolle.

So viel für heute.

Ach so, die Antworten (wenn Sie ein Youngster sind)
- 82,5°
- …dann mach ich mir `nen Schlitz ins Kleid und find es wunderbar.
- Dr. Brinkmann hiess der Leiter der «Schwarzwaldklinik» in der ZDF-Soap
- das Verteidigungsministerium (in Bonn)
- Fix und Foxi
- 17. Juni



Dienstag, 2. Dezember 2025

Die Bastion der Lateiner ist gefallen! (Vatikan gibt Latein als erste Amtssprache auf)

Salvete, lectores columnae Martis-Veneris.

Das heisst (für Nichthumanisten) «Seid gegrüsst, Leser der Dienstag-Freitag-Glosse». Es geht heute nämlich um Latein, und das hat einen Grund: Unsere letzte Bastion ist gefallen. Der Vatikan verzichtet.

Ich habe mit dem Latein eine lange Geschichte. Ich habe Ihnen am 25. 3. dieses Jahres davon erzählt:
Ich habe meine Lateinkenntnisse bei Prof. Dr. Werner Stegmaier erworben. Später Ordinarius in Greifswald, war er in 70ern und 80ern Lehrer am Wagenburg-Gymnasium in Stuttgart. (Erfinde ich jetzt nicht, Sie können ihn googeln und er hat auch einen Wikipedia-Eintrag…)
Es gehört übrigens zu den Merkwürdigkeiten meiner Laufbahn, dass ich am mathematisch-naturwissenschaftlichen Wagenburg den besten Lateinunterricht erhielt, aber eine katastrophale Matheausbildung, und dass es sich dann am altsprachlichen Eberhard-Ludwigs-Gymnasium umdrehte, den besten Matheunterricht der ganzen Stadt und in Latein eine totale Pfeife als Lehrer.

Wie ging es dann weiter?
Nun, Latein wurde mein Wissenschaftliches Beifach an der Uni, ich habe also neben Schulmusik an der Musikhochschule auch Klassische Philologie des Lateinischen an der Albert-Ludwigs-Universität studiert. Und mir wurde einmal eine riesengrosse Ehre zuteil: Im Jahre 1991durfte ich beim «Colloquium Rhenanum», beim Treffen der Freiburger und Strassburger Latinisten den Vortrag der deutschen Seite halten (über die Phaedrus-Fabel III/7 «lupus ad canem»), eine Ehre, die sonst Nebenfächlern nicht zusteht…

In Diskussionen mit Menschen, die dem Latein ein wenig kritisch gegenüberstehen, die meine Studien belächelten, die meinten, es sei ja eine tote Sprache, die es für überflüssig halten, in diesen Diskussionen konnte man nun immer ein Schild hochhalten:
Den Vatikan.
Jener kleine Staat, in dem die Amtssprache das Latein sei, der Latein schreibt und redet und denkt, und der sogar neue Wörter erfindet. Ja! Echt! Schauen sie einmal her:
De sociali quaestione universali agitur, quae humanae vitae dignitati arcte coniungitur. Foederatarum Civitatum Americae Septentrionalis Episcopi socialem nostrae sollicitudinis de caeli status mutatione sensum optime significaverunt, qui tractationem oecologicam tantum praetergreditur, quandoquidem «nostra alterius cura itemque nostra terrae cura penitus nectuntur.
Heisst auf Deutsch:
Es ist ein globales soziales Problem, das eng mit der Würde des menschlichen Lebens zusammenhängt. Die Bischöfe der Vereinigten Staaten haben den sozialen Sinn unserer Sorge um den Klimawandel, der über einen rein ökologischen Ansatz hinausgeht, sehr gut zum Ausdruck gebracht, denn »unsere Sorge füreinander und unsere Sorge für die Erde sind eng miteinander verbunden.
(aus dem Schreiben «Laudate Deum»)

Und nun das:
Der Vatikan, der Sehnsuchtsort der Latinisten, die Bastion in der englischdominierten Welt, das kleine gallische Dorf, die letzte Zufluchtsstätte, dieser Vatikan hat kapituliert.
Die Kurie gibt Latein als erste Amtssprache auf.

Aber ich muss mich ja an die eigene Nase fassen: Mein Latein ist ja auch ziemlich am Ende. Da ich nie an einem BW-Gymnasium unterrichtete, habe ich mein Latein vernachlässigt, ich könnte die meisten Texte heute nicht mehr a prima vista übersetzen. Und das ist im Vatikan eben auch so, viele Leute reden eben doch Englisch miteinander. Der Papst hat nur reagiert, reagiert auf das, was eh Tatsache ist.
Schade ist es doch.

Valete, lectores columnae Martis-Veneris!





Freitag, 28. November 2025

Der schwimmende (im Wasser stehende) Spinnenmann

Jeder in B. kennt ihn: Den Hallenbad-Spinnenmann. Den schwimmenden Nichtschwimmer. Den Stehschwimmer. Den Tiefgraber.

Der Gute ist jeden Tag im Hallenbad, mal am Morgen, mal am Mittag und mal (leider) zur Stosszeit um 17.00.
Er ist ca. 75 Jahre alt und klapperdürr mit langen Armen und Beinen (daher auch der Name «Spinnenmann»).
Das Besondere an ihm ist, dass er mit voller Wucht schwimmt, aber kaum einen Meter vorankommt. Er stösst seine Arme mit Kraft, und er bewegt seine Beine mit Kraft, mit viel Kraft, mit äusserster Kraft, mit extremer Kraft, aber alle seine Bewegungen gegen nach unten, vertikal, sodass der Zugewinn an Strecke praktisch gleich null ist. Er braucht für die Länge von 25 Metern – ungelogen! – 5 Minuten.

Jeder in B. kennt ihn: Den Hallenbad-Spinnenmann. Den schwimmenden Nichtschwimmer. Den Stehschwimmer. Den Tiefgraber. Den meistverhassten Besucher des Hallenbades in B.

Es gibt laufend Beschwerden über ihn, denn er ist wirklich im Weg. Vor allem natürlich zu Zeiten, an denen das Bad voll ist – wie eben zwischen 17.00 und 18.00, wenn alle Bürogummis und Sachbearbeiter, wenn alle Versicherungsangestellten und alle Sekretäre aus den Offices strömen, um ihren Feierabend mit einem erholsamen Schwimmen einzuläuten.

Aber was kann man ihm sagen? Kann man ihm Hausverbot erteilen? Ihm bestimmte Zeiten zuteilen? Was soll der Bademeister sagen und machen? Die Schwierigkeit ist, dass der Spinnenmann seiner Meinung nach das tut, was man in einem Schwimmbad tun darf: Schwimmen. Nach der Meinung der anderen tut er eben das nicht. Natürlich darf man langsam schwimmen, aber wie langsam ist es noch «Schwimmen» und wann ist es «Stehen im Wasser»?
(Wikipedia, sonst so hilfreich, drückt sich um eine klare Definition…)

Jeder in B. kennt ihn: Den Hallenbad-Spinnenmann. Den schwimmenden Nichtschwimmer. Den Stehschwimmer. Den Tiefgraber. Den meistverhassten Besucher des Hallenbades in B. Das klapperdürre Männlein.

Vielleicht aber tun wir dem Manne unrecht.
Vielleicht ist das, was er macht, gar kein Sport, sondern eine Performance.
Seine sinnlose und ineffektive Kraftanstrengung symbolisiert ja in einer unglaublichen Weise viele Aspekte aus Gesellschaft und Politik:

Vielleicht will er die deutsche Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft darstellen, die sich abstrampelt und abmüht, die Geld in die Hand nimmt und Reformen beschliesst, die ackert und sich streitet und nochmal ackert und sich nochmal streitet und einfach nicht vom Fleck kommt.

Vielleicht will er die Klimakonferenzen darstellen, die in regelmässigen Abständen stattfinden und einen immensen Aufwand betreiben, nur um dann wieder festzustellen, dass man nicht vom Fleck gekommen ist.

Vielleicht will er die Kriegsgegner in der Welt symbolisieren, die Kriegsgegner, die nach 3 Jahren Kampf sich endlich an einen Verhandlungstisch setzen, um dann in 8 Wochen einen Waffenstillstand auszuhandeln, einen Waffenstillstand, der dann nach 24 Stunden schon wieder gebrochen wird.

Vielleicht…
Vielleicht…
Vielleicht…
Auf jeden Fall könnte der Mann ein Performer sein, ein Mensch in der Nachfolge Abramovics, Yoko Onos oder Nam June Paiks.

Jeder in B. kennt ihn: Den Hallenbad-Spinnenmann. Den schwimmenden Nichtschwimmer. Den Stehschwimmer. Den Tiefgraber.
Es gibt laufend Beschwerden über ihn, denn er ist wirklich im Weg.
Aber lasst ihn in Ruhe!
Der Mann ist Künstler.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dienstag, 25. November 2025

Ich bin Utopist - und das ist gut so.

Nach dem letzten Post haben mir viele geschrieben, dass ich ein Utopist sei. Und haben das Wort «Utopist» absolut negativ gemeint.

Dabei haben die lieben Leserinnen und Leser meine richtig utopischen Ideen noch gar nicht gelesen:
* Wir fragen jede Gemeinde und Region auf der Welt, zu welchem Staat sie gehören möchte.
* Wir fragen jeden Menschen auf der Welt, in welchem Staat er leben möchte.
* Weltraum und die Weltmeere gehören schon allen, nun wird auch alles, was tiefer als 500m im Boden liegt, der Weltgemeinschaft zur Verfügung gestellt.
(Die zweite Idee stammt übrigens gar nicht von mir, ich habe sie aus einem Programmheft des Theater Basel, weiss aber den Autor nicht mehr…)

Nach dem letzten Post haben mir viele geschrieben, dass ich ein Utopist sei. Und haben das Wort «Utopist» absolut negativ gemeint.

Natürlich ist das alles Utopie. Weiss ich. Weiss ich. Weiss ich. Weiss ich.
Aber – nun mal ganz ehrlich gesagt – sind nicht viele Dinge, die für uns heute total selbstverständlich und üblich und normal sind, eben genau das gewesen: Eine Utopie?
Da wären zu nennen:
* das Auto, die Eisenbahn, der Mondflug und Marsflug und Überhauptflug, die S- und U-Bahn und Schiene und Motor…
* die weltweite Kommunikation, das Telefon, das Handy, das Internet und so weiter…
* generell der elektrische Strom, die Elektronik und der Computer…
* der medizinische Fortschritt, die Möglichkeit, an TBC oder anderen Sachen nicht mehr zu sterben.
etc.
etc.

Nach dem letzten Post haben mir viele geschrieben, dass ich ein Utopist sei. Und haben das Wort «Utopist» absolut negativ gemeint.

Aber genauso im politischen und gesellschaftlichen Bereich haben wir heute viele Dinge, für die diejenigen, die sie vor 100 Jahren dachten und forderten als totale Utopisten beschimpft wurden:
Wir haben – bei allem Bashing und Daraufrumhacken – eine Organisation, in der alle Staaten der Welt zusammensitzen und reden und verhandeln, statt sich die Köpfe einzuschiessen und die Länder zu zerstören.
Wir haben mit dem Roten Kreuz eine Organisation, die sich weltweit um humanitäre und medizinische Belange kümmert, und die in allen Nationen geachtet und anerkannt ist.
Ein evangelischer Mann und eine katholische Frau können heutzutage heiraten, ohne dass sie enterbt und verstossen und aus der Familie verbannt wird.
Aber ich gehe noch weiter: Auch zwei Männer, zwei Frauen können heute zusammenleben und man darf sogar auch noch etwas «dazwischen» sein. Und dieses «Dazwischen» wurde ja schon vor 100 Jahren von Magnus Hirschfeld, der ja sicher unter die ganz grossen Utopisten zu rechnen ist.

«Seid realistisch – fordert das Unmögliche» so prangte es in den 70er Jahren von manchen Hauswänden. Und im wunderbaren Schweizer Film «Utopia Blues» wird gesungen

Vill z`lang hämmer gschwige

Vill z`lang hämmer gnickt
Vill z`lang hämmer das gmacht
Wo sich halt eso schickt
Doch jetzt wirds sich ändere
Ja jetzt boued mir
Es ganz nöis Läbe uf
Utopia isch nonig tot!
Utopia isch nonig tot!

Ja, Utopia ist noch nicht tot.
Nach dem letzten Post haben mir viele geschrieben, dass ich ein Utopist sei. Und haben das Wort «Utopist» absolut negativ gemeint.

Aber ich bin stolz drauf.

Freitag, 21. November 2025

Klima-Idee: Kein Reisen ohne Heimatkenntnis


Ich war neulich in Sankt Urban. St. Urban ist eine wundervolle barocke Klosteranlage mit einem weltkulturerbeverdächtigen Chorgestühl. Es war einer der letzten Abende des goldenen Oktobers, wir spazierten in der untergehenden Sonne, die das Gebäude in den herrlichsten Farben erstrahlen liess. Einfach klasse.
Ich war noch nie in St. Urban gewesen.

Dabei liegt St. Urban zwar im Kanton Luzern, aber ganz, ganz, ganz im Norden und ist mit einem Bähnlein in 10 Minuten von Langenthal zu erreichen. Langenthal wiederum ist praktisch neben Olten und Olten ist keine halbe Stunde von Basel entfernt. Also in einem Satz: Das ist nicht weit.

Meine Patentante Pauline («Päule») – Gott habe sie selig – hätte dafür kein Verständnis gehabt. Sie war praktisch nie aus ihrem Dorf in der Zollernalb herausgekommen, ein paar Mal Stuttgart bei uns und einmal Paris mit dem Kirchenchor ausgenommen («Was soll ich woanders? Hier ist es am schönsten!»), aber die Dinge der Umgebung kannte sie.

Sie war nie in den Barockkirchen in Oberösterreich oder in Rom, aber die Wallfahrtskirche St. Anna in Haigerloch, immerhin doch auch eines der schönsten deutschen Barockmonumente, die kannte sie in- und auswendig.
Sie war nie in Potsdam und kannte Sanssouci nicht, wohl aber die Stammburg der Hohenzollern, schliesslich gibt die imposante Anlage dem Kreis um Balingen ja den Namen.
Sie hat nie den Schäfern auf Kreta oder in den Highlands, nie den Schafhütern in Syrien oder Palästina zugeschaut oder sie beobachtet, warum auch, Schäfer bevölkerten früher auch die Schwäbische Alb. (Und gaben ihr ihr typisches Aussehen, denn die Schafe verschmähten den ultralangsamwachsenden Wacholder, frassen aber das Gras drum herum…)

Warum reisen wir immer in Ferne? In die Ferne, um dann dort das toll zu finden, was wir daheim vor der Nase haben?
Meine Jungs sind auf jeder Tournee hin und weg von Tropfsteinhöhlen, von den Stalagmiten und Stalaktiten, sie staunen und staunen, aber KEINER von ihnen war je in der Erdmannshöhle – und die liegt in Schopfheim, also nur einen Katzensprung von Basel entfernt (wenn auch im Ausland).

Warum in die Ferne schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.

So schreibt der Geheimrat – nein, schreibt er nicht, bei Goethe heisst es in Wirklichkeit:

Willst Du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen,
Denn das Glück ist immer da.

Aber macht nix. Stimmen tut es doch.
Denn nur, wenn man das Nahe kennt, dann merkt man den Unterschied, natürlich gibt es Berge und Schluchten in Übersee und Flüsse und Vulkane, gibt es dort Wüsten und Steppen, die wirklich einmalig sind, aber diese Einmaligkeit sieht man ja nur, wenn man es mit dem daheim vergleichen kann.

Daraus entwickle ich nun eine Forderung, eine Forderung, die alle Klimaprobleme beendet und allen CO2-Ausstoss gegen Null wandern lässt:

KEIN MENSCH DARF MEHR REISEN, DER SEINE NÄCHSTE UMGEBUNG NICHT EINGEHEND BESUCHT UND ERKUNDET HAT. DIESE KENNTNIS WIRD BEI JEDEM TICKETKAUF ÜBERPRÜFT.

Sie wollen ins Disneyland, stammen aber aus Karlsruhe? Dann zeigen Sie bitte, dass Sie den Europa-Park mindestens 10x besucht haben, dann bekommen Sie einen Flug.
Sie wollen ins MoMa, um dort Warhol und Lichtenstein und Pollock und Rothko anzugucken? Weisen Sie nach, dass Sie alle Post-war-Bilder im Umkreis von 100 Kilometern gesehen haben (die meisten Museen haben ein Bild dieser Meister).
Sie wollen einen Canyon in Thailand? Erst einmal in die Wutachschlucht. Oder in die Via Mala, oder an die Teufelsbrücke.

Ich war neulich in Sankt Urban. St. Urban ist eine wundervolle barocke Klosteranlage mit einem weltkulturerbeverdächtigen Chorgestühl. Es war einer der letzten Abende des goldenen Oktobers, wir spazierten in der untergehenden Sonne, die das Gebäude in den herrlichsten Farben erstrahlen liess. Einfach klasse.

Und es gibt noch viel, viel, viel, viel in der Nähe zu sehen.