„Sei doch endlich mal spontan“, sagt mein Kumpel Fryd, als wir über das Neue Jahr, die Pläne und Vorhaben diskutieren, „sei doch endlich mal spontan und plane nicht immer alles. Einfach mal alles auf dich zukommen lassen…“
Fryd ist ein spontaner Mensch. Er plant eigentlich nie und lässt wirklich alles auf sich zukommen. Fryd bringt es fertig, an einem Samstag loszufahren, ein wenig Gepäck, ein wenig Geld und sein GA und reagiert stets völlig spontan. Er nimmt den ersten Zug und fährt mit diesem los, er steigt dann um, wenn es ihm passt, steigt wieder um, wenn es ihm passt und er steigt aus, wenn ihm der Name der Stadt gefällt. Dort bummelt er herum, nimmt sich ein Hotel – oder auch nicht, Fryd kann auch am Flussufer schlafen, vielleicht fährt er auch weiter, es ist alles sehr Stegreif.
„Sei doch endlich mal spontan“, sagt mein Kumpel Fryd.
Auf diese Weise hat Fryd schon wunderbare Sachen erlebt. 2018 trieb ihn seine Un-Planung nach Zoll am Zollerbach, einem pittoresken Städtchen mit Fachwerk im Nordschwarzwald, das einem schon beim ersten Durchlaufen die Freudenschreie entlockte. Er fand im «Goldenen Ochsen» ein herrliches Quartier, er ass gut, trank guten Wein und schlief gut, er kaufte in einer wirklich entzückenden Galerie eine Lithografie und schwamm im Freibad etliche Runden, müde und glücklich, nein, selig kehrte er heim.
„Sei doch mal richtig ungeplant“, sagt mein Kumpel Fryd, als wir über 2023, die Planungen und Ideen reden, „sei doch mal spontan und plane nicht immer alles. Einfach das Leben auf dich zukommen lassen…“
Fryd hat aber auch schon richtige Scheisswochenenden erlebt. Im Zullertal waren die Gemeinden hässlich und abweisend, ein Ort scheusslicher als der andere, Strassengemeinden mit 60er-Charme und Einfamilienhäuser mit Glasbausteinen, keine richtigen Ortszentren, jedes Aussteigen eine grössere Enttäuschung. Dann um 18.00 gezwungenermassen ein Quartier in Zullingen an der Zuller, es regnete nämlich in Strömen, der «Silberne Stier» allerdings war ein 100%iger Flop, das Zimmer wüst und das Essen ungeniessbar…
„Sei doch endlich mal spontan“, sagt mein Kumpel Fryd.
Wenn man Fryd allerdings nach seinen Weekends fragt, dann bekommt man immer positive Antworten. Die schönen Wochenenden sind eh schöne Wochenenden gewesen, da muss er nur berichten, nur rapportieren, nur schwärmen; die nicht schönen werden aber schöngeredet, da hatte man das tolle Wetter eigentlich satt, und man hatte auch richtig Lust, Strassengemeinden mit 60er-Charme und Einfamilienhäuser mit Glasbausteinen, keine richtigen Ortszentren zu sehen, und man hatte auch leckere Salate und schmackhafte Steaks satt und freute sich auf versalzene Suppen. So nach dem Motto: Jede Erfahrung ist wertvoll…
„Sei doch endlich mal spontan“, sagt mein Kumpel Fryd, als wir über das Neue Jahr, die Pläne und Vorhaben diskutieren, „sei doch endlich mal spontan und plane nicht immer alles. Einfach mal alles auf dich zukommen lassen…“
Was fange ich nun mit Fryds Ratschlägen an?
Nix.
Gar nix.
Alle meine schönen Zeiten sind irgendwie geplant.
Ich bin noch nie in XY ausgestiegen und ZUFÄLLIG gab es dort das «Rheingold» als Ring-Beginn und ZUFÄLLIG gab es noch Karten für alle die vier Abende und ZUFÄLLIG gab es auch ein Hotel, das bezahlbar war.
Ich habe noch nie in YZ den Bahnhof verlassen und kam ZUFÄLLIG am schönsten Hallenbad vorbei, es war neu und chic und hatte eine 50m-Bahn und hatte ZUFÄLLIG auch noch offen, und ZUFÄLLIG war auch kaum jemand am Schwimmen.
Ich bin noch nie in ZA ausgestiegen und habe ZUFÄLLIG eine Kirche gefunden, in der Glasfenster von Max Beckmann, Paul Klee oder Paula Modersohn waren, und die Kirche hatte auch noch ZUFÄLLIG offen, um die herrlichen Arbeiten von Max Beckmann, Paul Klee oder Paula Modersohn zu besichtigen.
Ich bin noch nie in AB gelandet und habe etwas erlebt, dass nur ungeplant möglich war…
Ich denke, dass ist genau der Punkt: Warum messen wir den Ereignissen so viel mehr Wert zu, wenn wir sie nicht planen?
Warum wäre der «Ring» mehr wert, wenn ich nicht wüsste, wo einer ist? Warum ist ein Schwimmen mehr wert, wenn ich ZUFÄLLIG vorbeikomme und dann auch noch Handtuch und Badehose mieten muss? Warum sind Kirchenfenster, die ich nicht im Reiseführer gefunden habe, besser als solche, die der Reiseführer mir empfahl?
Sehen Sie.
Abgesehen davon:
Bei vielen Theatervorstellungen, die ich für dieses Jahr geplant habe, sind die Tickets schon ausverkauft.
„Sei doch endlich mal spontan“, sagt mein Kumpel Fryd, als wir über das Neue Jahr, die Pläne und Vorhaben diskutieren, „sei doch endlich mal spontan und plane nicht immer alles. Einfach mal alles auf dich zukommen lassen…“
Fryd darf das gerne so machen.
Ich bleibe bei meiner Planung.
IN DIESEM SINNE EIN FROHES UND GESUNDES 2023!
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