Die Fritz-Meier-Stiftung erhielt eine Anfrage der «Jugendkapelle Hochhausen», in der sie um die Finanzierung eines Schlagzeugs, auch genannt Drumset, gebeten wurde. Abgeschickt wurde diese vom Präsidenten mit sämtlichen Vorstandsmitgliedern im CC. Hugo Müller, der Präsident, erwähnte in seinem Schreiben an Gerhard Schmidt, den Leiter der Stiftung, dass ja der Sohn von Johann Liebermann, einem Mitglied des Stiftungsrates, auch in der Jugendkapelle spiele, Trompete.
Nach einem Tag erschien eine Mail eines der Vorstandsmitglieder, in der er dem Präsidenten vorwarf, ein kleiner Schussel zu sein und Dinge zu verwechseln. Nicht der Sohn von Liebermann, die Tochter der Stiftungsrätin Lohmann spiele bei ihnen, und zwar Saxophon.
Blöderweise bekam das auch Schmidt mit, den der Gute hatte auf «Allen Antworten» gedrückt.
Ich selbst erhielt einmal eine SMS:
«Schickst du mir noch das Rezept für die Renaissance-Torte, die du zu Mamas Geburtstag gemacht hast?»
Tatjana
Zunächst stutzte ich sehr, denn ich kenne natürlich Tatjana, aber ihre Mutter kenne ich keineswegs, ich habe sie noch nie getroffen, ich habe auch erst recht nicht eine Renaissance-Torte zu deren Wiegenfest zubereitet, was auch immer eine Renaissance-Torte sein mag. Dann fiel mir der Name von Tatjanas Schwester ein, sie heisst Roxana. Die gute Tatty musste einfach um eins im Adressbuch ihres Handys verrutscht sein.
Das schrieb ich ihr dann auch:
«Willst du das Rezept von mir oder von Roxana? LG Rolf»
Und ich hatte recht.
Schwieriger war es für meinen Kollegen Hubert, der von Marc, einem Cellisten, mit dem er ein paar Mal zusammengearbeitet hatte – sie hatten damals Mailadressen ausgetauscht, um Fahrten zum Konzertort gemeinsam zu planen – vier Fotos geschickt bekam.
Es handelte sich um Körper-Detailaufnahmen. Sie verstehen, was ich meine? Nicht? Gut, dann muss ich deutlicher werden: Der Cellist hatte Bilder von seinem Penis gesendet. Nun ist Hubert durchaus schwul, und sicher nicht prüde, aber er hatte mit diesem Cellospieler nie wirklich geredet und auch kein Bier getrunken. Zudem waren die Fotos hässlich, denn das Glied schien wie von einer Hautkrankheit befallen. Und: Waren die Bilder überhaupt für ihn?
Wie geht man nun mit so einer Situation um? Ignorieren? Antworten? Und was? Hubert entschied sich für das Tür-ins-Haus-fallen-Modell:
«Lieber Marc. Du hast mir Penisbilder geschickt. Waren die für mich oder für jemand anders? Wenn sie für mich waren, dann muss ich dir sagen, dass mir dein Schwanz nicht gefällt, er sieht irgendwie krank aus. Gruss H.»
Es stellte sich dann heraus, dass Marc die Bilder jemand anderes schicken wollte, der Computer hatte Adressen angeboten, und Marc hatte falsch geklickt.
Der andere Adressat war übrigens ein Urologe, der Cellist litt wirklich an einer genitalen Dermatose.
Wir klicken zu schnell.
Wir klicken zu hastig.
Wir klicken zu unüberlegt.
Wir wählen aus dem Adressbuch und vertun uns sehr schnell zwischen «Jon» und «John» und «Jona» und «Joni».
Wir drücken ständig «Allen antworten» ohne zu schauen, wer eigentlich alles sich im Verteiler befindet.
Wir sind viel zu schnell.
Ein alter, weiser Mensch gab mir einmal den Rat: «Wenn du dich über jemand richtig ärgerst, dann schreibe ihm einen Brief, einen bösen, direkten, vielleicht auch frechen und bissigen Brief. Aber dann schicke ihn nicht ab! Schicke ihn nicht ab! Lege ihn auf deinen Schreibtisch, lasse ihn dort über Nacht liegen, schlafe gut und fest, und dann lese den Brief durch, und wenn du mit dem Inhalt immer noch einverstanden bist, dann kuvertiere ihn ein, frankiere ihn und bringe ihn zum Briefkasten.» Der gute, alte und weise Mann konnte sich damals nicht vorstellen, wie schnell man heute mit Reaktionen ist. Übrigens ginge das mit dem Über-Nacht-auf-dem-Schreibtisch-lassen auch heute, die Mailprogramme haben einen Ordner namens
ENTWÜRFE
den wir allerdings nur benützen, wenn uns die Zeit fehlt – oder wenn der ICE mal wieder in ein Funkloch fährt und wir nicht senden können.
Wir klicken zu schnell.
Wir klicken zu hastig.
Wir klicken zu unüberlegt.
Das machen sich ja auch die vielen bösen Menschen zunutze, die uns schreckliche Mails schicken.
Da haben wir angeblich eine Sendung bestellt, die jetzt im Zoll festhängt, und jetzt müsse man HIER einfach klicken…
Da ist das GA angeblich abgelaufen, und jetzt sind alle Zugänge gesperrt und alle Fahrten in allen Verkehrsverbünden unmöglich, und jetzt müsse man HIER einfach klicken…
Und bitte lachen Sie jetzt nicht über die Klicker, ich habe das auch getan, solange es um PayPal ging (ich habe kein PayPal), eine Erbschaft in Australien (ich habe keine Verwandte dort) oder meine Gebäudeversicherung (ich habe keine Immobilie), aber als neulich wirklich auf eine Sendung gewartet wurde, als es um das GA ging, das ich habe, da hätte ich fast – fast(!) geklickt, zum Glück merkte man schnell, dass rdxfdtebrk@gmail.com keine amtliche Adresse sein kann.
Wir klicken zu schnell.
Wir klicken zu unüberlegt.
Die Fritz-Meier-Stiftung hat übrigens der Jugendkapelle klargemacht, dass sie sehr an ihrem Informationsmanagement arbeiten müssen.
Und das Drumset dann doch bezahlt.
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