Dienstag, 29. September 2015

Winterkorn TUT ES LEID

Mein Grossvater arbeitete bei der Reichsbank. Wie alle, die nicht in einer Bankfiliale, sondern bei einer Zentralbank, bei der Bundesbank, bei der Reichsbank, bei der EZB, also nicht am Schalter und der Kasse, sondern im Büro schaffen, hatte er nicht permanent mit echtem Geld zu tun. Er verschob, kaufte und verkaufte, er registrierte und verteilte zwar Geld, aber das meiste eben auf dem Papier. Die Möglichkeit, echtes Geld in die eigene Tasche zu stecken, war also gering. Wenn aber – und das geschah doch auch immer wieder – doch echtes Geld im Spiele war, war es viel, war es sehr viel. Eine heikle Sache ist z.B. die Vernichtung von abgelaufenen, von ungültigen Geldscheinen, die durch neue ersetzt werden sollen. Hier kann ein labiler Charakter ins Wanken kommen. Mein Opa war nun ein stabiler Charakter, aber ein Kollege von ihm erlag der Versuchung und schaffte 10.000 RM auf die Seite, er machte - so sagten die Banker früher - „Tote wieder lebendig“.
Dummerweise wurde der gute Mann erwischt. Und dann tat er das Einzige, was in seinem Fall noch Sinn machte: Er stellte sich vor den Chef, die Polizei, vor den Staatsanwalt und die Öffentlichkeit und sagte die magischen Worte
ES TUT MIR LEID
Also, es sagte es nicht einfach so, er sagte es mit warmer, leidender Stimme, mit Tremolo und Tränchen im Auge, er sagte es mit weihevoller Reue und aufrichtiger Scham, er sagte es so, dass die Herzen schmelzen und die harten Sinne weich werden mussten, er sagte so schön
ES TUT MIT LEID
dass er sofort begnadigt wurde, freigesprochen, er wurde in den Ruhestand versetzt , ihm schon mit 45 Jahren seine erste Rente ausbezahlt und er lebte noch lange in Frieden.

Der erste Teil der Story ist wahr. Der zweite ist es nicht.
Wäre auch noch schöner. Ich baue so grob Scheisse (s.v.v.) und dann stelle ich mich hin und sage
ES TUT MIR LEID
?

Aber genau das hat der werte Herr Winterkorn jetzt getan. Er hat
ES TUT MIR LEID
gesagt.  Also, es sagte es nicht einfach so, er sagte es mit warmer, leidender Stimme, mit Tremolo und Tränchen im Auge, er sagte es mit weihevoller Reue und aufrichtiger Scham, er sagte es so, dass die Herzen schmelzen und die harten Sinne weich werden mussten, er sagte
ES TUT MIT LEID
und dann trat er zurück und bekommt ein paar Milliönchen Pension.

Sind wir eigentlich noch ganz bei Trost? 
Lassen wir diesen Halunken wirklich springen? 
Der Opakollege hatte etwas Schlimmes gemacht, aber er hatte dennoch nur die Inflation angetrieben. Winti hat einen gesunden Konzern an die Wand gefahren, er hat die VW-Aktie in den Marianengraben gesenkt, er hat dem DAX einen 9/11 beschert und made in Germany wieder zu dem gemacht, was es einmal war: Der Hinweis auf einem Makel. (Als England Ende des vorletzten Jahrhunderts die Länderkennzeichnung einführte, bedeutete made in Germany nämlich noch, dass das Produkt eine billige Imitation vom Festland und nicht ein qualitativ hochwertiges britisches Produkt war.)
Lassen wir Winti wirklich mit einem
ES TUT MIR LEID
gehen?

Was tut ihm eigentlich leid? Dass er so viel Mist gebaut hat – dass er von der Sache nichts wusste, was er sagt, dass glaubt sowieso kein Mensch – und so grossen Schaden angerichtet hat? Oder tat ihm leid, dass er erwischt wurde? Dass man die Manipulation gemerkt hat? Was bedeutet das
ES TUT MIR LEID
?

Der Kollege meines Opas kam natürlich sofort in U-Haft. Und das war 1930 eine relativ unschöne Sache: Enge Zellen, feucht, stinkend und kalt. Und in dieser U-Haft schaffte er es, sich das Leben zu nehmen. Durch diesen Trick, Suizid VOR der Verurteilung rettete er für seine Familie die Pension.

Winti muss sich nicht unbedingt umbringen.
Aber er sollte in den Knast.
Ich kann es nicht netter sagen,
TUT MIR LEID.




Freitag, 25. September 2015

Wer bin ich? Wir sind alle ein bisschen Bluna.

Beim so genannten post it-Spiel bekommen die Teilnehmer eines dieser gelben Klebezettelchen auf die Stirne gepinnt und müssen herausfinden, wer sie sind. Dabei dürfen nur Fragen gestellt werden, die mit JA oder NEIN zu beantworten sind, wie z.B. „Bin ich ein Mann?“, „Bin ich berühmt?“ „Bin ich tot?" oder „Bin ich ein Deutscher?“ Das Spiel ist eine philosophisch heikle Sache, da es die Menschen in den Glauben irreführt, die entscheidende Frage nach dem Sein liesse sich durch Ja-Nein-Entscheidungen herbeizaubern. Die entscheidende Frage nach dem Sein beruht ja gerade auf Ja-Jein-Nein-Ichweissnicht-Konstellationen.

Klarere Fronten herrschen da beim App-Spiel AKINATOR. Hier denken Sie sich eine Figur aus und die Maschine fragt danach. Während beim post it-Spiel man schnell weiterkommt, wenn man gezielt einkreist, also z.B. erst Kontinent, dann Land, dann Region, dann Stadt, fängt der AKINATOR, gezeichnet als kitschiger „Geist aus der Flasche“, irgendwo an und fragt dann in wildesten Sprüngen. Er hat nämlich einen Algorhythmus, der sich merkt, wie Fragen in der Vergangenheit mit anderen Fragen zusammenhingen.  Im obigen Beispiel käme, hätte man Mann, berühmt, Deutscher und tot jeweils mit ja beantwortet auf jeden Fall die Frage: „Hat Ihre Figur Juden vernichtet?“ Akilein unterstellt hier nicht allen Deutschen, Antisemiten zu sein, nein, die Kombi tot/deutsch/Mann/berühmt kam halt am meisten bei Hitler vor, der wird nämlich ständig von irgendwelchen Deppen eingegeben. Oder steckt doch mehr Weisheit in der Maschine?

Wer bin ich? Wer sind wir?
Die entscheidende Frage unseres Lebens, immer wieder gestellt, immer wieder diskutiert und eigentlich nicht wirklich beantwortet.

Wer bin ich? Wer sind wir?
Hielt und hält man die Augen offen, bekam und bekommt man eine Fülle von Antworten geliefert, die einen aber meistens in ein gewisses Erstaunen versetzten und versetzen.

DU BIST DEUTSCHLAND
prangte es vor etlichen Jahren von den Plakatwänden zwischen Flensburg und Garmisch. Sorry? Ich bin schon das ganze Land? Und mein Kumpel Pit ist dann Dänemark und Heiko ist Japan? Spielen wir gerade RISIKO? Ausserdem wurde das Plakat auch von Türkischen Einwanderern, Afrikanischen Asylbewerbern und Chinesischen Touristen gelesen. Alle waren Deutschland, wobei es mich für die beiden ersten Gruppen ja freute.
Nein, als Komplettlösung war der Slogan nicht ganz brauchbar.

ICH BIN VAUDOISE
ICH BIN ZYTGLOGGE
Gut und schön, es wäre zwar toll eine ganze Versicherung zu sein – her mit der Kohle – aber auch das ist nicht die Antwort, und eine Haltestelle – der Spruch entstammt nämlich einer Kampagne des libero, des Bernisch-Solothurnischen Verkehrsverbundes – will ich schon gar nicht sein. Ich möchte nicht, dass man auf mir herumtrampelt, mich mit Füssen tritt, nur bei mir ist, weil man von mir weg will und mich zum Ein- und Aussteigen benutzt.

SIND WIR NICHT ALLE EIN BISSCHEN BLUNA?
Das allerdings gefiel mir, ich bin gelb, fruchtig, süss und unglaublich sprudelnd, sprudelnd vor Witz und Charme und sprudelnd vor Intelligenz und Kreativität. Entscheidend ist aber das BISSCHEN, wir sind alle ein bisschen fruchtig und ein bisschen süss, und daher auch ein bisschen herb und ein bisschen bitter.
Vielleicht liegt aber die Lösung in der Kombination:

Ich bin Zyglogge, du bist Deutschland und wir sind alle ein bisschen Bluna.
Ich bin Rübe, du bist Sahne und wir sind alle ein bisschen Suppe.
Ich bin Bein, du bist Schulter und wir sind alle ein bisschen Topmodel.
Ich bin Chinese, du bist Türke und wir sind alle ein bisschen Migration.
Ich bin hier, du bist da und wir sind alle ein bisschen Haltestelle.

Wer sind wir? Wer bin ich?
Fest steht, die Fragen sind heikel und postit, AKINATOR und Werbeagenturen haben noch nicht die entscheidenden Antworten. Fest steht aber auch, dass postit, AKINATOR und Werbung mehr Spass machen als Sartre, Heidegger und Kant – die ja die wirkliche Lösung auch noch nicht fanden…

Lassen wir doch zum Schluss Tom Tykwer sprechen: In seinem unnachahmlichen Film Lola rennt fährt zu Beginn die Kamera über eine Menschenmenge und zoomt immer wieder auf Einzelne. Dazu philosophiert eine Off-Stimme über den Menschen und das Menschsein, bis Armin Rohde die klärenden Worte spricht:

Ball is rund, Spiel jeht 90 Minuten.
Alles andre is Theorie…  

Montag, 21. September 2015

Asyldrama - ein Gesellschaftsspiel für jeden

Asyldrama® – ein Spiel für die ganze Familie

Asyldrama® ist das neue Spiel von FRIEDRICHSHAFENER®, mit dem man nicht nur eine Menge Spass hat, sondern auch entscheidende Dinge über die Welt und die Menschen lernt. Schon nach ein paar Runden Asyldrama® kennt der junge Mensch nicht nur den Balkan in- und auswendig, sondern auch die politischen Winkelzüge.

4-6 Spielerinnen und Spieler

Inhalt: 1 Spielbrett (Karte Südosteuropa), 50 Flüchtlingskarten (a 1000, 2000 und 5000 Flüchtlinge), 120 Bewegungskarten, 40 Ereigniskarten, 1 Würfel mit Zahlen, 1 Würfel mit Aktionen, 60 Zaunmodule, 6 Länderkarten

Ziel des Spieles: Das Ziel des Spieles ist es, möglichst viele Asylanten entweder vom eigenen Land abzuwehren oder in ein Nachbarland zu verschieben. Gewonnen hat, wessen Land keine Flüchtlinge mehr aufweist.

Spielvorbereitung: Jede(r) Spieler(in) zieht verdeckt eine Länderkarte. (Achtung bei 4 oder 5 Personen darauf schauen, dass die Länder gemeinsame Grenzen haben)
Darauf erhält jede(r) 40.000 Flüchtlinge, 20 Bewegungskarten und 10 Zaunmodule.

Es wird im Uhrzeigersinn gespielt. Der/die Jüngste beginnt.
Ein Spielzug gestaltet sich folgendermassen: Man würfelt mit dem Aktionenwürfel eine Aktion aus. Dann würfelt man mit dem Zahlenwürfel eine Anzahl und führt die Handlung aus.
Hier eine Übersicht:

Symbole auf dem Würfel (je 2x)
Aktion
Zaun
Gemäss der gewürfelten Zahl X dürfen an einer beliebigen Grenze X Zaunmodule aufgebaut oder verschoben werden, allerdings alle am Stück.
Eisenbahn
Gemäss der gewürfelten Zahl X dürfen unter Einsatz der Bewegungskarten Xtausend Flüchtlinge in Richtung oder ins Nachbarland verschoben werden. An der Stelle, wo die Strecke das Nachbarland trifft, darf aber kein Zaun stehen.
Ausrufezeichen
Ereigniskarte ziehen (s.u.) und die Handlung durchführen.
KEINE ZAHL WÜRFELN!

Ereigniskarten:

Die Ereigniskarten teilen sich in vier Kategorien auf:
a) Flüchtlingsaufnahme: Durch verschiedene dumme Zufälle sind weitere Asylanten ins Land geraten. Der/die Spieler(in) muss entsprechend viele Asylantenkarten neu aufnehmen.
b) Zaunzerstörungskarten: Flüchtlinge haben den Zaun an einer Stelle kaputtgemacht. Er/sie muss Zaunmodule entfernen
c) Asylanten sind getötet worden. (Totgetrampelt, aus dem Zug gefallen, durch Nazis etc.) Man darf die entsprechende Menge an Karten wieder auf den Stapel legen.
d) Es kommt zu Geldknappheit, Regierungskrise oder einer internationalen Konferenz. Der/die Spieler(in) muss 1-2 Runden aussetzen.

Und nun viel Spass bei Asyldrama®, dem neuen Spiel der FRIEDRICHSHAFENER®
Ein spannendes und lehrreiches Spiel für die ganze Familie.

Freitag, 18. September 2015

Nachträglich: Gratulation, Lisbeth!!!


Lisbeth, du altes Haus!

Du hast es geschafft! Du hast die alte Victoria überrundet und den neuen Sesselkleberrekord aufgestellt! Pardon: Thronkleberrekord. So lange wie du war noch kein Englischer König, keine Britische Monarchin im Amt.
Wir spielen – nachträglich, sorry, Mam – das Trumpet Voluntary für dich:
Daa daa dada di dam dam…

Nochmals Entschuldigung, wir sind zu spät dran, aber sicher hast du viele Gratulationen erhalten, und sicher viele von deinen Freunden der ISCS, der International Society of Chair Stickers, die ja immerhin Leute wie Helmut Kohl, Helmut Rilling beheimatet, ja, und Johannes Paul II war auch dabei, aber der konnte dir nur von Wolke 67 gratulieren.
Ja, nun hast du es geschafft, 63 Jahre und weit über 216 Tage bist du auf dem Thron, während die olle Vicky es eben nur auf 63 Jahre und 216 Tage brachte.
Ein Rule Britannia für dich:
Rule, Britannia! Britannia rule the waves…

Erinnerst du dich eigentlich an deinen Besuch in Baden-Württemberg 1965? Als du, pferdemanisch wie du bist, in das Landesgestüt Marbach bei Urach wolltest und nur „Marbach“ geschrieben hattest und man dich durch die Schillerstadt führte und du nach 2 Stunden Geburtshaus, Archiv und Glocke und Räuber die Worte sprachst: „Very nice, but where are the horses?“ Erinnerst du dich daran, dass du die Schwarenbergstrasse in Stuttgart hochfuhrst und dir von einem Fenster ein unglaublich hübscher, ja fast adonishafter Knabe zuwinkte? Ja?
Das war ich, Lizzy, das war ich, ich der dir heute das Trio von Pomp and Circumstance anstimmt:
Land ohof Hope and Gloooohohohory…

Jetzt aber mal noch ein ernstes Wort:
Wie lange willst du eigentlich auf deinem Thron noch kleben? Guck mal, als du den Thron bestiegst, da war in den Niederlanden noch die olle Juliana am Ruder, und die gab die Krone an ihre Tochter Bea weiter, das war 1980, und jetzt regiert schon der Sohn mit seiner Maximalen Gattin, und auch er wird irgendwann seinem Sohn das Zepter geben, und wahrscheinlich bist du dann ca. 115 und regierst immer noch.
Klar, wir wissen, du willst nicht, dass Charliemann King wird, der müsste verzichten, dann würdest du sofort abdanken und William bestiege den Thron. Aber du hast doch sicher Shakespeare gelesen? Erinnere dich, wie elegant und einfach das bei Henry III, IV und X, bei Richard VI, VII und XV funktionierte. Hast du dir nie überlegt, warum Heinrich und Richard, III, IV, V oder auch X und XII eben keine 63 Jahre auf dem Thron waren? Eben, weil man da nachgeholfen hat. Gut, in der Guten Alten Zeit stand der King über dem Law, aber man muss sich ja nicht erwischen lassen.
Stelle dir vor, Charlies Ross scheut und wirft ihn ab und trampelt über ihn drüber. Niemand wird die zwei schwarzgekleideten Männer gesehen haben, die das Pferd erschreckten. Und niemand wird die Verbindung über 15 Ecken der zwei Blackman zu dir nachvollziehen können.

Stelle dir vor, der Skisesselliftbügel kracht einmal und Charles kracht ziemlich unsanft in die weissverschneite Schlucht. Auch hier wird niemand die zwei Schwarzen gesehen haben, die am Abend vorher ein bisschen an der Halterung rumgeschraubt haben. Und auch hier wird niemand auf dich kommen.

Stelle dir vor, eine OP verläuft wegen Komplikationen letal, und wieder weiss niemand, dass die beiden Aushilfs-OP-Pfleger unter ihrem Grünkittel eigentlich schwarz tragen. Und niemand wird draufkommen, dass sie die Söhne des Cousins der Frau des Butlers von Lord Malcom sind, der als Sekretär für den Obermeister deiner Mutter gearbeitet hat…
So hat man es früher gemacht.
So sind Henry III, IV und XX, Richard II, IX und XI auf den Thron (und auch wieder runter davon) gekommen.
Schlag nach bei Shakespeare!

So, aber das ist deine Entscheidung. Vielleicht wirst du ja 110 und überlebst deinen Sohn, wer weiss. Deine Mutter wurde ja auch steinalt. Aber dann musst du jetzt auch zu dem Mittel greifen, das Queen Elizabeth The Queen Mum so lange leben liess:
Gin.
Mehr Gin trinken.

In diesem Sinne: 
Wir stehen jetzt auf. 
(Die Leser ausserhalb des UK. Die Briten stehen schon seit Rule Britannia.)
Da – da – da – daaaa – dam – da
Da – da – da – daaaa – dam – da
Didada – dam – dada - daaaaaa

Montag, 14. September 2015

Robotik III: Der Notizroboter

Da der Writing Robot WR 3p293746ss erst 2017 auf den Markt kommt, ich aber vor allem bei einer Sache Hilfe benötige, nämlich beim ständigen Verfassen von Texten, von Klausuren, Arbeitsblättern und Skripten, von Posts und Protokollen und Probenplänen, habe ich mir den von Kushimoto im letzten Jahr entwickelten Notizroboter NR 7d325765qq zugelegt.

Der NR 7d325765qq watschelt den ganzen Tag neben einem her und notiert, d.h. er hat ein zu 100% funktionierendes Spracherkennungsprogramm und wandelt dann die Sounddateien permanent in Textdateien um. Am Abend druckt er einem die Elogen eines Tages aus und überreicht sie feierlich, wodurch kein Bonmot, kein guter Satz, keine Formulierung, keine Idee verloren geht. Man ist durch den NR 7d325765qq in der gleichen Lage wie die Fürsten und Könige vergangener Zeiten, die ja auch ihre Permanentschreiber hatten, praktisch für die, die wie z.B. Carolus Magnus illiterat waren. Der Noticing Robot ist also der Eckermann unter den Maschinen.

Ich verbringe den ersten Tag mit meinem Notizdiener. Gut, es ist ein wenig gewöhnungsbedürftig, wenn die ganze Zeit so ein Blechkasten neben einem sitzt, steht oder läuft, es ist ein wenig gewöhnungsbedürftig, wenn man keinen Schritt machen kann, ohne dass das Ding neben einem watschelt, auch meine Schüler müssen sich erst an NR 7d325765qq gewöhnen, finden ihn aber dann „saucool“ oder „saugeil“. Am Abend bekomme ich ein 65 Seiten umfassendes Dossier. Wild stürze ich mich auf meine Ergüsse und bin so enttäuscht, dass ich den ganzen Sermon sofort entsorge: Ich habe praktisch nur Stuss geredet. Ich hatte gar nicht geahnt, welche Flut von Blödsinn, von Widersinn und Trash, welche Masse von geballtem Nonsens meine armen Eleven jeden Tag ertragen müssen. (Max Reger kommt mir in den Sinn, der einmal gesagt haben soll: „Die Stunde, die ich jetzt geben werde, möchte ich nicht bekommen.“)

Den zweiten Tag ändere ich meine Strategie: NR 7d325765qq wird nur noch angeschaltet, wenn ich wirklich etwas Hörens- und Lesenswertes zum Besten gebe, der Quatsch, den ich spontan während der Lektionen rede, fällt ebenso weg wie alle Äusserungen à la Einen doppelten Espresso bitte oder Entschuldigung, ich müsste mal durch, denn das hat das Kerlchen ja auch notiert, ganz zu schweigen von einseitigen Telefonmitschnitten. (Ja –Ja – Ja – Ja …).

Am Abend freue ich mich auf die nette böse Geschichte, die mir beim Lunch einfiel und die ich NR sofort diktiert hatte. Ich muss natürlich wissen, ob sie wirklich so gut ist, wie ich sie erinnere, vielleicht ist sie ja auch Trash wie die 65 Seiten vom Vortag. Ich lese:
Die Schwarzbäuerin trat an einem Sommermorgen …
Verdammt, da habe ich „aus“ gesagt, natürlich war der 7d325765qq so brav und hat sich abgeschaltet. Also keine Sätze mehr mit diesem Wort? Sicher nicht, stellen Sie sich vor, Paul Gerhard hätte so ein Teil gehabt, und das schöne Lied Geh aus, mein Herz und suche Freud wäre nie entstanden. Ich lese noch einmal die Gebrauchsanweisung und stelle fest, dass man Phantasiewörter eingeben kann. Gut, am nächsten Tag wird der NR bei Friebel angehen und sich bei Biff abschalten (Beide Wörter sind dem Jaberwocky aus Alice in Wonderland in der Übertragung von Christian Enzensberger entlehnt.)

Am Abend des dritten Tages halte ich nun 7 Seiten in der Hand, die ausschliesslich meine Bonmots, meine guten Formulierungen, meine lesenswerten Sätze, meine Ideen, Gedanken, mein Tageswerk enthalten.
Enthalten sollen!
Enthalten sollen!
Denn trotz strenger Auslese, trotz permanentem Friebel und Biff ist nichts darunter, was man wirklich aufgeschrieben hätte haben wollen.

Die Sache funktioniert nicht.
Ein guter Gedanke kommt zustande, indem man ihn im Hirn wälzt und ändert, ändert und wälzt und dann aufschreibt.
Ich frage mich allerdings, wieso sie beim Geheimrat geklappt hat. Oder war es vielleicht so, dass der gute Eckermann ein riesiges Schlitzohr war und beim angeblichen Notieren nur Luftbewegungen gemacht hat. Und dann Eigenes aufgeschrieben, und weil Goethe die ganze Zeit delirisch quasselte, dachte er 
Alles Vergängliche 
Ist nur ein Gleichnis
und 
Über allen Gipfeln ist Ruh
In allen Wipfeln spürest du
Kaum einen Hauch
sei von ihm. 

Also wird NR 7d325765qq entsorgt, wie auch seine Kollegen.
Vielleicht ist das eh Quatsch mit den Robots: Das wirklich Schöne will man ihnen nicht überlassen, Sachen wie Sex, Schwimmen, In-der-Sonne-Liegen, Waldspaziergänge und gutes Essen. Das wirklich Blöde KÖNNEN sie einem nicht abnehmen: Zahnarzt, EKGs, Operationen und Magenspiegelungen.
Der Rest, Dinge wie Putzen, Kommunikation, Blumen giessen und Fenster putzen kriegt man irgendwie hin.


Freitag, 11. September 2015

Robotik II: Security gegen Kitchen gegen Cleaning

Ich bin ein totaler Roboter-Freak. Mich fasziniert die Präzision und die Eleganz, mit der diese technischen Helferlein unser Leben bereichern, verschönern, uns helfen und dienen. Daher habe ich auch seit 2013 einen japanischen Putzroboter, den Cleaning Robot CR 7dd546309xx der Firma Kushimoto. Wenn Sie jetzt denken, dass sei so eine dicke Scheibe, die auf dem Boden herumkriecht und herumsaugt, und dreizehn Stunden Zeit benötigt, bis sie durch Zufall alle Staubflocken aufgelesen hat, dann täuschen sie sich gewaltig. Der CS 7dd546309xx hat den gesamten Grundriss, aber auch die dreidimensionalen Gegebenheiten meiner Wohnung einprogrammiert und kann alles, was eine gute Putzfrau (oder Putzmann) auch könnte: Er entstaubt nicht nur alle Böden, nein, er pflegt sie auch ein, er reinigt Küchenarbeitsflächen, Waschbecken, Toiletten und Kühlschränke, er kann Fenster putzen und Türen abwaschen. Seit ich ihn auf der CEBIT entdeckt und sofort bei Kushimoto bestellt habe, ist er aus meinem Haushalt nicht mehr wegzudenken.

Nun hatte ich neulich den schrecklichen Gedanken, bei mir könnte eingebrochen werden. Dieser Gedanke ist zwar eigentlich absurd, weil es bei mir nichts zu holen gibt, aber wissen das die Einbrecher? Dass alle meine Schubladen aufgerissen, meine Kleider durchwühlt, dass mein Sofa umgeworfen und die Bilder (Safe dahinter?) abgehängt werden könnten, raubte mir den Schlaf. Was mir den Schlaf wieder schenkte, war eine Mail von Kushimoto, die mir kündete, dass nun endlich der Sicherheitsroboter, der Security Robot SR 8ee672956yy auf dem Markt sei. Ich bestellte sofort.

Nun sass ich 2014 an einem lauen Abend im Gartenbereich meines Lieblingsitalieners da Luigi, als ich zwischen Antipasti misti und dem Primo (Linguine al Salmone) eine SMS von meinem SR bekam:
dieb gefasst
bitte um instruktionen
Ich überlegte kurz und schrieb zurück:
dieb gefasst halten
komme um 22.00
Wer Luigis Linguine al Salmone kennt, weiss, dass ich so handeln musste, zumal ja noch ein Secondo, sein unvergleichliches Pollo con Rosmarino, auf mich wartete. Leider kam es nicht dazu. Ich hatte gerade meine Nudeln mit Parmigiano bestreut, die Gabel  fast am Mund, da erschien eine zweite SMS auf dem Display meines Handys:
hilfe hilfe hilfe
SOS
bin bewegungsunfähig
Sie war von meinem CR. Mir schwante sehr Übles, so dass ich blutenden Herzens die Linguine stehen liess, das Pollo abbestellte und nervös und hungrig nach Hause eilte.

Dort bot sich mir das befürchtete Bild: Der SR 8ee672956yy sass rittlings auf dem CR 7dd546309xx. Fast sah es so aus, als hätten die beiden die Freuden des Analsexes entdeckt, aber das war ja schlechterdings unmöglich. Nein, Fakt war, dass der SR eine Bewegung gesehen hatte und den „Eindringling“ sofort dingfest gemacht hatte. Ich löste den Knoten, indem ich beide auf Standby schaltete und einen befreundeten Informatiker anrief. Vier Stunden lang probierten wir, dem SR die Existenz eines zweiten Roboters einzugeben, erfolglos.

Nun kann man ja nicht immer essen gehen, und Zeit zum ausgiebigen Kochen hat man auch nicht immer. Da kam mir die Neuheit eines Kochroboters, des Kitchen Robot KR 9ff4978234zz gerade recht. Der KR würde mir italienische, spanische und indische Köstlichkeiten zubereiten, und ich könnte zum Hauptgang sogar noch ein drittes Glas Rotwein trinken, es käme ja aus dem heimischen Weinregal und wäre damit bezahlbar (eigentlich sogar schon bezahlt). Ich programmierte für den Abend Spaghetti Diavolo und Vitello con Melanzane und freute mich schon den ganzen Tag auf die wunderbar scharfen Nudeln und das zarte Fleisch.
Es kam anders.

Ich war gerade auf der Heimfahrt, als mich eine SMS von KR erreichte:
hilfe hilfe hilfe
kann nicht arbeiten
SOS
Als ich die Wohnung aufschloss und in die Küche blickte, sah ich, wie der CR 7dd546309xx um den KR 9ff4978234zz herumwedelte. Stellen Sie sich vor, Sie wollen kochen und neben Ihnen putzt jemand jeden Tropfen, jedes Fleckchen, jede Zwiebelschale und jeden Krümel sofort weg, ja er nimmt Ihnen sogar ständig den Löffel aus der Hand und wäscht ihn ab. So ging es dem armen KR.
Ich versuchte, nachdem die zwei drei Stunden auf Standby waren, mit Hilfe meines Kollegen die beiden umzuprogrammieren, so, dass der CR den KR in der Küche eine Stunde in Ruhe lässt und DANN putzt: Chancenlos.

Ich habe beide Robos verkauft.

Vielleicht ist die ganze Sache mit diesen Dingern einfach noch nicht ausgereift.
Was wäre gewesen, wenn der SR 8ee672956yy auch mich nicht als seinen Herrn erkannt und mich tagelang gefangen gehalten hätte? Was wäre wenn der CR 7dd546309xx alles aufgeputzt und aufgesaugt hätte, was irgendwie rumgelegen wäre? Also auch Bargeld und wichtige Zettel? Was wäre, wenn ein SR einen KR festhält und derweil schmort und brennt es, glüht und feuert es und die ganze Bude fackelt ab? Wältchrieg und Mönschheit wär jitzt nümme da?

Nein, ich lasse das mal sein mit SR und KR und CR.
Allerdings: Kushimoto hat für 2017 den Writing Robot WR 3p293746ss angekündigt.
Den werde ich kaufen.
Dann kann ich wenigstens alle Schraipfähler auf ihn abwälzen.

Dienstag, 8. September 2015

Robotik I: Das Dröhnchen


to: hans.manser@bluewin.ch


Werter Herr Manser,
Ich komme noch einmal auf den Vorfall letzten Sonntag im Waldrestaurant “Sonne” zurück. Da wir uns an Ort und Stelle nicht einigen konnten, wäre dringend geboten, uns noch einmal zu treffen und die Angelegenheit zu besprechen. Sie kommen ja um die Tatsache nicht herum, dass Sie mir eine Drohne im Wert von SFr 5000.-  kaputtgemacht haben. Das Gerät war so zerstört, ich muss sogar sagen zerquetscht, zermalmt, dass sich jeglicher Reparaturversuch verbot. Bitte kontaktieren Sie mich schnell.
Mit freundlichen Grüssen Gerd Glubser

to: glubser.g@gmx.ch

Werter Herr Glubser,
Wie ich Ihnen schon damals sagte, habe ich ihr komisches Gerät für eine Wespe gehalten. Dieses Jahr waren diese Biester besonders schlimm und ich kriege einfach Panik, wenn es um mich herum surrt und schwirrt und brummt. Dann haue ich zu. Dass ich bedauerlicherweise Ihren Flugroboter erwischt habe, tut mir leid. Weiteren Handlungs- oder Gesprächsbedarf sehe ich nicht.
Mit freundlichen Grüssen Hans Manser

to: hans.manser@bluewin.ch

Werter Herr Manser,
So leicht kommen Sie mir nicht davon. Sie hauen einfach zu, ja? Tun Sie das auch bei Hunden und Katzen und bei Ihren Kindern und bei Ihrer Frau? Man muss doch hingucken, bevor man einfach die Hand erhebt und zuschlägt. Wenn Sie einen Moment gezögert und einen einzigen Blick gewagt hätten, hätten Sie gesehen, dass das Objekt Ihrer Wut keine Wespe, Biene, keine Fliege oder Bremse, sondern ein technisches Wunderwerk ist, dass Sie in Ihrem Zorn zunichte gemacht haben. Wie gesagt, das Teil hat mich 5000.- gekostet. Bitte lassen Sie uns einen Termin vereinbaren, sonst muss ich die Sache meinem Anwalt übergeben.
Mit freundlichen Grüssen Gerd Glubser

from:hans.manser@bluewin.ch
to: glubser.g@gmx.ch

Werter Herr Glubser,
Der Vergleich hinkt. Natürlich schlage ich im täglichen Leben nicht einfach um mich und treffe dabei Frau, Kind und Katze. Ich schlage um mich, wenn in einem WALDrestaurant mir Dinge um den Kopf brummen, weil das im Normalfall Bienen und Wespen und Bremsen sind, die ich einfach nicht vertrage. Kind und Katze schwirren nicht um meinen Kopf, genausowenig technische Apparaturen, die sich dann als Hightech und Higprice entpuppen. Warum lassen Sie solche Teile nicht auf der freien Wiese los sondern auf einer Kaffeeterrasse?
Verklagen Sie mich ruhig, Sie bekommen keinen Rappen.
Mit freundlichen Grüssen Hans Manser

to: hans.manser@bluewin.ch

Werter Herr Manser,
Ich würde es sehr bedauern, wenn ich Sie verklagen müsste. Das Ziel müsste doch eine aussergerichtliche Einigung sein. Sie haben doch sicher eine Haftpflicht?
Ich wundere mich allerdings, dass Sie ein Mensch zu sein scheinen, der nicht ganz auf der Höhe der Zeit ist. In der Schweiz fliegen in diesen Tagen ca. 20000 Kleinstdrohnen durch die Lüfte. Wie können Sie da noch annehmen, das Gebrumme komme von einem Insekt? Von einer Wespe oder Biene? Ein Mensch, der nicht komplett im 20. Jahrhundert stecken geblieben ist, schaut dann doch nach, wenn es brummt und surrt und schwirrt. Warum ich meine Drohne in Restaurantnähe starte? Sie sollte ja gar nicht NAH an der „Sonne“ fliegen, nein, vielmehr HINEIN. Ich lasse, wenn ich einen Gasthausbesuch vorhabe, immer mein Dröhnchen los, das mir dann Fotos von Kuchen und Torten schickt, sonst weiss ich ja nicht, was auf mich zukommt.
Bitte lassen Sie uns einen Termin machen.
Mit freundlichen Grüssen Gerd Glubser

to: glubser.g@gmx.ch

Werter Herr Glubser,
Die Sache ist erledigt. Die AVENIR-Haft übernimmt die Kosten. Nach Auskunft meiner Sachbearbeiterin ist mein Fall schon der 56. in diesem Jahr. D.h. 55 Leute haben das Geschwirre und Gebrumme dieser blöden Mini-Robots für das von Insekten gehalten. Die AVENIR-Haft hat einen Musterprozess geführt und verloren. Nennen Sie mir Ihre Kontonummer.
Dennoch halte ich Ihr Meine-Drohne-filmt-das-Kuchenbuffet-Gehabe für SINNLOS BESCHEUERT.
Ihr Hans Manser

Freitag, 4. September 2015

Zalando hat gelogen - wie alle Händler

Zalando® hat also gelogen.
Wenn bei Zalando®  Nur noch 3 Artikel vorrätig erschien, dann waren das oft mehr. Man nennt das den Verknappungstrick: Wenn man das Gefühl bekommt, eine Sache sei nicht mehr unendlich zur Verfügung, greift man panisch zu.
Zalando® wurde erwischt.
Zalando® muss das jetzt ändern.
Geschenkt.
Was man aber nicht bedenkt, ist, dass Zalando da nicht allein ist. Reporter des NDR haben eine ganze Schar von Leuten auf Hotel-Seiten zugreifen lassen. Wenn jetzt beim einen 9 Leute sehen sich gerade dieses Angebot an erschien, dann wusste er, dass es zum Teil eigentlich fast 30 waren. Die Zahl 9 ist also fiktiv.

Händler tricksen.
Händler haben schon immer getrickst.
Und das ist ihr gutes Recht. Schliesslich wollen Sie was verkaufen. Du liebe Zeit, erwarten wir wirklich, dass uns der Klamottenladen in einem Zettel am Kleiderständer den Einkaufspreis, die Kosten und seine Marge verkündet? Dass über der Kasse ein Plakat hängt DENKEN SIE VOR DEM KAUF NOCH EINMAL NACH ?

Wenn man im 19. Jahrhundert zum jüdischen Krämer ging und feilschte, verkündete er lautstark, dass ihn der Kochtopf, den er für 30.- verkaufen wollte, selber 20.- gekostet habe und dass er bei schon bei 19.- drauflegen würde, und er habe doch Frau und 7 Kinder und die würden alle verhungern… Wenn man dann den Topf für 15.- heimtrug hatte man eine grosse Familie ins Unglück gestürzt – oder auch nicht, denn Schmuel Weizenstein hatte den Pott für 10.- erstanden und so immer noch 50% Gewinn. Und die meisten Kunden wussten das auch, sonst hätten sie nicht gehandelt, schliesslich wollte man ja keineswegs, dass Frau Rahel, Sara, Lea und Rebecca, dass David, Aaron, Abraham und Levi das nächste Purim nicht erleben.

Wer denkt jetzt nicht an die Schilder
345.-
225.-
Auch hier kann man wissen, dass die Schilder nach dem Muster Hoher Preis-Durchstreichen-Tiefer Preis ODER nach dem Muster Tiefer Preis-Erfundener hoher Preis-Durchstreichen entstanden sein können. Der Trick aber funktioniert.

Genauso funktioniert der Trick mit dem 199,99.-
Warum können wir unserem blöden Hirn nicht beibringen, dass nur ein einziger Rappen, ein singuläres Räppli zur nächsten Hundert fehlt, dass wir also 200.- zahlen und nicht „ein wenig über 100“?
Unser Gehirn scheint auszusetzen, wenn der Sehnerv Schaufenster, Prospekte, wenn er Kleiderständer und Auslagen, wenn er Werbung oder Spruchtafeln meldet. Irgendein geheimes Hormon wird da ausgeschüttet, das jegliche Vernunft ausser Kraft setzt. Statt noch einmal zu rechnen, greifen wir zu Euro und Franken und Mastercard® und VISA® und machen brav das, was der Handel will: Wir zahlen.

Ich habe mir beim letzten Umzug eine wunderbare grosse Matratze gekauft. Sie kostete bei einem türkischen Möbelhändler in Kleinhüningen 700.-. TRACHTNER® hätte mir meine alte Matratze in Rechnung gestellt (100.-) und mir noch ein Zoo-Jahresabo geschenkt, allerdings kostet die Matratze dort 1500.-, ausserdem gehe ich nie in den Zoo, ich bin mir selber Affe genug. Wenn – und nun merke ich, dass dieses Hormon auch bei mir wirkt – allerdings TRACHTNER® mit einem Hallenbad-Jahresabo gewunken hätte, wäre ich schwach geworden, obwohl die Rechnung immer noch zugunsten des Türken spricht:
1500
-100 (für die alte Matratze)
-400 (Schwimmbadabo)
=1000
und das sind immer noch 300 mehr als meine Bettunterlage.

Einen der schönsten Werbetricks hatte sich ein Getränkehändler in Scheveningen ausgedacht. In seinem Schaufenster stand ein Schild mit der Inschrift
IK GEEF U MORGEN GRATIS BIER
Man kam immer wieder und das Schild war immer das gleiche, zwei Jahre lang.

Beim Kaufen, Handeln, beim Lädele und Bummeln, beim Online- und Offline-Shopping setzt unser Hirn aus, irgendein Hormon setzt den Verstand, die Ratio ausser Kraft. Das hat ZALANDO® sich zunutze gemacht. Seien wir gnädig.
Ich selbst bin gegen die meisten Tricks, vor allem gegen den mit der Verknappung, ja immun.
So.
Und jetzt muss ich schnell noch einen Post zum Thema Nixensex und Hexensex schreiben. blogger.com hat mitgeteilt, es gebe nur noch wenige X.