Menschen in
einer für sie ungewohnten Umgebung haben einen bestimmten Blick. Ich nenne ihn
den Erstes-Mal-Blick.
Den Erstes-Mal-Blick
haben Neuschwule kurz nach ihrem Coming-Out, wenn sie zum ersten Mal in
eine Schwulenbar gehen. Vorsichtig blicken sie die Theke entlang zu den Tischen
hin, vorsichtig schweift ihr Blick an die Wände, wo Bilder mit nackten Hintern
und Fotos von Kerlen mit Wahnsinnsmuskeln hängen. Wie macht man das jetzt hier
richtig? An die Theke? An einen Tisch? Und was trinkt man als Schwuler?
Prosecco? Oder gibt es hier auch…Bier?
Den Erstes-Mal-Blick
haben Touristen, die zum ersten Mal fliegen. O meine Güte, ist der
Flughafen gross! Wie soll man da irgendetwas finden? Und was bedeutet «Gate»?
Und «Check-In»? Völlig verloren stehen Sie unter dem riesigen Glasdach und
hoffen, dass irgendjemand kommt und sie an der Hand nimmt und an alle die Orte
führt…
Den Erstes-Mal-Blick
haben Menschen, die zum ersten Mal einen katholischen Gottesdienst
besuchen. Sie haben gehört, dass man hier ständig irgendwas machen muss,
aufstehen und absitzen, sich bekreuzigen, Sätze antworten, die sie natürlich
nicht kennen und sie wissen, sie werden schlicht und einfach ALLES FALSCH
MACHEN.
In allen
drei Fällen wandelt sich der Erstes-Mal-Blick aber bald in ein Lächeln
und die Anspannung weicht.
Die Bartunte
wird einen bald entdecken, begrüssen und auf die Getränketafel hinter sich
weisen, auf der natürlich auch Bier steht (und Wein und sogar Kaffee, es gibt
in der Szene keinen Proseccozwang) und mit einem kühlen Jever in der Hand ist
man schon viel entspannter.
Im Zürich
Airport oder Flughafen Frankfurt wird man nach 5 Minuten ein Schild INFORMATION
entdecken und dort wird einem alles erklärt, der ganze Weg vom Check-In mit
Gepäckabgabe über die Sicherheitskontrolle bis zum Gate.
Und bei den
Katholiken? Die sind so froh, so glücklich, so selig, dass ein neues Gesicht
unter 80 mal wieder ihre Gefilde betritt, dass man alles, aber auch wirklich
alles falsch machen kann, und man wird immer noch geliebt.
Nur in einem
Fall hat der Erstes-Mal-Blick verheerende Folgen:
Im
Einzelhandel.
Wenn eine
Kundin oder ein Kunde mit Erstes-Mal-Blick einen Laden betritt, dann
sehen das die Verkäuferinnen und Verkäufer natürlich sofort. Und dann gehen sie
im Geiste alle die Ladenhüter durch, die sie unbedingt vor Ende des Monats noch
loswerden wollen und sie wissen: Heute schlagen wir zu. Dieser Mensch hat keine
Ahnung, er ist in unbekannten Gefilden und wir können ihm alles, aber auch
alles aufschwatzen.
Wenn Sie z.B.
in einen Elektronikladen gehen, um einen Drucker zu kaufen und sie haben den Erstes-Mal-Blick,
dann wird man Sie nicht fragen, für welchen Zweck Sie das Gerät brauchen, wie
viele Seiten sie im Monat drucken und ob sie grössere Massen in kurzer Zeit
brauchen, nein, sie bräuchten eigentlich einen kleinen Drucker für den
Schreibtisch, weil sie ca. 10 Seiten im Monat rauslassen, aber Sie gehen mit
dem SISTER 78 XCX heim, einem Bürogerät, das 2000 Seiten in der Stunde
ausspucken kann, die Ausmasse eines Kleiderschrankes hat und Sie 399.- kostet.
Dazu kommen dann noch die 79.- für eine Patrone schwarz-weiss und 89.- für eine
farbig.
Aber nicht
nur in der Elektronik ist das so: Wenn Sie mit dem Erstes-Mal-Blick in
eine Boutique gehen, dann Gnade Ihnen Gott! Da fallen dann Sätze wie
«Das geht
beim Waschen sehr stark ein»
«Das weitet
sich beim Tragen»
«Das ist die
Modefarbe der nächsten Saison»
«Der Schnitt
ist diesen Herbst genau so»
Und wenn Sie
die maisgelbe, viel zu enge Hose mit dem schlabberweiten aschgrauen Pulli zum
ersten Mal tragen und alle kichern und köchern, lachen und lächeln, dann wissen
Sie, dass man Ihnen die letzten Ladenhüter angedreht hat.
Muss hier
noch vom Sportgeschäft berichtet werden, wo man Menschen mit Erstes-Mal-Blick
Volleybälle als Fussbälle verkauft? (Es hat noch zu viele im Lager)
Oder vom
Floristen, der Menschen mit Erstes-Mal-Blick welke Blumen andreht?
Menschen in
einer für sie ungewohnten Umgebung haben einen bestimmten Blick. Ich nenne ihn
den Erstes-Mal-Blick. Menschen, die genau wissen, was Sache ist, genau
drauskommen, haben einen Kennerblick. Und auch diesen erkennen Verkäuferinnen
und Verkäufer sofort. Nehmen Sie also als Neuling immer einen Kennerblickler
mit in den Laden.
Gehen Sie
nie alleine mit Erstes-Mal-Blick.
Es lohnt
sich.
Auch heute am Black Friday.
Auch heute am Black Friday.