Liebe Leserin, lieber Leser
KLIMA-AKTI-VISTEN
Das war es für heute.
P.S. Der heutige Post wurde leider durch Aktivisten behindert, die sich daran festgeklebt haben. Ich habe sie nicht losbekommen – sie kleben zu fest.
Liebe Leserin, lieber Leser
KLIMA-AKTI-VISTEN
Das war es für heute.
P.S. Der heutige Post wurde leider durch Aktivisten behindert, die sich daran festgeklebt haben. Ich habe sie nicht losbekommen – sie kleben zu fest.
Ich habe neulich Kochbücher erwähnt. Und ich habe erwähnt, dass ich mir keines in Slowenien gekauft habe, um die Zahl meiner nichtbenützten Kochbücher nicht noch zu erhöhen.
Haben Sie, liebe Leserin, lieber Leser, darüber geschmunzelt? Gelacht? Mich ausgelacht?
Gut.
Machen wir einen kleinen Test: Wie viel Kochbücher besitzen Sie?
Zwei? Ehrlich?
Drei? Ohne Mist?
Nein, ich meine nicht die paar verklecksten und bemehlten Dinger, die wirklich in Ihrer Küche stehen. Gehen Sie bitte mal an Ihren Bücherschrank, bücken Sie sich und schauen auf das Tablar, das Sie seit dem Einräumen nicht angeschaut haben. Was sehen Sie?
Zum Beispiel das Folgende:
Giovanna Guardino: Pomodoro e Pesto – Die Küche der Basilicata, Grotto Verlag München
Peter v. Schmull: Vegan, aber lecker – 50 Rezepte ohne Fleisch, Milch und Eier, Aufstand Verlag Berlin
Emma Hobel: 30 Rezepte aus dem Fluotta-Tal, Heimatverlag Altdorf
Franz Frinz & Peter Poter Die schönsten Cocktails mit Orangensaft, Drink-Verlag Düsseldorf
usw.
usw.
usw.
Wahrscheinlich sind es ca. 30 Bände. Machen Sie nun eine Aufstellung:
Von welchen Büchern wusste ich noch? Welche hatte ich vergessen?
Welche Bücher habe ich nach dem Einräumen in der Hand gehabt?
Aus welchen Büchern habe ich Rezepte angewandt?
Ich kann Ihnen das Ergebnis sagen: Sie haben 50% der Bücher vergessen gehabt. Sie haben 0 bis 4 Prozent der Bücher noch einmal in die Hand genommen, Sie haben aus 0% der Schwarten etwas gekocht oder zubereitet.
Warum haben wir alle Kochbücher, die wir nicht benutzen?
Gut, einverstanden, viele haben wir geschenkt bekommen, aber das löst nicht das Problem. Denn eigentlich ist ein Kochbuch ja so etwas wie eine Sammlung von Anleitungen. Die Rezepte machen ja erst Sinn, wenn sie sich in duftende Speisen und leckere Kuchen, in erfrischende Getränke und aromatische Desserts verwandeln, und solange sie sich eben nicht in duftende Speisen und leckere Kuchen, in erfrischende Getränke und aromatische Desserts verwandeln, sind sie nutzlos.
Würden Sie sich zum Beispiel eine Grammatik des Baskischen kaufen und sie in Ihr Bücherregal stellen? Natürlich nicht. Es sei denn, Sie haben vor Baskisch zu lernen, was wenig Menschen machen.
Würden Sie sich freuen, wenn ich Ihnen eine Ikebana-Grundeinführung schenke? Nicht? Aber warum denn nicht? Die Fotos sind sicher genauso schön wie die in den Kochbüchern.
Hätten Sie Bedarf an Wanderkarten aus dem Fluotta-Tal? Warum ziehen Sie nun einen Flätsch? Sie besitzen doch auch ein Kochbuch aus diesem innerschweizer Tal, warum nicht auch dort wandern?
Nein.
So kommen wir dem Geheimnis der Kochbücher nicht auf die Spur. Versuchen wir es also ein wenig systematischer. Vier Punkte konnte ich verifizieren: Fotobetrug, Einfachheitsbetrug, Lebensplanungsbetrug und Einmaligkeitsbetrug.
Fotobetrug:
Anders als die Speisen aus Ihrem Herd sehen die in den Kochbüchern einmalig schön und *******-verdächtig aus. Aber seien Sie getrost: Hier wurden nicht einfach Speisen abgeknipst, hier hat ein Team von 3 bis 10 Food Fotographern stundenlang herumgeschoben und arrangiert, dann wurden die Bilder gemacht und dann – Sie ahnen es: Foto Shop. Mit der Mühe sieht ihre Schokotorte genauso lecker aus.
Einfachheitsbetrug:
Alle die Rezepte suggerieren Ihnen, sie seien einfach nachzumachen. Das Gegenteil ist der Fall. Nehmen wir nur den ersten Satz des ersten Rezeptes von Giovanna Guardino: «8 Zwiebeln möglichst fein hacken.» Wenn Sie die Dinger nicht einfach durch den Smoothiemaker jagen – was kein Koch, keine Köchin je täte – dann sitzen Sie sehr lange – und tränenreich.
Lebensplanungsbetrug
Nun wird es ein wenig psychologisch. Die Bücher spiegeln Ihnen vor, dass eine neue Wendung, eine neue Richtung in Ihrem Leben möglich wäre. Sie haben es nicht geschafft, den Job im Mezzogiorno zu bekommen, aber nun denken Sie (oder es wird Ihnen vorgemacht), dass kochen wie dort das Gleiche wäre. Das Vermögen langt noch nicht für ein Leben wie Gunther Sachs, aber wenigstens ein Cocktail geht ja…
Einmaligskeitsbetrug
Sie denken, dass Sie Rezepte aus einem dieser Schinken dann einmal machen werden, wenn Sie Gäste haben und mit den seltenen Speisen Eindruck schinden können? Vergessen Sie es. Ihre Bekannten haben Peter v. Schmull: Vegan, aber lecker – 50 Rezepte ohne Fleisch, Milch und Eier, Aufstand Verlag Berlin und Emma Hobel: 30 Rezepte aus dem Fluotta-Tal, Heimatverlag Altdorf im Schaufenster der Buchhandlung auch gesehen.
Ich habe neulich Kochbücher erwähnt. Und ich habe erwähnt, dass ich mir keines in Slowenien gekauft habe, um die Zahl meiner nichtbenützten Kochbücher nicht noch zu erhöhen.
Haben Sie, liebe Leserin, lieber Leser, darüber geschmunzelt? Gelacht? Mich ausgelacht?
Tun Sie jetzt nicht mehr.
Liebe Leserin, lieber Leser
Wissen Sie, was ein «Interessenkonflikt» ist?
Ja?
Wenn nicht, hier ist das, was Wikipedia dazu sagt:
Der Interessenkonflikt (auch Interessenskonflikt oder Interessenkollision) ist ein Konflikt, der durch das Zusammentreffen gegensätzlicher Interessen in einer Person entsteht, die ihren Ursprung im unterschiedlichen Status dieser Person haben.
Einerseits hat die Person aus vertraglichen, gesetzlichen oder moralischen Gründen die Interessen eines Anderen zu wahren; andererseits ist sie zugleich Privatperson mit eigenen Interessen oder befindet sich in einem weiteren Verhältnis zur Wahrung von Fremdinteressen, aufgrund dessen sie kollidierende Fremdinteressen zu wahren hat. „Interesse wahren“ heißt, dass die Person Entscheidungen treffen muss, um eigenes Interesse oder Fremdinteresse durchzusetzen.
Ein klassisches Beispiel ist sicher jener Richter, der einen Angeklagten verurteilen soll, obwohl er weiss, dass dieser unschuldig ist. Nicht jener hat den Gegenstand kaputtgemacht, sondern der Richter selber. Jeder kennt den Stoff: Der Zerbrochene Krug von Heinrich von Kleist. Ich habe übrigens das Stück sehr früh in meinem Leben im wunderbaren Theater der Altstadt in Stuttgart gesehen, und die Vorstellung war – das möchte ich in Anlehnung an den wunderbaren Text Alte Meister von Thomas Bernhard sagen – NICHT entsetzlich gewesen, sondern sehr gut.
Eine andere Art von Interessenkonflikt stellt sich jedem Schulleiter: Das Unterrichten der eigenen Kinder. Es wäre ja schon sinnvoll, dass die eigenen Kinder gar nicht auf dieselbe Schule gehen, also die Schule, wo die Eltern unterrichten, aber häufig ist das nicht möglich. Gar nicht möglich ist es im Grundschulbereich (in der Schweiz sogar bis Sek I), wenn man als Lehrer am Arbeitsort wohnt, aber auch im gymnasialen Bereich kann es vorkommen. Wenn das nächste Gymi in der Kreisstadt ist, dann werden die Kinder eben auch dort hingehen, wo Vater und Mutter lehren.
Also muss man beim Einteilen aufpassen, dass es zu diesem Konflikt nicht kommt. Wenn Marco in die 5C geht, dann hat Papa Uli die 5C nicht in Englisch, sondern die 5B und wenn Sara in die 8E geht, dann hat Mama Lisa eben nicht die 8E in Deutsch, sondern die 8F.
Spannend ist ja, dass meistens, wenn man das Zusammentreffen nicht verhindert, die Lehrer- und Lehrerinnenkinder nicht milder, sondern strenger als die Klassenkollegen benotet werden – damit es ja nicht heisst, man wäre…
So.
So einfach und so gut.
Man versucht Interessenkonflikte zu vermeiden. Bei den Juristen gibt es Befangenheit und bei den Lehrern sinnvolle Pensen. Und wenn man jemand zum Schöpfen von leckeren Spaghetti Bolognese sucht, dann nimmt man einen Vegetarier (oder eine mit Zöliakie) – die haben eh ihren Extratopf. Und der Polizist, der die Parksünder aufschreiben muss, tut das nicht im eigenen Quartier.
Nein.
So kompliziert und so schlecht – zwei bis drei bis vier Ebenen oberhalb.
Denn je weiter man in die höheren Höhen der Gesellschaft und der Politik heraufsieht, umso mehr wimmelt es von Interessenkonflikten.
Und niemand hat ein Problem damit.
Wollen Sie ein Beispiel?
Da gibt es den Förderkreis Deutsches Heer e.V. und die Deutschen Wehrtechnischen Gesellschaft e.V., beide als Vereine getarnte Lobby-Organisationen der Rüstungsindustrie, aber das ist ok so, jede Industrie darf Lobbyarbeit betreiben, darf versuchen, eigene Produkte zu vermarkten. Nun ist aber eine nette ältere Dame Mitglied in beiden (!) Clubs und diese nette ältere Dame ist nun auch noch Vorsitzende (!) des Verteidigungsausschuss des Bundestages: Agnes Strack-Zimmermann. Ein Zusammentreffen, das nun gar nicht geht. Aber ASZ scheint damit kein Problem zu haben, ja sie tut alle Einwände – zum Beispiel die von LOBBYCONTROL – als geradezu abstrus ab:
«Ich war unbestechlich schon in der Sandkiste.»
«Ich war unbestechlich schon in der Sandkiste.» Lassen Sie sich diesen Ausspruch mal auf der Zunge zergehen.
Erst einmal: ich glaube das nicht, das wäre unmenschlich, und wenn ASZ nicht doch – wie einige behaupten – eine Androidin ist, dann hat man sie sicher mit Schokolade oder Eis oder beidem oder noch mehr von der Rutschbahn (auf die ihre Kusine wollte) zur Schaukel locken können.
Aber zweitens: Vielleicht waren Ärsche wie Berlusconi oder Blattner oder irgendein Oligarch auch in der Sandkiste unbestechlich. Liebe ASZ, deine Sandkistenzeit ist 60 Jahre (!) her, da warst du vielleicht unbestechlich, aber wer sagt uns, dass du es NOCH bist?
Nein.
Auf der Regierungs- und Staatsebene wimmelt es so von Interessenkonflikten, dass einem schwindlig werden kann. Und alle sind irgendwie sind alle Übermenschen, Heilige und Götter. Alle unbestechlich und über der Sache stehend seit der Sandkiste.
Und so wird Papa Uli, der nun doch seinen Sohn in der 5C unterrichtet, sagen:
«Ich war unbestechlich schon in der Sandkiste.»
Und hier noch eine zweite Runde mit Impressionen aus Slowenien:
Tiere
Drei Tiere, so schärfte uns die Fremdenführerin in Ljubljana ein, drei Tiere seien wichtig und zentral für Slowenien: Der Bär, der Lipizzaner und die Biene. Der Bär, weil er in den dichten Wäldern des dünn besiedelten Landes wieder heimisch geworden sei, der Lipizzaner, weil die Rasse ursprünglich aus der slowenischen Stadt Lipica komme und die Biene, weil sie so wichtig für die Umwelt sei (Umwelt siehe Post vom Dienstag…).
Nun vergass die gute Frau, die es übrigens richtig nett machte und ein hervorragendes Deutsch sprach, ein ganzes wichtiges Tier. Ja, man muss sogar klar sagen, dass es nicht nur Bär, Lipizzaner und Biene sind, sondern Bär, Lipizzaner, Biene und – Grottenolm.
Jetzt staunen sie.
Aber wenn Ihnen jemand ein Stofftier aus Slowenien mitbringt, dann ist das eben weder ein Petz, noch ein Ross, noch eine Maja, sondern ein Drache oder ein Olm. Huch, nun sind es ja schon fünf, aber da der Drache (das Symbol und Wappentier der Hauptstadt) kein reales Tier ist, zählen wir ihn nicht.
Der Grottenolm also.
Der Grottenolm (Proteus anguinus) ist ein dauernd in Larvenform in Höhlengewässern lebender europäischer Schwanzlurch und die einzige Art der Gattung Proteus. Diese Gattung bildet zusammen mit den nordamerikanischen Furchenmolchen die Familie der Olme.
(Wikipedia)
Der Grottenolm lebt wirklich nur in den Höhlen der Region und ist eigentlich auch ein typisch slowenisches Tier. Sie können bei einem Höhlenbesuch das Tierchen nicht nur im Wasser bestaunen – falls Sie es in der Dunkelheit des Aquariums sehen – sondern auch als Stofftier für Ihren Neffen mitnehmen. Allerdings wird Michi wenig Freude haben: Das Tier (und auch die Stoffpuppe) ist WIRKLICH hässlich.
Höhlen
Wobei wir bei den Höhlen sind.
Als man mir einen Besuch des Höhlensystems von Postojna ankündigte, gähnte ich.
Als Kind Württembergs und damit Oftbesucher der Schwäbischen Alb, bin ich, sobald ich krabbeln konnte, in Höhlen geschleppt worden, die berühmte Bärenhöhle ist hier nur eine davon. Ich habe drei Jahre im Wiesental gewohnt, und hier war ein mehrfacher Besuch der Erdmannshöhle unumgänglich. (Es ist übrigens interessant, dass viele Basler sie nicht kennen, obwohl sie vor den Toren liegt…)
Zu diesen Höhlen kommen unzählige auf den Kanaren, Balearen, Azoren und allen sonstigen -aren, -eren, -iren, -oren und -uren, und auf allen -aren, -eren, -iren, -oren und -uren war es immer das Gleiche: Ab dem fünften Stalagmiten und ab dem sechsten Stalaktiten sahen alle gleich aus.
Und nun also Postojna.
Und das verschlug mir die Sprache.
Wenn Sie sagen, Sie seien schon in einer Grossstadt gewesen (nämlich Berlin) und müssten daher nicht nach Singapur, wenn Sie sagen, Sie wären schon in einsamen Flecken gewesen (Alpwiese bei Zermatt) und stehen nun in der Antarktis, dann kommt das ungefähr dem Feeling gleich.
Postojna ist riesig. Wenn ich alle meine Höhlenbesuche zusammennehme und verdoppele, dann kommen wir in etwa hin. 5 Kilometer legt man zurück, mit dem Züglein und dann auch zu Fuss, und jede Biegung brachte ein neues «Wow» aus meinem Munde hervor. Und wie der Singapurreisende sagen wird, er sei noch nie in einer Grossstadt gewesen, wie der Antarktisfahrer sagen wird, er sei noch nie in der Einsamkeit gewesen, muss ich sagen: Vor Postojna war ich in keiner Höhle.
Essen
Ach ja, wir können das Spiel gleich weiterspielen: Vor Rio in keiner Metropole, vor der Polregion nur in dicht besiedelten Landstrichen, vor Postojna in keiner Höhle und vor Ljubljana auf keinem Wochenmarkt.
Vergessen Sie die paar Ständlein auf Ihrem Markplatz. Der Markt von Laibach mit seinen gefühlt 50 Obstständen, 40 Gemüsebuden, 70 Brotläden und 80 Fleisch- und Fischtischen ist der helle Wahnsinn. Und ob der 50 Obststände, 40 Gemüsebuden, 70 Brotläden und 80 Fleisch- und Fischtische kam unsere Fotografin gar nicht aus dem Knipsen heraus, das machte derart aggressiv klick-klick-klick-klick-klick-klick-klick-klick, dass ich mich (da ich Schlimmeres vermutete) auf den Boden warf und meinen Kopf schützte…
Ja, die Slowenen sind Genussmenschen. Wenn Sie in einem der wunderbaren Bistros am Fluss einen Erdbeersaft (ja, Sie lesen richtig) trinken und dazu etwas essen wollen, und «Schinken und Käse» bestellen, dann kommen nicht wie bei uns ein paar lieblos hingeworfene Scheiben, sondern ein Holzbrett mit köstlichstem Räucherschinken, edelstem Käse, drapiert und dekoriert mit Feigen, Cranberrys, Kürbiskernen und Nüssen. (Gerade alles Kürbisoide ist auch so eine Spezialität…)
Ich hätte mir fast ein Kochbuch von Slowenien gekauft. Liess es aber dann, weil mir einfiel, dass ich auch aus denen der letzten 54 Reisen noch nichts gekocht habe.
Auf dem Heimflug graute mir dann die ganze Zeit vor den Kisten in der neuen Wohnung. Bis mir (fast schon in Kloten) einfiel: Alle Kisten sind ausgepackt. Wir kamen in eine aufgeräumte und strahlende neue Bleibe.
Und freuen uns auf die nächste Reise…
Liebe Leserschaft, heute wollen wir uns mit…
Ach so, …
Ich hatte Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, ja versprochen, einige spannende Dinge aus Slowenien zu erzählen.
Und so hoffte ich während der Reise, die uns von Ljubljana durch das Land nach Maribor führte, auf Bergstürze und Autopannen, Verständigungsprobleme und unessbare Nahrung, auf wilde Schluchten und sengende Sonne, aber es war einfach eine schöne, herrliche, genussreiche und interessante Woche, Bergstürze und Autopannen, Verständigungsprobleme und unessbare Nahrung, wilde Schluchten und sengende Sonne blieben aus und mir bleibt einfach, ein paar Dinge aus diesem wenig bekannten Land zu erzählen.
Die einzige Panne war übrigens ein Ausbleiben des Linienbusses am zweiten Abend, und wir mussten 60 Buben mit dem Taxi ins Hotel karren, aber wer zurzeit in Basel unterwegs ist, der wünscht auch keinem Ausländer auf irgendeinen ÖV zu warten, da kommt nämlich auch nix, wann es soll. (Der Bus wurde übrigens wegen eines Marathons umgeleitet…)
Terra Incognita
Ich sprach von einem wenig bekannten Land, und ich denke, das kann man so sagen. 50% verwechseln es ja mit der Slowakei und suchen es an der falschen Stelle auf der Karte. Slow… und Slow… aber unsere Fremdenführerin erklärte uns ganz einfach, wie man es sich merkt: Auf Englisch ist dieses Land das einzige, das LOVE darin hat: Slovenia.
Sonst aber vergisst man es ständig.
Zählen Sie doch mal die Alpenländer auf: Deutschland, Österreich, die Eidgenossen, Frankreich und die Italiener, das Ländle (FL). Wahrscheinlich haben Sie Slowenien vergessen, obwohl die Slowenen etliche schöne Hügel und Berge und auch riesige Skigebiete haben.
Zählen sie nun doch einmal die Adrialänder auf: Italien, Kroatien – halt, auch hier haben Sie wieder die Slowenen vergessen. die slowenische Küste ist zwar nur 40 Kilometer lang aber nichtsdestotrotz, Slowenien hat eine Küste und es gibt ein slowenisches Istrien.
Irgendwie geht einem also Slowenien immer ein wenig durch die Lappen.
Und das ist auch nicht erstaunlich. Denn Slowenien ist klein, es ist ein wenig wie die Schweiz. Einmal zu weit nach Norden Süden Osten oder Westen und man ist schon in einem anderen Land. Fällt man bei den Eidgenossen einen Meter nach Westen um ist man schon in Frankreich das gleiche nach Osten in Österreich wie der Name sagt. im Norden kommt sofort Deutschland und im Süden sofort Italien. In Slowenien ist man, bevor man Luft geholt hat, in Kroatien, Italien, Ungarn oder Österreich.
Wie ist Slowenien?
Wie ist es nun aber, dieses kleine Slowenien?
Ich hatte damit gerechnet, an jeder Ecke eine Erinnerung an das alte Jugoslawien zu finden. Sie erinnern sich: Ich bin ein Kind der 60er Jahre und alle die Staaten, die heute eigenständig auf der Landkarte prangen, waren Teil des grossen Vielvölkerreiches. Nun, weder in Ljubljana noch in Maribor stiessen wir auf Relikte der Bautätigkeit des grossen Tito. Also, ehrlich gesagt, in der Innenstadt, in den Vorstädten waren noch etliche Plattenbauten und Einkaufszentren zu bestaunen. in der City fanden wir weder einen Kulturpalast noch scheussliche Rathäuser. Ja, man hat das Gefühl, dass das kleine Land die Titozeit einfach auslässt und mit einem grossen Sprung direkt von der k.u.k.-Zeit in eine europäische Gegenwart gehüpft ist. Bauten, die nicht modern sind, sind aus der grossen Zeit der Habsburger und erinnern den Reisenden an Wien oder Graz, Prag oder Bratislava, ein Lemberg, Triest oder Budapest.
Man kann es auch anders ausdrücken: Die slowenischen Städte sind schön. Und die Landschaft ist es auch.
Umweltschutz
Die Slowenen sind Umweltschützer, Ljubljana durfte sich vor einigen Jahren den Titel einer Europäischen Umweltstadt abholen. Dafür kamen die Einwohner der Hauptstadt auf einige sensationelle Ideen: Ein kleiner Bus fährt in der Innenstadt herum und befördert Menschen dorthin, wo sie wollen. (Warum geht so etwas eigentlich in Deutschland nicht?) Die Marktstände verkaufen kein Einweggeschirr und überall in der Innenstadt hat es Brunnen mit Trinkwasser. Dieser simple Trick führt dazu, dass weniger Plastikflaschen gekauft werden. Manchmal gibt es so einfache Lösungen, dass es einem die Sprache verschlägt. Ich habe nicht gefragt, was die Strafen für Littering oder Verunreinigung der Flüsse sind, aber man munkelt, dass für ein weggeworfenes Papier mehrere Tage Gefängnis anstehen. Auf Ableiten von Altöl in die Drava oder Sava angeblich die Todesstrafe, aber das kommt aus keiner gesicherten Quelle.
Verständigung
Die Verständigung ist schwierig. Wenig Slowenen können Deutsch, k.u.k. hin oder her. Englisch getraut man sich umgekehrt nicht zu sprechen, denn ihr Englisch ist fantastisch und man möchte sich nicht blamieren. So fuhrwerkte ich mit slowenischen Brocken herum, die sich in meinem armen Hirn mit Brocken früherer Reisen nach Bulgarien, Tschechien und die Ukraine vermischt hatten. Meinen doppelten Espresso habe ich aber immer bekommen.
Am Freitag mehr.
In den 70er Jahren war es praktisch unmöglich, von einer Grossstadt (wie zum Beispiel Stuttgart) in ein Dorf wie Bupfingen an der Bupf zu kommen.
Nein.
Das ist jetzt falsch gesagt, es war unmöglich, wenn man so verrückt war, kein Auto zu besitzen – mein Eltern waren so wahnsinnig (oder frühe Umweltschützer?).
Eine weitere Frage ist natürlich, was wir in Bupfingen an der Bupf wollten. Entweder hatten wir Verwandte (und waren so verrückt, diese nicht in die Grossstadt zu beordern) oder wir wollten wandern – da wir kein Auto hatten, mussten wir keine vorgegebenen Rundwanderungen machen, sondern konnten die schönsten Strecken des Mittleren Neckartales, des Schwäbischen Waldes, des Schwarzwaldes und der Schwäbischen Alb von A nach B erlaufen. Und für diese Touren in den Fluren des Mittleren Neckartales, des Schwäbischen Waldes, des Schwarzwaldes und der Schwäbischen Alb bin ich meinem Vater bis heute dankbar – aber ich schweife vom Thema ab.
Wir wollten nach Bupfingen an der Bupf.
Von der Landkarte wusste man, die nächste Zugstation war Sulzbach an der Murr. Wie man dort hinkam, sagte einem der 50 Kilo schwere Wälzer, der bei jedem Verrückten (frühen Umweltschützer) im Regal lag: Dem Kursbuch. Das Kursbuch zeigte einem auf Seite 1235 die Strecke 768 Stuttgart – Crailsheim und wann dort Züge fuhren. In Sulzbach fand man dann den kleinen Hinweis auf einen Anschluss mit dem Bus.
Zwei Fragen blieben: Wann fährt der Bus? und: Kann man beim Busfahrer lösen? Hier half ein Anruf beim Bürgermeisteramt Bupfingen, die Antwort: Ja, an einem Samstag fuhr die Firma Hilpert um 9.50 und 11.50 ab Sulzbach, und: ja, der Busfahrer verkaufte Tickets. Bingo! Zwei Neins hätten das Aus dieser Wanderung bedeutet…
Dann kamen die Verkehrsverbünde!
Die Idee eines Verkehrsverbundes war eigentlich eine tolle Sache. Jetzt konnte man einfach von Stuttgart aus jedes beliebige Ziel ansteuern und Karten im Voraus kaufen. Bupfingen an der Bupf? Kein Problem: Von der Kernzone Stuttgart aus 5 Zonen weit, Einzelticket, Tagesticket, Monatskarte, alles mit Bargeld bezahlbar.
Überall im Land sprossen nun die Verkehrsverbünde aus dem Boden, und sie waren eine wichtige Erneuerung auf dem Weg vom totalen Auto. Aber dann gab es irgendwann zu viele und sie stiessen aneinander und störten sich gegenseitig. Und tun es immer noch…
Nehmen Sie nur mich als Beispiel:
Wenn ich kein GA hätte, sondern mit Monatsabos der Verbünde arbeiten würde, bräuchte ich drei. Ja – drei! Ich startete im TNW, dem Tarifverbund Nordwestschweiz, der mich bis Tecknau bringt. Dann geht es durch den Tunnel und ich bin im Kanton Solothurn, aber Olten hängt nicht am Hauptort, sondern ist Teil des Verbundes Aarwelle, erst nach dem Umsteigen gerate ich dann in den Bereich des Verbundes libero.
Nebenbemerkung: Wer denkt sich eigentlich die blöden Namen aus? libero als Formung der Städte Bern, Solothurn und Biel ist ja noch lustig, und frei will ja jeder sein, Freiheit ist ja etwas Schönes, aber Aarwelle? Wenn man es schlampig ausspricht, ist man schnell bei A-Welle, und A- steht ja häufig für den Po, man hört also immer ein wenig Arschwelle mit.
Oder ist das vielleicht Absicht, ist man da fussballmässig gegensätzlich orientiert und dreht sich das (schon Zürifan seiende) Aargauer Publikum, wenn der Libero der YB (für deutsche Leser: das ist Bern) losrennt, um und formiert mit den Hinterteilen eine umgekehrte La-Ola, eine Aarschwelle?
Aber wir schweifen wieder furchtbar ab.
Wir hatten es von den Verbünden…
Berlin hat nun einen Geniestreich auf den Weg gebracht: Das 49 Euro-Ticket.
Das Neunundvierzigeuroticket bedeutet im Grunde genommen ja das Ende der Tarifverbundmentalität. Niemand, ja niemand hatte den Deutschen das zugetraut: Eine einfache, praktische, billige und kundenfreundliche Lösung.
Ich gebe zu, dass ich neulich über das 9 Euro-Ticket geschimpft habe. Ich nehme alles zurück. Das Neuneuroticket als Versuchsballon für das Neunundvierzigeuroticket war richtig.
Die Sache hat noch einen kleinen (aber nur ganz kleinen) Haken: Es wird Geld kosten. Und man hat noch keine Ahnung wie viel und wo. Giesskannenmässig allen Kommunen nun Subventionen auszuschütten ist sicher der falsche Weg. Denn: Wenn der Berliner mit seinem Abo nun auch in Bielefeld herumfahren kann, ist dieser Fehlbetrag für den Bielefelder Verkehrsbetrieb moBiel (schon wieder so ein Name, bei dem sich mir die Fingernägel kräuseln…) verkraftbar. Anders ist es, wenn jetzt die Bielefelder (wie die Stuttgarter, Sulzbacher, Bupfinger usw.) in Berlin herumfahren, ohne an den Automaten der BVB Geld hineinzuwerfen. Das könnte schmerzen.
Ach ja.
Es gibt noch einen zweiten Haken: Das Neunundvierzigeuroticket lohnt sich nicht für Menschen, die in Orten ohne ÖV-Verbindung wohnen. Und die gibt es immer noch. Und ich zähle hier Dörfer, in den einmal am Tag ein Bus fährt, und am Wochenende keiner, als «Ort ohne ÖV».
Aber insgesamt muss man sagen: Hut ab, Deutschland.
Wann kann man das schon sagen?
Wir machen nun viermal Pause (am 1.11. der nächste Text), denn ich gehe auf Konzertreise, da ist die Zeit zum Posten knapp. Dafür gibt es dann Impressionen aus Slowenien.
Nicht nur grosse Denkerinnen und Denker wie Theodor W. Adorno oder Pia Frankenberg, wie Hanna Arendt oder Sven Regener hatten Spuren auf meiner Wand hinterlassen. Nein, viele Freunde, Bekannte, viele Kollegen und Schüler, Kommilitoninnen und Nachbarinnen trugen Sprüche bei. Die schönsten vier werde ich heute bringen.
Mit dem Zölibat ist es wie mit dem Offside im Fussball: Es gehört abgeschafft.
Wolfgang Mauler *
(* Name von der Redaktion geändert)
Das ist ein wunderbarer Satz, nicht, weil er hier so klar Stellung zur Abseitsregel bezieht, eine Regel, die ja immer wieder umstritten ist. Nein, bei beiden (ja!) kann man unterschiedlicher Meinung sein. Das wunderbare an diesem Satz ist die Gleichsetzung.
Beide Regeln stehen seit Jahrhunderten fest, und sie scheinen unverbrüchlich und unabänderbar, sie scheinen nicht wegdenkbar oder verschiebbar: Wenn du Eucharistie feiern willst, dann darfst du nicht heiraten, wenn du ein Tor schiessen willst, dann musst du richtig stehen.
Wer könnte nun diese Regel ändern?
Die FIFA und der Vatikan – also die FIFA kann die Fussballregeln ändern und der Vatikan das Zölibat abschaffen, nicht umgekehrt. Und hier stossen wir auf eine interessante Parallele: Beide Organisationen sind auf eine gleiche Weise korrupt, verbrecherisch und verfilzt. Beide Organisationen sind ohne Guillotine nicht reformierbar. Bei der FIFA setzte man auf einen neuen Chef – das war eine bittere Enttäuschung. Bei der katholischen Kirche setzte man auf einen neuen Chef – auch hier Fehlanzeige. Spannend ist nun, dass viele Menschen Verständnis für Kirchenaustritte haben, aber einen Boykott der WM in Qatar für undenkbar halten…
Wenigstens sind wir in den Top Ten.
Mark Groove*
(*Name von der Redaktion geändert)
Dieser herrliche Ausspruch hat eine Rahmenhandlung und Vorgeschichte. Meine Klasse nahm an einer Klassen-Olympiade teil – also sie mussten, weil alle vierte Klassen das machten. Die Olympiade konnte blöder nicht sein: Auf gefühlt den ganzen Landkreis verteilt lauerten Posten, die man mit dem Velo anfahren musste. An diesen Posten konnte man dann auf Mini-Raupen stehend Wasser holen, mit Handtüchern Bälle über eine Schnur werfen, mit kleinen Knetbollen einen Baum treffen und auf dem Kopf stehend auf den Füssen eine Kerze balancieren. Meine Klasse war immer sportlich, sie spielten gerne Fussball und Volleyball, Basketball und Hockey, aber auf Mini-Raupen stehend Wasser holen, mit Handtüchern Bälle über eine Schnur werfen, mit kleinen Knetbollen einen Baum treffen und auf dem Kopf stehend auf den Füssen eine Kerze balancieren, das war ihnen zu doof.
Also wurden wir letzte – von acht Vierten Klassen.
Und dann kommt der herrliche Spruch von Mark – das Glas ist halbvoll, es ist alles gut, alles wird gut, wir sind immer noch unter den zehn besten Teams.
Ich habe leider den Kontakt verloren, aber ich denke, Mark hat es mit seiner positiven Einstellung weit gebracht.
Interpreten sind Verräter.
Igor Strawinski
Transposition ist Blasphemie.
Daniel Lilacker*
(*Name von der Redaktion geändert)
Hier habe ich zwei Sprüche kombiniert. Zwei Sprüche, die sich mit dem Umgang mit Werken beschäftigen.
Der gute Igor meinte mit seinem Spruch, dass ein Werk EINE gültige und richtige Lesart habe und jeder Musiker und je Musikerin, die oder der «interpretiert» ein schlimmes Ding verübt. Was Strawinski ein wenig relativiert, ist die Tatsache, dass er selbst ganz verschiedene Aufnahmen seiner Stücke dirigiert hat. So kann schon mal bei Einspielungen von 1935 und 1955 das Tempo um 20 Metronomstriche auseinanderklaffen…
Daniel legt hier einen drauf: Schon das Herauf- oder Herabsetzen in eine andere Tonart ist für ihn inakzeptabel. Man muss dazusagen, dass Daniel das Absolute Gehör hat, das heisst, dass ihm eine Änderung der Tonart richtig weh tut…
Es kann auch ein klarer Standpunkt sein, keinen klaren Standpunkt zu haben.
Rivad Schul*
(*Name von der Redaktion geändert)
Rivad war ein Klassenkollege von Mark und dieses Zitat fiel in einer Diskussion über die (hoffnungslos veraltete, aber von Gymnasien immer noch verlangte) Form der «Dialektischen Erörterung». Hier – Sie erinnern sich – muss man ja am Anfang festlegen, ob man Pro oder Kontra ist, und dann jeweils mit dem stärksten Pro- oder eben Kontra-Argument enden. Rivad beharrte nun darauf, dass man nun eben nicht zu allen Themen der Welt eine klare Position haben kann. Manchmal bleibt man eben ambivalent und unentschlossen.
Und das ist absolut OK.
So viel zu meinen Sprüchen.
P.S. Der mit dem Absoluten Gehör ist nicht mein Chef.