Dienstag, 23. Juli 2024

Nicht nur Wagner in Bayreuth?

Wir haben im letzten Post davon gesprochen, dass immer mehr kulturelle Festungen wanken. (dort zum Beispiel, dass im Radio über die laufende Musik gesprochen wird)
Nun habe ich eine Meldung gefunden, die fast den Himmel zum Einsturz bringt:

Kulturstaatsministerin Claudia Roth spricht sich dafür aus, dass bei den Bayreuther Festspielen auch andere Komponisten als nur Richard Wagner zu hören sein sollen. Es sei wichtig, dass sich die Bayreuther Festspiele generell für junges Publikum stärker öffneten und dieses gezielt ansprechen, sagte Roth den Zeitungen der Mediengruppe Bayern (Mittwoch). "Bayreuth sollte insgesamt vielfältiger, bunter und jünger werden." Denn das Festival laufe nicht mehr von alleine wie in früheren Zeiten, als man teilweise viele Jahre auf Karten habe warten müssen, sagte Roth weiter.

Auf dem Grünen Hügel nicht nur Wagner? Unvorstellbar.
Es dürfen ja sogar nicht einmal alle Stücke von Richy dort gegeben werden, «Die Feen», «Das Liebesverbot» und «Rienzi» dürfen niemals, nie, zu keiner Zeit und nimmermehr im Festspielhaus inszeniert werden, und als 2013 in Bayreuth diese drei Werke zu Wagners 200em Wiegenfest als «Früh-Stücke» gespielt wurden, konnte man «Die Feen», «Das Liebesverbot» und «Rienzi» in der Oberfrankenhalle bewundern, einer Mehrzweckhalle in scheusslichster 80er-Optik; und wer jemals sich in «Mehrzweckhallen» bewegt hat, weiss, dass dies eigentlich immer, stets und zu aller Zeit Sporthallen sind.

Und nun nicht nur alle Werke von Wagner, sondern auch andere Komponisten? Frau Roth schlägt «Hänsel und Gretel» vor, das ist nun nicht total blöd, den Humperdinck war Wagnerianer, aber die Lösung ist es natürlich nicht.
Denn es gibt ein Problem: Wagner hatte keine Freunde, keine Partner, man kann also nicht ein Festival nach dem Motto
RICHARD WAGNER UND SEINE FREUNDE
machen.
Richy hatte Epigonen, Schreibsklaven, Untergebene, Nachfolger, Speichellecker, Verbeuger, Entourage. Und die haben zwar Opern geschrieben, aber nicht wirklich gute. Die guten Opern haben seine Feinde, seine Antipoden, seine Gegner geschrieben. Aber wer will schon einen «Rigoletto» oder einen «Trovatore» oder eine «Aida» auf dem Hügel?

Wobei:
Wenn wir gerade dabei sind, den Himmel einstürzen zu lassen, dann machen wir es vielleicht gründlich. Es gibt ja in der protestantischen Kirche die Tradition des «Kanzeltausches», hier predigt der Pfarrer W aus X auch mal in Z, der Gemeinde von Pfarrerin Y und Pfarrerin Y aus Z predigt statt Pfarrer W in X. Erfrischend für alle Zuhörerinnen und Zuhörer, denn man hört mal einen neuen, anderen Stil. Praktisch für die Reformierten Geistlichen, sie können einfach ihre Homilie doppelt präsentieren, nicht so praktisch für die von der Lutherischen Kirche, denn ihre Texte sind ja für jeden Sonntag festgelegt…
Aber ich schweife ab.
Ähnlich dieses «Kanzeltausches» könnte man doch 2025 in Verona Wagner spielen, und auf dem Hügel Verdi, vielleicht werden dann aus den Rheintöchtern Etsch-Töchter und die Elefanten werden zu Drachen.
Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Vielleicht sollte man sich aber schlicht und einfach fragen, WARUM der Ticketverkauf so schleppend lief. Könnte es sein, dass es an den Produkten liegt? Man erinnere sich: Normalerweise lief es immer nach dem gleichen Muster; eine gewagte neue Interpretation, ein ungewohntes Bühnenbild, eine originelle Regie löste bei der Premiere einen Sturm der Entrüstung aus. Das beste Beispiel ist hier sicher der legendäre Ring 1976, bei dem es zu regelrechten Saalschlachten zwischen Befürwortern und Gegnern kam und sich Industriellengattinnen die Frisuren ruinierten. Im nächsten und übernächsten Jahr war dann die gewagte neue Interpretation, das ungewohnte Bühnenbild, die originelle Regie schon ein Publikumsmagnet. Es gab kaum Karten. Chéreaus Ring wird heute als «Jahrhundertring» gefeiert. Ein genauso schönes Beispiel für gewagte neue Interpretation, ungewohntes Bühnenbild, originelle Regie, die erst abgelehnt und dann permanent verkauft wurde, ist der Ratten-Lohengrin von Neuenfels.
Nun hat das leider beim Castorf-Ring nicht funktioniert. Das war die erste Produktion, bei der die Rundfunkanstalten den Auftrag hatten, ständig zu sagen, es gebe noch Karten.
So bräuchte man vielleicht nicht KEINEN Wagner, sondern BESSEREN Wagner?

Claudia Roth hat für ihre super-dämliche Idee eine Menge Spott bekommen. So schreibt die WELT:

Man könnte «Der Traum ist aus» spielen, das Ton Steine Scherben Musical, dass es noch gar nicht gibt. Oder «Der König der Löwen» – so weit weg vom «Hojotoho» der Walküren und dem «Wagalaweia» der Rheintöchter aus dem «Ring» ist das «Hakuna Matata» ja nicht…
…Ein Schwachsinn bleibt die Idee.

Ich habe neulich vom Wanken kultureller Festungen gesprochen. Nun haben wir das Über-die-Musik-sprechen und den Wagner in Bayreuth.
Die Frage ist, was noch alles kommt.







 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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