Und hier kommt die letzte Runde unserer Impressionen von unserer Juli-Reise.
Wer ist der Mann?
Einkaufen im Augsburger Land macht Spass. Also: Nahrung einkaufen. Voraussetzung ist, dass man eine Freundin hat, die dort 30 Jahre lebt und weiss, wo es die besten Weisswürste, die besten Kartoffeln, die besten Eier und die beste Butter gibt. Die weiss, dass man in einer Fischzucht sich die Saiblinge für den Abend selber aussuchen darf und beim Bauer ein Milchautomat zum Selberzapfen steht – mit Milch, die vor drei Stunden noch in der Kuh war. An unserem letzten Tag machen wir die Runde für ein abschliessendes Weisswurst-Frühstück (Sie wissen ja: Die dürfen das 11 Uhr-Läuten nicht hören…) Auf dem Neusässer Markt ist meine Schulfreundin natürlich bekannt und jede Standbesitzerin und jeder Standbesitzer wundern sich, wer der Mann neben ihr ist. «A Poggissl?», fragt der eine, und wir lachen, wir lachen und ich wundere mich, was «Poggissl» wohl bedeuten mag, ich denke so an etwas Unanständiges, ein Neben-Mann, Lover, Seitensprung oder ähnliches. Die andere Standfrau hält mich für ihren Bruder – eine Ähnlichkeit war mir nicht aufgefallen. Ein weiterer Verkäufer hält mich für den Bruder ihres Mannes, ob der Aramäischen Herkunft dessen eine Frage, die mich schon verwundert. Also: Ich hätte nichts dagegen, wie ein Aramäer auszusehen, ich tue es einfach nicht. Aber wir klären alle auf, ich bin ein Schulfreund aus alten Tagen (40 Jahre Abi, so alt sind wir geworden.)
Irgendwann begreife ich auch, was «Poggissl» bedeutet. Das ist kein Neben-Mann, Lover oder Seitensprung, das heisst auf Hochdeutsch – dessen die Menschen dort nicht mächtig sind – einfach «Packesel». Und zu schleppen habe ich ja auch genug.
Weil der Stadt
Kennen Sie Weil der Stadt? Wahrscheinlich nicht. Aber das ist erstaunlich. Denn diese kleine Stadt ist nicht nur ein echtes Schmuckstück mit ihren Kirchen, Türmen und unzähligen Fachwerkhäusern, sie ist Heimatstadt Keplers und ehemalige Reichsstadt. Der Kahlschlag in den 70er Jahren hat hier ganze Arbeit geleistet: Weil der Stadt wurde in den Kreis Böblingen integriert, und man setze es als Endpunkt der S-Bahn-Linie 6, während man die geschichtsträchtigen Gleise weiter nach Calw herausriss.
So bleibt das Städtchen ein Geheimtipp – und das kann es auch bleiben. Die engen Gassen brauchen keine Busladungen. Übrigens braucht der pittoreske Marktplatz auch keine Sommer-Beach mit Sand und Liegestühlen (was wir dort antreffen, was für eine Geschmacksentgleisung).
Weil der Stadt liegt an der Würm, und auch das absolut malerische Flüsschen hat (wie die Stadt) das Pech (oder Glück) ein bisschen abgehängt zu sein: Sie ist kein Nebenfluss des wichtigsten schwäbischen Stromes, sondern muss erst in die Nagold, und diese dann in die Enz, und erst dann geht es in den Neckar.
Treuchtlingen
Wie plant man eine Reise von Schwäbisch Hall nach Ottmarshausen (bei Augsburg), wenn die folgenden Bedingungen bestehen:
Wir müssen im Hotel Scholl in Hall um 11.00 auschecken.
Wir fahren mit dem Deutschlandticket (Nahverkehr) Hessental – Ansbach – Treuchtlingen – Augsburg-Oberhausen – Ottmarshausen (Ortsbus).
Die Umsteigezeiten in Ansbach und Treuchtlingen betragen je 5 Minuten.
Wir sind bei gutem Verlauf um 15.13 in Ottmarshausen, unsere Freunde arbeiten aber bis 17.00.
Die Lösung ist nun einfach; wir planen je eine Stunde Wir-haben-den-Zug-verpasst-Aufenthalt ein, läuft alles wie geschmiert, dann machen wir in Treuchtlingen zwei Stunden Kaffeepause, irgendetwas Nettes wird es da schon geben.
Denkt man. Also, also, Treuchtlingen ist nun wirklich der unnötigste Ort auf Gottes Erdboden. Nein, das stimmt so nicht ganz. Es teilt sich seine Unnötigkeit mit vielen anderen Umsteigebahnhöfen. Mit Eutingen im Gäu zum Beispiel. Oder mit Buchs (SG). Oder Ziegelbrücke (GL).
Unser Aufenthalt ist ein Bäckerei-Café mit einem durch Weidenzäune abgetrenntem Aussenbereich, wo wir zwei Stunden zubringen. Hässlichkeit pur, der Kuchen aber ist gut und der Kaffee auch. Mein Partner liest eine Weile, und ich suche in der Innenstadt noch ein wenig nach schönen Flecken – finde aber keine. Selbst die Altmühl, sonst Inbegriff von Flussromantik ist in dieser Gemeinde langweilig.
Zu unserer Belustigung hat die Stadt Treuchtlingen sogar ein bisschen Unterhaltung bestellt. Ein Baum wird vor unseren Augen gefällt; da er aber völlig gesund ist und nur einem Parkplatz weichen muss, ist unsere Begeisterung so gross wie die der Königin im 1. Akt des Don Carlos: Dort verspricht man ihr für den Winter in Madrid ein Autodafé.
So, das waren meine Eindrücke von der Reise.
Ab dem nächsten Post wieder andere Dinge.
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