Aber: Sollte ich nicht besser in Basel bleiben – und tanzen? Ja, Tanzen.
Tanzen.
Wir alle tanzen ja zu wenig, und beim ESC wäre doch eine gute Gelegenheit gewesen.
Wo ich hinschaue, wird getanzt.
Eine meiner Lieblingssendungen im SRF ist – ich oute mich hier jetzt sehr stark – «Mini Chuchi, Dini Chuchi», und diese Kochsendung wird immer durch einen Spot des Hauptsponsors MIELE eingeleitet, in dem ein Paar durch die Küche tanzt, sie schwingen sich und drehen sich und kreisen umeinander, dabei nimmt die eine Person eine Kaffeetasse, während die andere in den Topf schaut und umrührt, alles in einem unerhörter Drive und in völliger Eleganz.
Wir haben das in unserer Küche probiert, das Schwingen und Drehen, dabei landeten sowohl die Bolognese als auch die Penne auf dem Fussboden und mehrere Gläser gingen zu Bruch. Aber wahrscheinlich geht das mit dem Tanzen nur, wenn man wirklich eine MIELE-Küche hat, wir haben SIEMENS, da ging das nicht. Ob es bei BOSCH oder … oder … oder … geht, das bleibt fraglich.
Aber auch in anderer Reklame wird getanzt.
In einem Spot, den ich im Bus in Solothurn sehe, sucht ein Handwerksbetrieb Gesellen und auch Lehrlinge. Und er sucht Leute, die sich von einem Bürojob zum Handwerker umschulen lassen.
In einem Dachgestühl steht nun also ein Mensch im Anzug, steif und unbeholfen – Schnitt – der gleiche Typ hat nun eine Arbeitsmontur an und rockt, was das Zeug hält.
Die Botschaft ist klar, ich frage mich nun aber doch ein paar Fragen: Was würde ich als Kunde sagen, wenn der bestellte Glaser oder Installateur oder Maler nicht glast oder installiert oder malt, sondern lostanzt wie ein Blöder? Und was würde eben jener Arbeitgeber sagen, wenn ich als Berufskundelehrer (der ich bin) einen Schüler schicke, der da einen flotten Stepp hinlegt? Wahrscheinlich würde ich als Kunde eine andere Firma suchen; und der Betrieb würde meinen Schüler wieder heimschicken.
In der dritten Werbung, einer Sparkasse, rockt eine ältere Dame, die scheints kurz vor der Rente steht, los. Und zwar im Büro.
Die Botschaft ist auch hier klar: Wenn du gut abgesichert bist, dann kannst du mit 62 losspinnen, wenn sie dich rauswerfen, egal, deine Pension reicht auch so.
Wäre bei mir jetzt nicht der Fall, mit den Kürzungen, die ein früherer Renteneintritt brächte, würde es mir nicht langen, ich sollte also solche Tanzattacken vermeiden…
Aber dennoch: Tanzen ist gesund, sagt mir das Internet, und alle sollten mehr tanzen
Hätte ich also doch besser in Basel bleiben sollen und auf einer der vielen After-Show-Partys abtanzen? Auf der Ü40? Der Ü50? Oder – ganz, ganz, ganz ehrlich – auf der Ü60?
Vielleicht sollte ich aber auch zu einem so therapeutischen Tanzen gehen, so ganz spirituell und sanft und mit viel kreisenden Bewegungen…
Im Raum Basel wird ja «Tanz wie du bist» angeboten, wobei ich dem Konzept ein wenig skeptisch gegenüberstehe. Wenn jeder so tanzt wie er oder sie ist, das kann ja heiter werden, man stelle sich vor, da kommt ein Gewalttäter und Massenmörder, und der tanzt dann, wie er ist. Oder eine völlig hyperaktive Person, oder alle sind träge und liegen nur auf dem Boden – weil sie halt so sind.
Aber vielleicht ist ja mit «wie du bist» das eigentliche Sein und Wesen gemeint. Das dann beim Tanzen heraustritt.
Wer weiss.
Es ist Freitag, 16. Juni 2025 und ich flüchte den ESC. Während die halbe Welt nach Basel gekommen ist, sitze ich im Zug nach Dresden.
Aber: Sollte ich nicht besser in Basel bleiben – und tanzen? Ja, Tanzen.
Tanzen.
Wir alle tanzen ja zu wenig, und beim ESC wäre doch eine gute Gelegenheit gewesen.
Früher war ich ein sehr guter Standardtänzer gewesen. Sie wissen noch, was Standardtänze sind? Also, das war damals Foxtrott, Walzer, Tango, Cha-Cha, Rumba, Samba und Jive. Und wenn meiner Partnerin damals nicht das Geld ausgegangen wäre, dann hätte ziemlich lange in der Kurs-Erfolgs-Treppe weitergemacht, bis Goldabzeichen oder Gold Star oder so.
Aber vielleicht gehe ich jetzt doch ins Zugrestaurant, einen Jive tanzen. Und wissen, nach welchem Song wir Jive gelernt haben?
«Waterloo».
Wobei wir nun doch wieder beim Songcontest sind.
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