Ich gehe im Zimmer auf und ab.
Dies ist der Satz, der mir entgegensprang, als ich gelobt und gelübdet hatte, den ersten Satz, der mir entgegenspringt, zu einem Post zu verarbeiten. Und das, obwohl ich wusste, was in den Geschichten von Jephta und Idomeneo passiert: Das erste Lebewesen, das einem entgegenkommt, wird geopfert und das ist das eigene Kind. Bei den Gebrüdern Grimm wird die Tochter nur einem Igel verheiratet, aber das ist auch nicht so lustig.
Nichtsdestotrotz, ich habe es gelobt und geeidet, habe geschworen und gelübdet, nun wohlan, es bleibt dabei (wie Papageno singt), hier ist der Post:
Ich gehe im Zimmer auf und ab.
Wer ist eigentlich dieser «Ich»? Das bin ja nicht ich, das ist ja sozusagen ein anderes. Man könnte Episches Ich sagen, wenn es diesen Begriff gäbe. (Warum gibt es das eigentlich nicht, es gibt ja auch ein Lyrisches Ich…) Dieses «Ich» ist gewissermassen mein Alter Ego, und ich habe in 1000 Posts mein Alter Ego so ausgebaut, dass ich mein echtes Ich verloren habe. Mein Alter Ego ist ein 57-jähriger Lehrer und Musiker, der in Basel wohnt und in Solothurn arbeitet, er ist schwul und begeisterter Schwimmer, liebt Holland und hat mit dem Rauchen und Trinken aufgehört. Er ist 1,78 gross und 72 Kilo schwer, hat kurze graue Haare und braune Augen.
Schön und gut.
Inzwischen habe ich mich aber so verwoben, dass ich immer mehr der Meinung bin, dieses Alter Ego sei ich selbst. Wer bin ich aber wirklich? Wenn ich kein 57-jähriger Lehrer und Musiker, der in Basel wohnt und in Solothurn arbeitet, bin, was bin ich dann? Älter? Jünger? Mit welchem Job? Wenn ich nicht schwul und begeisterter Schwimmer bin, bin ich dann Hetero und Jogger? Liebe ich Frankreich? Rauche und saufe ich noch? Gewicht? Grösse? Augenfarbe? Haare? Es ist zum Verzweifeln. Oder wie Heiner Müller es einst sagte:
Wenn ich sage:
Ich
Gehen die Probleme schon los.
Ich gehe im Zimmer auf und ab.
Wieso eigentlich „auf und ab“?
Das heisst ja, ich bewege mich von einem tieferen Punkt zu einem höheren Punkt und dann wieder zurück. Das macht in einem Zimmer keinen Sinn, eher in der freien Landschaft, wo es wirklich ein Auf und Ab gibt. Oder ist mein Raum schräg? Ich mache die Probe aufs Exempel und hole meine Wasserwaage. Bingo! Mein Zimmer ist eben. Zu 100%. Ein «auf und ab» gibt es eben nicht in einem ebenen Raum. (Man verzeihe mir dieses blöde, aber nicht vermeidbare Wortspiel…)
Vielleicht ist es aber wie mit Stuttgart und Berlin.
Stuttgart liegt in einem Talkessel, dort sind die Höhen und Tiefen völlig klar. Man geht vom Olgaeck zum Eugensplatz die Alexanderstrasse «nauf», und man geht vom Eugensplatz zum Olgaeck die Alexanderstrasse «nonder», man geht vom Lindenmuseum zum Killesberg den Herdweg «nauf», und man geht vom Killesberg zum Lindenmuseum den Herdweg «nonder». Für einen Berliner oder eine Berlinerin ist die Sache schwieriger: Die Stadt ist topfeben. (ja, der Kreuzberg, das lassen wir jetzt mal weg…) Wenn jetzt alles eben ist, dann muss man festlegen, und das tut der Berliner oder die Berlinerin folgendermassen: Wo ich bin, ist oben, ich gehe also immer «runter», wer zu mir kommt, der kommt zu mir «rauf».
Meine Mutter, die Berlinerin in Stuttgart war, erntete nun einiges Unverständnis, denn sie ging Olgaeck zum Eugensplatz die Alexanderstrasse «runter» und vom Lindenmuseum zum Killesberg den Herdweg «runter». Obwohl das Steigungen sind, für die man keine Wasserwaage braucht…
Ich gehe im Zimmer auf und ab.
Nun müssten wir noch den Begriff des Zimmers klären.
Als Zimmer wird ein Raum bezeichnet, der einen von Wänden, Boden und Decke umschlossenen Teil einer Wohnung oder eines Gebäudes, insbesondere eines Wohngebäudes bildet, eine gewisse Größe bzw. Grundfläche aufweist (in der Regel mindestens circa 10 m²) und üblicherweise über Fenster verfügt.
So Wikipedia.
Auweia.
Da müssten nun einige Vermieter über die Bücher, die Zimmer vermieten. Räume, die laut Internetlexikon gar keine Zimmer sind, sondern Kammern oder Kabüffe (sic).
Ich gehe im Zimmer auf und ab.
Warum eigentlich? Tigere ich nervös hin und her, weil ich meine Pillen nicht genommen habe? Diktiere ich meinem Eckermann? Telefoniere ich?
Nein.
Ich denke über meinen Satz nach. Den Satz, der mir entgegensprang, als ich gelobt und gelübdet hatte, den ersten Satz, der mir entgegenspringt, zu einem Post zu verarbeiten. Und dass obwohl ich wusste, was in den Geschichten von Jephta und Idomeneo passiert.
Was hiermit geschehen ist.
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