Freitag, 25. September 2020

Manchmal ist alles gegen den Glossisten

Manchmal kommt man sich als Schreiber wie als Held in einer Sage vor. So wie der Held zunächst gegen Riesen, dann gegen Zwerge, schliesslich gegen einen Drachen und dann noch gegen einen Zauberer kämpft, ist der Glossist ständig am Fechten, er streitet gegen die Ideenarmut, gegen die deutsche Sprache, gegen Word und gegen die Macher von blogger.com. Ja, er ist so sehr im Kampfe, dass er das Gefühl hat, die ganze Welt habe sich gegen ihn verschworen.

Der Kampf gegen die Ideenarmut

Es gibt Tage, da fällt mir nichts ein. Gar nichts. Da gibt es nicht Aktuelles in der Tagespolitik und keine philosophischen Fragen, die mich beschäftigen, da passiert nix und geschehen keine Sachen. Da habe ich die Musen angerufen, aber sie hatten keine Lust. (Über die Unlust und Dekadenz der Musen heutzutage habe ich ja schon geschrieben – 22.10.2019 und 21.7.2020.) Da habe ich mit Alkohol und Drogen nachgeholfen, danach hatte ich wirre Ideen, war aber nicht mehr in der Lage zu schreiben. Worüber soll man nun posten? Über die Herren und Damen an den Schaltpulten der Welt? Das Merkwürdige ist: Über anständige, faire und gerechte Herrscher zu schreiben macht keinen Spass. Und die unanständigen, unfairen und ungerechten sind auf eine Weise gleichförmig, dass es zum Grausen ist. Schreibst du über einen, schreibst du über alle. Wie feiert z.B. eine Merkel oder ein Macron ihren oder seinen Geburtstag? Da gibt es ganz, ganz viele Möglichkeiten, vielleicht ist es ein Diner, vielleicht auch nur ein Apéro, eventuell ist es ein Konzert oder ein Ball. Lukaschenko oder ein ähnlicher Kollege macht unter Garantie eine Militärparade, und diese Militärparaden sehen auf der ganzen Welt gleich aus.

Aber manchmal kommt – trotz aller Ideenarmut – doch eine witzige Begebenheit, ein kleiner Zwischenfall, und dann hofft man, dass man aus dieser Begebenheit oder diesem Zwischenfall eine allgemeingültige Wahrheit ziehen kann…

Der Kampf gegen die deutsche Sprache

Ja, und dann hat man eine Idee und man will das dann ausdrücken und dann fehlt einem das Wort, und zwar nicht so wie in Moses und Aron, «oh Wort, du Wort, das mir fehlt…», sondern es gibt das Wort in der deutschen Sprache nicht. Wollen Sie ein Beispiel? Da gibt es eine Tätigkeit, die wir jeden Tag mehrfach machen und 1000e Male im Leben, ständig und überall, immer und in jeder Lage, nämlich das Zumachen eines Reissverschlusses. Und da fehlt das Verb. Die Engländer haben dafür ein wunderbar kurzes Wort, «to zip» Während einer in Manchester oder eine in Seattle nun sagen können: «I zip my bag» oder «I zipped my pans» müssen wir im Deutschen einen riesengrossen Umweg beschreiten: «Ich schloss den Reissverschluss meines…» Also werde ich einmal mehr zum Neologistiker und erfinde das Wort «reissverschlussen» oder vielleicht auch «reissverschliessen», wobei ich mir bei den Stammformen nicht ganz klar bin, korrekt wäre wahrscheinlich
reissverschliessen – reisverschloss – reissverschlossen
oder
reissverschlussen – reissverschlusste – reissverschlusst

Genauso geht es mir mit einer Sache, die ich auch jeden Tag unternehme. Ich gehe ins Bad und mache einen – hier hat die Schweizer Mundart ein Nomen – Schwumm. Das Standarddeutsche versagt mir hier das Wort. Der Läufer macht einen Lauf und der Springer einen Sprung und der Tänzer einen Tanz und der Werfer einen Wurf – was aber macht der Schwimmer? Und sagen Sie jetzt bitte nicht Bad, ich gehe nicht zum Baden oder Plantschen ins Freibad, sondern zum Schwimmen.

Der Kampf mit WORD

Ein jeder hatte gehofft, dass das Schreibprogramm in der neuesten Version seine orthografischen und grammatikalischen Korrekturen perfektioniert, und dann die Sache bewenden liesse.
Das Gegenteil ist der Fall.
Die Rechtschreibung geht, aber die Grammatik ist immer noch eine Katastrophe. Wenn ich alle dass/das-Korrekturen annehmen würde, die Word mir anbietet, wäre sicher in jedem zweiten Post ein solcher Fehler. Genauso die Verwirrung, wenn das Objekt mal aus mehreren Dingen besteht und vorne steht.
Das absolut Schreckliche ist nun, dass Word, obwohl es auf der Ebene drunter noch hunderte Baustellen hat, angefangen hat, Stilkorrekturen zu machen. Nach dem Motto «Nur ein kurzer Text ist ein guter Text» macht man Jagd auf alle die süssen kleinen Partikeln wie ganz, natürlich, doch, ja, alle diese Wörtlein, die einen Text, eine Aussage, die die Sprache eben witzig und interessant machen, alle diese Wörtlein wie ja, doch, eben, ganz, natürlich usw… Das neue WORD ist total auf Geschäftsbriefe und amtliche Schreiben fokussiert, etwas anderes kommt nicht vor.

Der Kampf mit blogger.com

Auch die Website, auf der dieser Blog steht, hat sich erneuert. In der neuen, jetzigen Fassung gibt es eine tolle Sache: Wenn man ein Word-Dokument einsetzt, erscheint überall, wo man die Entertaste gedrückt hat, die nächste Zeile mit riesigem Abstand. Die einzige Lösung ist, die gesamte Formatierung aufzuheben, dann kann man die Zeilen wieder aneinanderrücken, aber die gesamte Formatierung aufzuheben heisst eben die gesamte Formatierung, d.h. alles Kursive und Fette, alle Rahmen und Farben sind auch weg. Warum blogger.com das macht, wissen die Götter. Ich habe ein Feedback
geschrieben, das allerdings nach 3 Gläsern Wein, in Grossbuchstaben und mit vielen Beleidigungen.
Sie haben nicht darauf geantwortet.

Manchmal kommt man sich als Schreiber wie als Held in einer Sage vor. So wie der Held zunächst gegen Riesen, dann gegen Zwerge, schliesslich gegen einen Drachen und dann noch gegen einen Zauberer kämpft, ist der Glossist ständig am Fechten, er streitet gegen die Ideenarmut, gegen die deutsche Sprache, gegen Word und gegen die Macher von blogger.com. Ja, er ist so sehr im Kampfe, dass er das Gefühl hat, die ganze Welt habe sich gegen ihn verschworen.

 

 

  

   

 

 

 

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