Dienstag, 27. Mai 2025

Am Bahnhof verhaftet


Neulich wurde ich am Frankfurter Hauptbahnhof von der Polizei festgenommen und erst nach 10 Stunden wieder freigelassen. Oder etwas positiver formuliert: Ich wurde kürzlich am Hauptbahnhof Frankfurt verhaftet und dann aber von der Polizei wieder auf freien Fuss gestellt (wenn auch erst nach 10 Stunden).
Der Grund: Prävention. Ich hatte auf den Videoaufzeichnungen einen nervösen und gestörten, einen kranken und hektischen Eindruck gemacht.

Was für mich sprach: Ich bin ein unbescholtener Bürger.
Trotz langem Suchen in deutschen, Schweizer und sogar niederländischen Registern (Woher weiss der Staat über meine Reisen nach Den Haag?) konnte nichts gefunden werden, was mir etwas Übles zur Last gelegt hätte. Nicht einmal Falschparkieren und Zuschnellfahren – das ist ob der Tatsache, dass ich kein Auto besitze, auch nicht so erstaunlich.
Zum Glück reichten die Listen nur 30 Jahre weit zurück, meine frühen Ausflüge in die Stuttgarter Hausbesetzer-, Antifa- und Kifferszene standen nirgendwo.

Was gegen mich sprach:
Ich hatte auf den Videoaufzeichnungen einen nervösen und gestörten, einen kranken und hektischen Eindruck gemacht.
Und: Ich hatte ein Messer in meinem Rucksack.

Das mit dem Messer war schnell erklärt: Ich hatte nämlich im Zug nach Frankfurt Obst gegessen, Orangen, Apfel, Kiwi. Aber die Polizei glaubte mir zunächst nicht, jeder könnte ja behaupten, ein Obstesser zu sein, und stattdessen entpuppt er sich als Angreifer, Attentäter oder Serienmörder. Ich gab meine Platzreservierung an, man rief im Zug an, aber irgendjemand hatte den kleinen Abfallbehälter schon geleert und die Reste von Orange, Apfel und Kiwi waren nicht mehr da. (Passiert doch sonst nie? Warum gerade jetzt?) und Videoaufzeichnungen gibt es auch keine, nur am Bahnhof. Also musste mein Messer ins Labor und nach 8 Stunden kam tatsächlich Entwarnung: Die Klinge wies Spuren von Orangen, Apfel und Kiwi auf.

Hier also der erste Tipp für Sie, geschätzte Leserin und geschätzter Leser: Sollten Sie in einem ICE der DB Obst essen, Apfel, Orange, Kiwi, Birne, was auch immer, lassen Sie Ihr Messer dreckig, putzen Sie die Spuren nicht ab und tun sie das dreckige Ding in eine Plastiktüte – Sie erleichtern der Polizei damit ihre Arbeit.

Nun zum zweiten und schwerer wiegenden Vorwurf:
Ich hatte auf den Videoaufzeichnungen einen nervösen und gestörten, einen kranken und hektischen Eindruck gemacht.
Ich versuchte den Beamten zu erklären, dass ich immer wieder mal einen sehr nervösen und gestressten Eindruck mache. Und zwar paradoxerweise aus dem Grund, dass ich ein anständiger Mensch bin. Unbezahlte Rechnungen, Verspätungen, Versäumnisse, Terminkollisionen, usw., all das stresst mich. Menschen mit einer grossen Nonchalance, mit viel Laisse-faire, die stresst das nicht. Ein Typ, dem gerade drei Menschen von drei Orten anrufen, die alle auf ihn warten, und dem das am A… vorbeigeht, der würde eben keinen gestressten Eindruck machen, weil er ein unanständiger Typ ist.

Nun habe ich vor fünf Jahren dem Nikotin und vor drei Jahren dem Alkohol abgeschworen. Dies hat meine Stresstoleranz natürlich deutlich gesenkt. Nicht umsonst warben die Zigaretten- und Schnapshersteller in den 70ern mit genau diesem Stresssenken:
«Erst mal entspannen – erst mal Picon»
«Halt, mein Freund! Warum denn in die Luft gehen? Greife lieber zur HB.»
«Schütt die Sorgen in ein Gläschen Wein.»

Ich hatte auf den Videoaufzeichnungen am Frankfurter HBF einen nervösen und gestörten, einen kranken und hektischen Eindruck gemacht.
Ich habe nun noch im diesen mehrfach wiederholten Satz das «HBF» ergänzt. Den das ist doch wichtig! Wir befinden uns auf einem deutschen Bahnhof!
Der Zug von Basel her hatte genau 10 Minuten Verspätung. 10 Minuten, eine Sechstelstunde, 600 Sekunden, genau die Zeit, die wir zum Umsteigen auf den Zug nach Dresden hatten. Mehrere Fahrgäste meldeten dies, die Fahrdienstleistung entschied aber anders, und nun sahen wir, als wir auf Gleis 7 nach vorne liefen, auf Gleis 9 den ICE abfahren. Aber es kommt noch besser: Das Ehepaar, mit dem wir ins Gespräch gekommen waren, erhielt im Reisezentrum noch die letzten beiden Reservierungen für die nächste Verbindung, wir erst für die übernächste – obwohl wir zuerst am Schalter waren. Weil «unser» Schaltermensch den Trick nicht kannte.
Entschuldigung!
Wer sollte da nicht gestresst sein? Wen man es genau nimmt, steckt in jedem Reisenden der DB ein potentieller Amokläufer…

Neulich wurde ich am Frankfurter Hauptbahnhof von der Polizei festgenommen und erst nach 10 Stunden wieder freigelassen. Oder etwas positiver formuliert: Ich wurde kürzlich am Hauptbahnhof Frankfurt verhaftet und dann aber von der Polizei wieder auf freien Fuss gestellt (wenn auch erst nach 10 Stunden).
Der Grund: Prävention. Ich hatte auf den Videoaufzeichnungen einen nervösen und gestörten, einen kranken und hektischen Eindruck gemacht.

Ich bin sehr für mehr Polizeipräsenz an Bahnhöfen. Aber die Verstärkung der Videoüberwachung sehe ich sehr kritisch.





  

  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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