Freitag, 24. Februar 2023

Max Goldt und der Besen

Ich lese gerade das Buch «Ä» und ich fege zwischendurch mein Zimmer.

Verstehen Sie das? Nein? Ok, dann drücke ich das mal anders aus:

Ich lese gerade Max Goldt und man reiche mir einen Besen.

Klar? Nein?
Gut, dann fangen wir ganz von vorne an:

Es ist interessant, dass man die Redewendung «man reiche mir einen Besen» nicht bei Google findet. Für mich – und für etliche Kommilitonen – war sie eine Zeit lang sehr bedeutend. Ursprünglich kommt das aus einem Asterix-Band, und zwar dem Band «Asterix bei den Olympischen Spielen». Hier trainiert der römische Legionär, ein gestählter und eitler Muskelprotz im Wald und ist begeistert von sich – bis er den beiden Galliern begegnet. Obelix wirft weiter und ist stärker und schneller und so kommt Musculus heim und sagt zu seinem Mentor Tullius Redefluss, er sei er Versager. Er holt einen Besen («aber keinen schweren!») und beginnt, niedrigste Arbeit zu tun. Wie so oft bei Goscinny und Uderzo bleibt der Spruch als Running-Gag im Buch.

Während des Studiums wurde das nun ein beliebter Spruch. Fragte jemand: «Wie war deine Klavierstunde?», antwortete der oder die andere: «Man reiche mir einen Besen.» Fragte jemand, wie das Konzert von dem oder der gewesen sei, und der oder die andere hatte deprimierend gut gespielt, sagte man: «Man reiche mir einen Besen.» «Bereit für den Auftritt?» wurde mit «Wo ist der Besen?» gekontert.

Nun lese ich also gerade das Buch «Ä» von Max Goldt. Und ich habe ständig das Bedürfnis, einen Besen zu schnappen und meine Ecken zu fegen. Der Mann ist einfach verdammt gut.

Nun habe ich schon ein gesundes Selbstbewusstsein. Sehr häufig lese ich Glossen oder Kolumnen oder Satiren oder andere Textlein und beim Lesen dieser Glossen oder Kolumnen oder Satiren oder anderen Textlein denke ich: Diese Glossen, Satiren, Kolumnen, Textlein, Anekdoten, Geschichtlein hätte ich besser gekonnt. Und das auch bei bekannten Leuten.
Ich habe zum Beispiel zu Weihnachten ein Buch von dem Kolumnisten, der ALLES IMMER GROSSSCHREIBT bekommen. Und ich habe die Kolumnen von jenem, der ALLES IMMER GROSSSCHREIBT gelesen und es nicht mehr gut gefunden – wenn ich es jemals gut fand. Gut, der Mensch hat sich zur Ruhe gesetzt, das hat er auch verdient – und wir.

Ich finde also längst nicht alles gut und bei vielen Autoren denke ich, das hätte ich auch hingebracht. Aber Goldt… das ist erste Sahne.

Nur ein paar kleine Kostproben:

…der Titel «Ä» kommt nicht – wie erwartet – vom Sprach- und Sprechfüller, er kommt von den schönen Feiertagen mit «MariAE…». Und Goldt schlägt auch ein wunderbares neues Ritual vor: Die muttergöttlichen Ä-Feiertage … sollte das ganze Volk begehen. Die einen preisen Maria, die anderen den Umlaut. Schöne Prozessionen sind denkbar: Vornweg gehen die Frommen und rufen «Mari-, Mari-, Mari-«, die weniger Frommen schreiten hintenan und rufen «Ä, Ä, Ä».

…in einem Text kommt eine Definition von «Eleganz» vor: Eleganz ist eine Form der Komplexität, die sich nicht über die Einfachheit erhaben fühlt. Goldt meint dann, dass viele Leser denken würden, dass ein solches Wort von einem grossen Denker oder Philosophen stammt, schreibt aber dann: Weit gefehlt! Es ist eine selbstgemachte Definition, die ich mit viel Liebe in meinem Privatkopf hergestellt habe. Selbst die gequälteste selbstgemachte Definition ist immerhin etwas Besseres als selbstgemachte Schweinskopfsülze.

…Goldt berichtet von Menschen, die ständig über ihre Stadt meckern, ihre Stadt sei ja so provinziell, langweilig, blöde, spiessig usw., usw., usw. Goldt findet hier ein wunderschönes Wort für dieses Verhalten: Im Gegensatz zum «Lokalpatriotismus», der die eigene Gemeinde oder Metropole über allen Klee lobt, nennt er das hier «Lokalmasochismus».

…und wie würde Goldt die ORKs nennen, über wir im vorletzten Post nachgedacht haben? Goldt nennt solche Dinge eine verlässliche Quelle des Missvergnügens.

Ach, man könnte noch viel mehr sagen, aber: Lesen Sie selber.

Ich lese gerade das Buch «Ä» und ich fege zwischendurch mein Zimmer.
Ich lese gerade Max Goldt und man reiche mir einen Besen.

Menschen, die mich kennen, werden jetzt ganz böse sagen: Wenn du immer fegst, wenn eine andere Autorin oder ein anderer Autor besser ist, dann wissen wir jetzt auch, warum es bei dir so sauber ist…



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