Dienstag, 20. Mai 2025

Bezahlbarer Wohnraum

In ihrem wunderbaren Erzählband «Kein Tiger in Sicht» beschreibt Claudia Keller in der Geschichte «Der Cityhopser» die Situation einer jungen Frau, die in Frankfurt von einer schlechten Wohnung in die andere «hopst»: Sie beginnt in einer 5qm-Bruchbude, die anderen, die sich jeweils hektisch und mit viel Vorauszahlung sichert, sind auch nicht besser, ein wenig grösser, aber mies geschnitten, über einer Kneipe, usw., die einzige Traumwohnung liegt (als einzige) in einem nachts leeren Bürogebäude, in dem sie dann Angst hat.
Gleichzeitig wird die Story von Dagmar (80) erzählt, der ihre 8 Zimmer-Bude viel zu gross ist, und die sich über die «unstete Jugend» aufregt, die ständig umzieht…

So weit so gut – oder nicht gut.
Die Geschichte hat, um wirklich lustig zu sein, einen kleinen Fehler, sie ist von 1993. Also 30 Jahre her. Und es wäre so schön, wenn man sagen könnte: «Guck mal, damals hatten wir ein Wohnungsproblem.»
Kann man aber nicht.

Meine Eltern erzählten mir oft, wie sie nach dem Krieg zusammenrückten. Sowohl mein Vater (in Stuttgart) als auch meine Mutter (in Berlin) hatten das Glück gehabt, dass ihre Hütten noch standen und beide Familien nahmen andere auf. So erfuhr ich, dass in meinem Kinderzimmer ab 1945 eine vierköpfige Familie wohnte, also schlief, kochte, ass und lernte; meine Grossmutter in Berlin hatte ihre Freundin Else mit Mann aufgenommen, aber das Zusammenwohnen entpuppte sich als sehr, sehr, sehr anstrengend, weil Else wunderlich war, so sprach sie beim Kochen ständig mit ihrer Suppe: «Na, mein Süppchen, jetzt rühren?», «Na, mein Süppchen, noch etwas Pfeffer?»

Auch diese Geschichte hat den Fehler, zu lange (genau 80 Jahre her zu sein).
Niemand ist ausgebombt zurzeit und kein Haus ist eine Ruine. Trotzdem…

Es war das grosse Thema der Ampel – und es wird das grosse Thema der Nicht-GroKo sein:
Bezahlbarer Wohnraum.
Es wird das Thema sein, an dem auch die neue Bundesbauministerin sich die Zähne ausbeissen wird.

«Bezahlbarer Wohnraum». Das ist ja sowieso ein extrem schwammiger Begriff, weil eben das Wort «bezahlbar» für alle Menschen anders ist. So gibt es eine Reihe von Dingen, die für mich nicht bezahlbar sind, wenn ich es aufliste, dann sind es sogar ganz, ganz, ganz viele Sachen, die mir zeigen, dass ich eigentlich arm bin. Ich kann mir dieses nicht leisten:
eine Jacht
ein Privatflugzeug
Flüge zum Mars
Flüge zum Mond
Ölbilder von Rothko, Pollock, Picasso, etc.
Villen in Malibu, Cannes, usw.



Nun, das ist alles nicht «bezahlbar». Also für mich bezahlbar, wenn ich eine Kaufhauskette besitze, dann vielleicht schon. Oder wenn ich ein grosser Drogenboss bin, dann auch.

Jetzt ist es aber so: Villen, Flugzeuge, Marslandungen, Rothko, Jachten, Picasso, Cannes, Kaviar, Lachs, Mondflüge, auf alles das kann ein normaler Mensch verzichten. Auf eine Wohnung nicht. Ja, der Staat verlangt ja sogar eine richtige Meldeadresse, «unter der Rheinbrücke», «im Dufour-Park», «im Eingang vom Lonza-Bau», all das sind keine gültigen Wohnsitze. Wohnen ist also kein Luxus.
Ich selbst kann mir eine herrliche, grosse, lichte und grüne, eine gut geschnittene und bequeme Wohnung leisten. Und viele Schweizer können das auch noch. In der BRD können viele das nicht mehr.

Die Frage ist, ob die Ansprüche der Menschen zu hoch sind. Käme man mit weniger Platz aus? Muss man sich in der Küche umdrehen können oder genügt es nicht, wenn man sich vor Kücheneintritt überlegt, wie man stehen will? Ist nicht ein wenig Schimmel akzeptabel? (Auf dem Käse liebt man ihn ja…) Brauch man wirklich warmes Wasser, wo doch Kneipp schon nachwies, dass kaltes Wasser gesund ist? Braucht man überhaupt Tageslicht, wo es doch Glühbirnen gibt?
Ich glaube aber nicht, dass diese Ansprüche zu hoch sind, und vor allem schimmelfrei ist sicher eine elementare Sache.

Wie aber nun weiter?
Ehrlich gesagt, ich weiss es auch nicht.
Aber ich bin ja auch nicht Bauministerin – aber die muss das Problem irgendwie lösen.

1945 hockten die Menschen in den wenigen nicht zerbombten Buden zusammen.
1993 hopste die Studentin in Frankfurt von mieser kleiner Wohnung zu mieser kleiner Wohnung.

Und 2025 ist das Problem immer noch da…

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen