Freitag, 22. Oktober 2021

Frühaufstehen ist toll, wenn...

Ich bin begeisterter Frühaufsteher. Ich stehe gerne vor dem Sonnenaufgang, noch in Nacht und Nebel auf und freue mich, wenn die Sonne sich über die Hügel erhebt.
Frühaufstehen ist toll.

Allerdings muss man diesen Satz sofort mit ein paar „wenn“ einschränken.

Frühaufstehen ist toll, wenn man rechtzeitig ins Bett gekommen ist.
Ich habe nie verstanden, warum Esau sein Erstgeburtsrecht für eine Linsensuppe verkauft, und ich habe nie verstanden, warum Faust seine Seele für ein bisschen Welterkenntnis hergibt. Wenn ich richtig spät ins Bett gekommen bin und am Morgen richtig früh aufstehen muss, dann wäre ich aber sehr anfällig für Jakobs und Mephistos, ich würde meine Seele PLUS mein Erstgeburtsrecht für eine Stunde Schlaf verkaufen. Frühaufstehen setzt also Frühinsbettgehen voraus. Zumindest in meinem Alter. Als ich mit 17 am Gran Canyon war, gab es eine Gruppe, die in der Lounge noch Party feierte und eine andere, die den Sonnenaufgang betrachtete – ich war in beiden. Heute, mit (fast) 57 geht das nicht mehr…

Frühaufstehen ist toll, wenn man rechtzeitig ins Bett gekommen ist und am Abend wenig getrunken hat.
Und mit „getrunken“ meine ich jetzt nicht Wasser, sondern Gin und Kir, Bier und Schnaps, Riesling und Merlot. Denn auch wenn man nach Gin und Kir, Bier und Schnaps, Riesling und Merlot ein wenig Schlaf gefunden hat, der Alkohol hat sich nicht schneller abgebaut. Und deshalb spürt man Gin und Kir, Bier und Schnaps, Riesling und Merlot noch kräftig in den Knochen. Man dürfte sogar teilweise gar nicht mit dem Auto zur Arbeit. Wenn man also gar nicht in der Lage ist, einen PKW zu bedienen, wie soll man dann einen PC beackern?

Frühaufstehen ist toll, wenn man rechtzeitig ins Bett gekommen ist und am Abend wenig getrunken hat und schöne Träume hatte.
Hier müssen wir definieren, was schöne Träume sind. Die gibt es nämlich ganz wenig, denn – und das ist das fiese – bei Albträumen wiegt das schlimme Traumerlebnis und nicht die Erleichterung und bei schönen Träumen NICHT das Traumerlebnis, sondern das blöde Gefühl, dass alles nicht wahr ist. Beispiele? Sie erwachen schweissgebadet, weil ein Wolf sich über sie beugt. Das Gefühl der Angst bleibt, obwohl sie ja merken, dass alles nur ein Traum war. Sie träumen, die schönste Frau der Welt beugt sich über sie und duftet nach Rosen, Sie erwachen, und es bleibt nur das schnöde Gefühl, dass die schönste Frau (oder der schönste Mann, ja, ja…) gar nicht da ist.
Ein schöner Traum ist zum Beispiel der folgende: Sie schreiben im Traum den Post des Jahrhunderts und beim Aufwachen ist die Idee noch da! (Ist mir wirklich schon passiert.)

Frühaufstehen ist toll, wenn man rechtzeitig ins Bett gekommen ist und am Abend wenig getrunken hat und schöne Träume hatte und gerne zur Arbeit (oder ein anderes Tagwerk) geht.
Ganz viele Menschen haben den falschen Job, sie gehen lustlos zur Arbeit und kommen erschöpft wieder heim, sie bringen die 8 Stunden Ackern mit grössten Schwierigkeiten und ständigem Blick zur Uhr hinter sich und freuen sich als einziges auf die Ferien. Das ist extrem blöd, und es ist jammerschade, dass sich da niemand drum kümmert. Die Arbeitsämter sehen sich erst zuständig, wenn Sie wegen Ihrer Lustlosigkeit, Ermüdung, wegen Ihrer Feriensucht und dem ständigen Aufdieuhrgucken gekündet werden. Wenn Lustlosigkeit, Ermüdung, Feriensucht und ständiges Aufdieuhrgucken ein Burnout auslösen, dann ist die Krankenkasse zuständig. Ohne Burnout und in ungekündigter Stellung haben Sie keine Chance, dass Ihnen jemand hilft.

Frühaufstehen ist toll, wenn man rechtzeitig ins Bett gekommen ist und am Abend wenig getrunken hat und schöne Träume hatte und gerne zur Arbeit (oder ein anderes Tagwerk) geht und einen Mittagsschlaf halten kann.
Der Mittagsschlaf ist eine der wichtigsten Erfindungen der Menschheit.
Hölderlin schreibt in Der Rhein:

Und herrlich ists, aus heiligem Schlafe dann
Erstehen und aus Waldes Kühle
Erwachend, Abends nun,
Dem milderen Licht entgegenzugehn,

Und Mozart schreibt an seinen Vater:

Der ganze Morgen geht mit Lektionen drauf, dann gehen wir zu Tisch und dann muss ich doch meinem armen Magen ein Stündlein der Digestion gönnen…

Wir sehen, dass alle grossen Geister sind Mittagsschläfer gewesen sind. Und wenn Sie einen 8 Stunden-Job haben: Viele Firmen lassen inzwischen ein Power-Nap zu, denn hinterher ist man viel erholter.

Frühaufstehen ist toll, wenn man rechtzeitig ins Bett gekommen ist und am Abend wenig getrunken hat und schöne Träume hatte und gerne zur Arbeit (oder ein anderes Tagwerk) geht und einen Mittagsschlaf halten kann und es nicht regnet.
Bei Regen aufstehen ist nun ungefähr das Letzte, was sich ein Mensch wünscht. Überhaupt gehört der Regen abgeschafft, ich weiss, die Natur braucht ihn, aber da muss man andere Lösungen finden.

Ich bin begeisterter Frühaufsteher. Ich stehe gerne vor dem Sonnenaufgang, noch in Nacht und Nebel auf und freue mich, wenn die Sonne sich über die Hügel erhebt.
Frühaufstehen ist toll.

Allerdings muss man diesen Satz sofort mit ein paar „wenn“ einschränken.
Und das haben wir getan.
Und ich danke Claudia Keller für die Vorlage mit den «wenn».





 

 

  

 

 

 

 

 

 

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