Dienstag, 4. Oktober 2022

Mein Umzug (3): Überflüssige Dinge, neues Quartier und geputzte Wohnung

Die überflüssigen Dinge

Es ist erstaunlich, dass es bei mir schon wieder überflüssige Dinge gab, also Dinge, die man lange nicht in der Hand hatte, die am alten Ort keinen Platz hatten und am neuen auch nicht, Dinge, die man vors Haus legt und hofft, dass sie jemand mitnimmt.
Das ist deshalb so erstaunlich, weil ich 2018 vor meinem Umzug in die Leimenstrasse ausmistete. Und 2020 während des ersten Lockdowns nochmals.
Nehmen wir also ein kleines Beispiel: Wie hat es die blaue Kerze in Delphinform zweimal geschafft, meinen Argusaugen zu entgehen? Ich habe die Kerze nie schön gefunden; als meine Kusine zweiten Grades Lola sie mir zum fünfzigsten Geburtstag schenkte, war klar, das Ding kommt in irgendeine Kiste und bei der nächsten Gelegenheit… Diese Gelegenheit war 2018 beim Zügeln. Wie um aller Himmels Willen hat der Delphin es abermals in eine Umzugskiste geschafft? Dies wird ob seines Kitsches und seiner überbordenden Scheusslichkeit wohl ein Mysterium bleiben. Und dann der Lockdown, auch hier hätte er verschwinden müssen, es gab keinen Grund ihn wieder in die Tiefen des Schrankes zurückzulegen.
Jetzt aber beim Einpacken habe ich ihn erwischt. Als ich ihn in meinen erbarmungslosen Händen hielt, war klar: Du kommst vor die Türe.
Und das kam er dann auch, in eine Kiste mit der Aufschrift GRATIS, zusammen mit dem violetten T-Shirt, auf dem SUPER DAY stand, zusammen mit drei Büchern von Hera Lind (wer hatte mir die um Himmels Willen geschenkt?), mit einem Fläschchen rosa Entspannungsöl und einer grün-gelb-gestreiften Kaffeetasse. Was nicht für mein Quartier spricht: Alle Scheusslichkeiten waren innert Minuten mitgenommen…

Das neue Quartier

Wer von Brooklyn nach Queens zieht, zieht in eine neue Stadt. Nichts ist dort bekannt oder vertraut, man war vielleicht sogar noch nie in diesem Borough, ja sogar die Sprache ist verschieden, der Brooklyner wird sich noch lange wie Petrus anhören müssen «…denn deine Sprache verrät dich…».
Wer von Köpenick nach Spandau zieht, zieht in eine neue Welt. Nicht ganz so schlimm wie in NY, immerhin war man schon einmal am Müggelsee oder in der Zitadelle, auch sprachlich ist es das Gleiche, aber es ist eine neue Sache. Man muss lernen, welche Busse wo fahren, wo es Cafés und Kneipen gibt, man weiss noch nicht, wo der ALDI ist und man muss den Friseur, die Buchhandlung und die Wäscherei wechseln.
Nicht so in Basel, die Stadt ist klein, gerade während der Corona-Zeit haben wir in Spaziergängen fast jedes Quartier kennengelernt. Wir können, auch wenn wir am neuen Ort wohnen, unsere Apotheke, unsere Buchhandlungen (ja, jeder hat seine) und unsere Ärzte behalten, wir müssen unser Leben nicht völlig neu organisieren, gut, wir haben eine neue MIGROS und ein neuen DENNER, aber so what.
Und dennoch…
Und dennoch…
Die versteckt liegende Strasse ist irgendwie etwas völlig Eigenes, viele kennen dieses Strässlein nicht und auch der Taxifahrer, der uns nach der Wohnungsübergabe hierher fährt, ist noch nie in diese Strasse gefahren. Ein neues Quartier. Eine neue Welt.

Die Wohnungsübergabe

Ich meine jetzt die der alten Wohnung. Und hierfür muss ich ein wenig ausholen: Wir wurden ja zum Umzug gezwungen, denn die Einheiten am alten Ort werden völlig neu gestaltet werden.
Nein.
Das ist jetzt ein Euphemismus.
Es werden aus traumhaften 50er Jahre-Wohnungen mit 4 Zimmern kleine moderne Appartements mit 2-3 Zimmern gemacht, also alle Wände einreissen, alle Böden raus, alle Küchen raus, alles neu, aber nicht alles schön…
Die Wohnungsgesellschaft versuchte nun jetzt, unsere Wohnungen noch befristet bis Ende Juni 2023 zu vermieten. Ohne Erfolg – Basel hat keine solche Wohnungsnot, dass Menschen nur für 9 Monate in ein neues Heim ziehen. Was würde jetzt bei der Wohnungsübergabe sein? Muss man einen Herd totalreinigen, auch wenn (fast) klar ist, dass niemand mehr drauf kocht? Muss man Fenster putzen, durch die niemand mehr schaut? Muss man Badewannen schrubben, in die niemand steigen wird?
Juristisch ist das eine Grauzone. Denn es KÖNNTE ja sein, dass die Wohnungen noch an den Mensch kommen, es KÖNNTE sein, dass jemand duschen und kochen und fenstergucken will, und dann muss das Ding besenrein sein.
Gut. Besenrein war es – fast. Das ist bei mir Ehrensache. Aber die Fenster waren nicht geputzt und der Backofen hatte noch Flecken.
Und wir mussten nur die Schlüssel übergeben.
Wunderbar.

So viel zum Umzug – ab Freitag gibt es ein paar Auszüge aus meinen nicht mehr existierenden Sprüchen.

 

 

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