Dienstag, 1. Juli 2025

Offener Brief an Reza Pahlavi


Hallo Reza Pahlavi

Ich schreibe Ihnen diesen offenen Brief, weil ich gehört und vernommen und mitbekommen habe, dass Sie in den Startlöchern sitzen, die Macht im Iran wieder zu übernehmen. Und aus diesem armen und geschundenen Land wieder ein schönes und tolles Land zu machen.
Ich halte das für keine gute Idee – deshalb schreibe ich Ihnen.

Es ist ja lustig, Ihnen einen Offenen Brief zu schicken; denn da gab es ja schon einmal einen Offenen Brief, einen Text, den die damalig wichtigste Kolumnistin der BRD an Ihre Mutter schickte:

Guten Tag, Frau Pahlavi, die Idee, Ihnen zu schreiben, kam uns bei der Lektüre der »Neuen Revue« vom 7. und 14. Mai, wo Sie Ihr Leben als Kaiserin beschreiben. Wir gewannen dabei den Eindruck, dass Sie, was Persien angeht, nur unzulänglich informiert sind. Infolgedessen informieren Sie auch die deutsche Öffentlichkeit falsch. Sie erzählen da: »Der Sommer ist im Iran sehr heiß, und wie die meisten Perser reiste auch ich mit meiner Familie an die persische Riviera am Kaspischen Meer.« »Wie die meisten Perser« - ist das nicht übertrieben? In Balutschestan und Mehran z. B. leiden »die meisten Perser« - 80 Prozent - an erblicher Syphilis. Und die meisten Perser sind Bauern mit einem Jahreseinkommen von weniger als 100 Dollar. Und den meisten persischen Frauen stirbt jedes zweite Kind - 50 von 100 - vor Hunger, Armut und Krankheit. Und auch die Kinder, die in 14tägigern Tagewerk Teppiche knüpfen - fahren auch die - die meisten? - im Sommer an die Persische Riviera am Kaspischen Meer?...

Es ging dann gerade so weiter, Frau Meinhof prangerte all das an, was Ihr Vater dem Land antat, von Hunger kam sie auf Willkür, von Haft auf Folter usw. Das Schreiben sollte eigentlich Anfang Juni 1967 in «Konkret» erscheinen, die Ausgabe wurde aber beschlagnahmt und am 2. Juni 1967 als Flugblatt verteilt, ja, ja, ja, jener zweite Juni, an dem Ihre Eltern in Berlin in die Oper gingen und die gekauften Jubelperser auf deutsche Demonstranten einschlugen und die deutsche Polizei auf die deutschen Demonstranten losging. Und was dann alles irgendwie viel später in die RAF einfloss…
Haben Sie das mitbekommen, oder waren Sie da noch zu jung?

Auch wenn Sie nicht mehr alles wissen, Sie sollten verstanden haben, dass Ihr Vater kein Freund des Volkes war, sondern ein Despot. Ich weiss nicht, wer im Wettbewerb «Anti-Demokratie» (Anzahl Todesstrafen, Anzahl Folterungen, Anzahl willkürlicher Verhaftungen usw.) den ersten Platz macht, Ihr Vater oder die Mullahs, aber ich glaube, die schenken sich nichts.

Was Sie wahrscheinlich nie völlig studiert haben – weil es vor Ihrer Zeit war – ist, wie Ihre Familie an die Macht kam: Da wurde ein gewählter Präsident gestürzt, von der CIA aus amerikanisch-britischer Ölgeilheit heraus, und die Pahlavis übernahmen die Macht. Und, das muss man klar sagen, wurden vom europäischen Hochadel und von der Klatschpresse hofiert, denn der Unterschied zwischen konstitutioneller Monarchie (bis 1953) und absoluter (ab 1953) war vielen nicht ganz klar.

Werter Herr Pahlavi, Sie sitzen in den Startlöchern und betreiben immer mehr Aktivität, um wieder gehört zu werden, auf X, auf You Tube, auf was auch immer.
Lassen Sie es sein.

Ihr Vater ging übrigens im demokratischsten Land der Welt in die Schule: Er war Zögling des Internats Le Rosey in Rolle (VD), einer Anstalt, die mit einer Jahresgebühr im sechsstelligen Bereich eher hochpreisig genannt werden müsste.
Sass man da nur beim Tee in der Riesenvilla und blickte in die Landschaft? Oder besuchte man auch Volksversammlungen, Volksabstimmungen, den Nationalrat, den Ständerat, den Bundesrat? Ihr Herr Vater hätte hier so viel über wirkliche Demokratie lernen können.
Aber – wie ich höre – gingen auch zukünftige CIA-Bosse in diese Schule. Vielleicht wurde im Wintergarten des Le Rosey sogar das Gegenteil gemacht, bei Tee (oder stärkeren Getränken) und mit Blick auf die Landschaft (oder den Genfersee, den Lac Leman) wurde schon der Umsturz geplant…
Viele Despoten haben ja ihre Bildung in der Eidgenossenschaft bekommen, aber nix von Freiheit und Demokratie mitbekommen, der Koreaner ja auch.

Lieber Herr Pahlavi,
Ich schreibe Ihnen diesen Brief, weil ich gelesen und vernommen und mitgekriegt habe, dass Sie in den Startlöchern sitzen, im Iran wieder mitzumischen. Und aus diesem armen und geschundenen Land wieder ein schönes Land zu machen.
Ich halte das für keine gute Idee.
Es sei denn…
Es sei denn…
Es sei denn…
Sie entschuldigen sich erst einmal bei Ihrem Volk. Für das, was Ihre Familie Persien angetan hat. Und da ist es egal, ob Sie Asche benutzen oder sich dreimal auf die Brust schlagen, ob Sie sich 100fach niederwerfen, oder ob Sie um einen Berg robben oder Tiere opfern.
Sühne und Busse.

Dann können wir weitersehen.

Und wenn dieser Offene Brief auch beschlagnahmt wird, dann müssen wir halt wieder Flugblätter machen…



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