Nein, ich
möchte weiterhin von Menschen gefahren werden, ich möchte sehen, wie die
Tramfahrer sich kollegial zuwinken, das hat so etwas Rühriges, ich möchte mich
beim Chauffeur bedanken können, wenn er auf mich gewartet hat und ich möchte
weiterhin hören, wie er brummelt, wenn jemand die Türen versperrt. Apropos
Durchsagen: Ich bin auch gegen die elektronischen Ansagen, die ja meistens
laufen. Am Anfang genoss ich auf meiner Morgenpendelfahrt noch Heidrun, so
nannte ich sie, die mir in perfektem Hochdeutsch und immer gut gelaunt eine
gute Fahrt wünschte, inzwischen ist es öde: «Die SBB begrüsst sie auf der Fahrt
nach…» Heidrun klingt immer gleich, ist immer bei Stimme, hat nie eine
Erkältung oder ist mal mies drauf. Umgekehrt freue ich mich jeden Tag bei der
Rückfahrt auf den Zugchef, der die Anschlüsse nach «Basel Badisch» (Klingt ein
wenig nach «Kaddisch») und Hamburg Altóna ankündigt. Von der DB mit ihrem so
menschelnden «Sänk ju for trävelling wis Deutsche Bahn» oder «Sänk ju for
tschuusing Deutsche Bahn, täk Kär änd gut bai» ganz zu schweigen.
Was werden
wir eigentlich in 30 Jahren machen, wenn alle Arbeit von Maschinen gemacht
wird? Wenn im Supermarkt nur noch ein Check-Out-Bereich ist und im
Selbstbedienungsrestaurant auch der Schöpfvorgang automatisiert ist? Wenn alle
U-, S- und Fernbahnen keine Fahrer mehr haben? Wenn nur noch per Lernprogramm
gebüffelt wird und auch die Putzkolonnen nur noch aus Robotern bestehen? Wenn
sogar – wie heute in 20min zu sehen war – auch der Pizzaiolo ein Robi ist? Was
werden wir dann tun? Wenn auch zuhause der Herd alleine kocht und die Wischmaschine
alleine schrubbt? Was also?
Ich habe mir
bisher eingebildet, dass ich einen robotikresistenten Job habe.
Aber
angeblich sollen grosse amerikanische Firmen schon am Dirigier-Roboter
arbeiten. Die CMs (Conducting Maschines) sind natürlich in den Dingen der
Präzision unschlagbar. Eine CM trifft stets auf den Metronomstrich genau das
Tempo, sie hat die komplexeste Partitur in Sekundenschnelle im Kopf, sie kann
den gespielten Ton auf das Hertz genau mit dem verlangten vergleichen, wobei
ihr natürlich ausser der gleichschwebenden, wohltemperierten auch noch 45
andere, historische Temperaturen zur Verfügung stehen. Eine CM verschlägt sich
nicht, sie gibt keine falschen Einsätze, sie ist in allen Dingen perfekt. Für
den Probenbetrieb hat man 100 Stimmen zur Auswahl, von osteuropäisch-aggressiv
bis zu wienerisch-schmähig, von britisch-kühl bis zu spanisch-temperamentvoll.
Ausser faktische Aussagen wie «Oboe 4,3 Hertz unter b’’» oder «Pauke MM=88
statt MM=89» hat die CM noch 5600 Witze zur Probenauflockerung sowie etliche
Standardaussagen, die immer stimmen, eingespeist:«Flöte zu tief»
«Blech zu laut»
«Bratsche schleppt»
Der SDS, der
Standard-Dirigier-Stil kann mit ca.100 Zusatzfunktionen gekoppelt werden. Hier
sind – und das Repertoire wird ständig erweitert – alle grossen Dirigenten
gespeichert. Drückt man z.B. «Gergjew», so fangen die Hände des Roboters an zu
zittern und vibrieren fortan in einer unglaublich interessanten Weise. Drückt
man «Bernstein» fängt die Maschine an auf und ab zu hüpfen und nimmt
gelegentlich den Stock in beide Hände. Bei «Karajan» verfällt die CM in eine
meditativ-vergeistigte Haltung und bei «Celi» wird sie sehr, sehr, sehr
langsam. Natürlich kann auch jeder Dirigent, der eine Vertretung braucht,
seinen eigenen Stil der CM beibringen.
Die
Conducting Maschine macht es endlich möglich, schlechten Orchestermusikern zu
kündigen. Denn natürlich werden alle Patzer, Verspieler und Falschtöne
gespeichert. So liefert die CM am Ende eines Monats eine genaueste Statistik,
die vielleicht so aussehen könnte:
Abweichung vom Tempo
|
Abweichung von der Tonhöhe
|
Abweichung von der Lautstärke
|
|
Flöte 1
|
30%
|
15%
|
50%
|
Flöte 2
|
5%
|
11%
|
23%
|
Oboe 1
|
50%
|
70%
|
37%
|
(Ausschnitt)
Hier wäre
der Oboist schon so gut wie auf der Strasse.
Nein,
genauso wie Tramchauffeur, Lokführer, Busfahrer, genauso wie Kellnerin,
Kassierer, genauso wie Maler, Gipser, wie Schreiner und Polymech, aber auch wie
Doktor oder Lehrer ist auch das Dirigieren kein robotikresistenter Job.
Fragt sich
nur, ob irgendwann auch die Orchester nur noch aus Robotern bestehen. (Ehrlich
gesagt, manche tun das heute schon.)Eine Nachricht der Baselbieter Verkehrsbetriebe hat mich neulich erschreckt: Auf der Schmalspurstrecke Liestal-Waldenburg sollen ab 2022 keine Lokführer mehr eingesetzt werden. Es macht es mich unglücklich, es macht es mich traurig (sic).
P.S. Der Blog macht aus beruflichen Gründen Pause bis Ende September
P.S.