Holla hatte vor etlichen Jahren gesundheitliche Probleme, sie hatte immer kalte Hände und leichte Kopfschmerzen. Ihre Freundin Hilla riet ihr, zu einer Kinesiologin zu gehen, vielleicht litte Holla an einer Amalgamallergie, und die Kinesiologin könne das herausfinden. Sie selbst, so Hilla, litte an Jucken im Bauchbereich und kalten Füssen, und die Kinesiologin habe das mit dem Amalgam herausgefunden und sie, Hilla, liesse sich jetzt das Amalgam herausnehmen.
Holla ging also zur Kinesiologin, diese diagnostizierte durch ihre typischen kinesiologischen Methoden eine Amalgamvergiftung und empfahl eine Sanierung. Holla machte dies aber dennoch nicht, als sie zwei Dinge herausfand:
1) Bei Hilla blieben die kalten Füsse und das Jucken, auch als das ganze Amalgam herausgebohrt war.
2) Die Kinesiologin empfahl jedem und jeder, also wirklich ALLEN das mit dem Amalgam, ihre Diagnose war immer die gleiche.
Helga spielt nicht nur in einer Blasmusik, nein, sie ist sogar die Präsidentin und als solche gehört es zu ihren Aufgaben, nach einem Wettbewerb mit Stiller Bewertung zum Gespräch zu gehen. (Für die Nichtkenner der Musikszene: Bei einer Stillen Bewertung gibt es keine Punkte, sondern man wird zu einem Expertengespräch aufgeboten, bei dem ein Juror kommentiert, lobt und kritisiert, erklärt was und vor allem wie es besser gemacht werden kann.)
Bei den Musiktagen in Bad Schlönborn, bei dem Helga und einige ihrer Mitspieler zum Gespräch mit dem Experten Dudl Dudelheimer gehen, ist Helga aber einigermassen enttäuscht und verwundert. Dudl Dudelheimer schwatzt ziemlich um den Brei rum, sagt nicht klar, was gut und was schlecht war, er schwafelt und salbadert, kommt dann aber zum Schluss auf einen ganz konkreten Punkt: Die Klarinetten brauchen ein dickeres Blättchen.
Ein paar Tage später erfährt Helga, dass Dudelheimer das zu jedem Verein gesagt hat, anscheinend ist er Klarinettist und spielt gern auf dicken Blättchen…
Hulda, eine Freundin von mir, träumt viel. Und sie kann sich am Morgen meist an Traumfetzen erinnern. Mal sind es Albträume, mal sind es Stressträume, oft aber auch schöne, paradiesische, urlaubshafte Träume, häufig sind ihre Träume erotisch und häufig auch gewaltsam. Ihre Palette ist also gross, feststeht nur: Sie träumt. Obwohl Hulda genügend schläft, ist sie tagsüber oft müde. Um das abzuklären, schickt ihre Hausärztin sie in ein Schlaflabor.
Das Schlaflabor stellt fest, dass die junge Frau unter einer Schlafapnoe leidet und verkauft ihr eine Schlafmaske. Als ich Hulda ein paar Wochen später treffe, bin ich völlig entsetzt: «Hulda, du träumst doch jede Nacht, das heisst, du bist in der REM-Phase, also schläfst du tief genug! Was ist das für ein Quatsch!» Hulda bringt die Maske zurück und macht noch einmal ein grosses Blutbild. Der Übeltäter heisst Vitamin B12.
Seit 2017 gibt es im Kanton Schwyz bei den Kindern und Jugendlichen einen rasanten Anstieg der Fälle von Asperger-Syndrom. Dafür nehmen seit vier Jahren die ADHSler ab.
Warum das so ist, weiss niemand, aber es gibt eine Vermutung, Dr. Hubert Fischli, der Kantonspsychologe bis 2017, hatte über ADHS promoviert, sein Nachfolger, Dr. Helmut Weiss, schrieb seine Doktorarbeit – das können Sie jetzt leicht erraten – über das Asperger-Syndrom.
Nette Geschichten, werden Sie sagen.
Nette Geschichten.
Das Schreckliche aber ist: Alle diese Geschichten sind mehr oder weniger wahr, nur mit anderen Personen zu anderen Zeiten.
Holla bin ich selbst, weil ich feststellte, dass irgendwie alle, die zu einer Kinesiologin gehen, dann ihr Amalgam rausmontieren lassen, und weil es bei den Freundinnen Evi und Chris nix gebracht hatte, sagte ich alle Zahnarzttermine ab. Inzwischen sind übrigens alle alten Plomben draussen, weil sie ersetzt werden mussten…
Das mit dem Klarinettenblättchen ist übrigens auch mir passiert, ich war «nur» der Dirigent, aber der Experte sagte genau das – ich habe seinen Namen vergessen.
Hulda ist in Wirklichkeit eine Schülerin von mir. Sie erzählt mir selbstverständlich nicht ihre Träume, die kenne ich nicht, aber sie sagt, sie träume sehr viel. Weil sie immer so müde ist, soll sie in ein Schlaflabor, aber ich bestehe darauf, dass es andere Gründe geben muss.
Und das mit den Psychologen stimmt auch, nur ein anderer Kanton und es sind Frauen.
To a man with a hammer, everything looks like a nail.
So schreibt Mark Twain. Und der Spruch ist ja auch sehr treffend. Er beschreibt das, was man als «Betriebsblindheit» bezeichnen könnte.
Für den Mann mit dem Hammer sieht alles wie ein Nagel aus.
Das Problem ist, dass es bei Hammer und Nägeln, sprich bei Gegenständen vorkommen kann und irgendwie nicht ganz so schlimm ist, bei Menschen einfach nicht passieren sollte und nicht passieren dürfte.
Wer mit dem Hammer die Scheibe putzt, macht wahrscheinlich Scherben daraus, gut, die bringen Glück und es gibt ja auch Glaser. Wer jemand zu einer Amalgamsanierung rät, die aufwändig – und auch gar nicht so ungefährlich – ist, einfach weil das ihr ständiger Rat ist, die ist eine Schlimme.
Wer mit dem Hammer versucht zu sticken, wird wahrscheinlich keine Tischdecke zustande bringen, wer aber Jugendliche falsch therapiert, der ist ein Monster, weil er den jungen Menschen Lebenszeit stiehlt.
Nein, in Pädagogik und Psychologie, in Bewertung und Medizin sollte es keine «Menschen mit Hammer» geben.
Freitag, 12. November 2021
The Man with the Hammer
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