Kennen Sie, liebe Leserin, lieber Leser den SSW? Nein, das ist weder ein Fussballclub noch eine Automarke, der SSW ist der Südschleswigsche Wählerverband, die Partei der dänischen Minderheit, die im Kieler Landtag von der 5%-Hürde befreit ist. Toll, nicht? Einfach so ins Parlament. Einfach in den Kieler Landtag, hereinspaziert, da hatte Vivi Bach schon recht:
Das Leben meint es gut mit Dänen
und mit denen,
denen
Dänen nahestehen.
Stimmt aber so nicht ganz. Erstens gilt diese Nicht-5%-Klausel für alle anerkannten Minderheitenparteien, und dann müssen sie mindestens so viele Stimmen erringen, wie für die Zuteilung des letzten regulären Mandates notwendig sind.
Der SSW sitzt seit 1947 im Landtag an der Förde, im Parlament am Nord-Ostsee-Kanal und niemand kümmerte sich gross drum, das waren halt die Dänen, oder natürlich Deutsche dänischer Abstammung, die 1-4 Sitze von 70 belegten, die waren so was die Pflanzen im Aquarium, die es halt auch braucht. Bis…
bis…
bis…
Bis sie 2012 eine Regierungskoalition mit SPD und Grünen eingingen und damit als Zünglein an der Waage eine CDU-Regierung verhinderten. Nun scholl es anders von der rechten Seite, Schlagzeilen nicht ganz so schlimm wie diese, aber fast:
SOLLEN AUSLÄNDER UNSERE PARLAMENTE DOMINIEREN?
NICHT GEWÄHLT, ABER REGIEREN?
KOMMEN BALD TÜRKEN UND JUGOS DURCH DIE HINTERTÜR IN DEN BUNDESTAG?
Man sieht: Es gibt Gesetze und Regelungen, Spielregeln und Abmachungen, die keinen stören, wenn sie nichts bewirken und nicht in Erscheinung treten.
So übernimmt der Kirchenchor Gümmigen (NW) bei Chorreisen, Essen und Ausflügen eigentlich die Kosten für seinen Leiter, das steht so im Arbeitsvertrag und auch in den Chorstatuten, aber als der neue Dirigent Tim im Restaurant nicht zahlen will, ist das Geschrei gross, seine Vorgänger hatten – trotz Anrecht – immer selber gezahlt, kein Wunder, sie waren Gymnasiallehrer und machten den Chor als Nebenamt, Tim lebt von 3 Chören und ein paar Klavierschülern.
So hat es beim Sportverein Hunzgen (AG) die komische Regelung, dass beide Pfarrer des Ortes im Vorstand Sitz ohne Stimme haben (warum auch immer); auch dies ein Gesetz und eine Regelung, eine Spielregel und Abmachung, die keinen stört, weil noch nie ein Pfarrer oder Priester davon Gebrauch machte. Nun aber – o weh – taucht der neue Reformierte auf, und er redet sogar mit! Eine Katastrophe.
Und da ist dann auch noch der Denkmalbeauftragte der Stadt Wolpersheim (Wolper), der bei allen Entscheiden des Gemeinderates ein seit 1970 verbrieftes Vetorecht hat. Auch dies nie ein Problem, nie eine Sorge, nie ein Streit, Wolpersheim dehnt sich nach allen Seiten aus – mit Neubauten natürlich, bis man…
Bis man an den Zuller-Hof kommt, ein Bauerngut aus dem Jahre 1456, das nun nicht einem Einkaufszentrum weichen darf – Veto des Denkmalschützers.
Und so grübeln der Kirchenchor Gümmigen, ob er den verdammten Arbeitsvertrag ändern muss, der Sportverein Hunzgen, wie er den verdammten Pfarrer ausschliessen kann, und Wolpersheim, wie man das verdammte Vetorecht cancelt.
Wir haben in der Schweiz nun die gleiche Situation: Bei Volksabstimmungen – die kleine Erklärung muss für die nichtschweizer Leserinnen und Leser sein – braucht es die Mehrheit der Stimmen (Volksmehr) und die Mehrheit der Kantone (Ständemehr). Eine alte, gute Regelung, die verhindert, dass die grossen Kantone die kleinen einfach über den Tisch ziehen. Eine alte, gute Regelung, die niemand in Zweifel zieht, denn meistens decken sich die Entscheidungen.
Nur neulich nicht. Da wäre die Konzernverantwortungs-Initiative mit 50,7% knapp durchgekommen, wenn nicht ein mounteveresthohes, ein dinosauriergrosses Ständemehr das verhindert hätte.
Und prompt…
Und prompt…
Und prompt wettern die Linken gegen den «Alten Zopf» des Ständemehrs.
Es gibt Gesetze und Regelungen, Spielregeln und Abmachungen, die keinen stören, wenn sie nichts bewirken und nicht in Erscheinung treten.
P.S. Das Bündnis SPD-Grüne-SSW ging unter den Namen Dänen-Ampel, Schleswig-Holstein-Ampel, rot-grün-blaue Koalition, Küstenkoalition und Gambia-Koalition in die Geschichte ein. Schon wegen dieser wunderbar blödsinnigen Namen lohnte sich doch der Ärger.
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