Dienstag, 25. März 2025

Schuldenmachen lernen im Lateinunterricht

Ich habe meine Lateinkenntnisse bei Prof. Dr. Werner Stegmaier erworben. Später Ordinarius in Greifswald, war er in 70ern und 80ern Lehrer am Wagenburg-Gymnasium in Stuttgart. (Erfinde ich jetzt nicht, Sie können ihn googeln und er hat auch einen Wikipedia-Eintrag…)
Es gehört übrigens zu den Merkwürdigkeiten meiner Laufbahn, dass ich am mathematisch-naturwissenschaftlichen Wagenburg den besten Lateinunterricht erhielt, aber eine katastrophale Matheausbildung, und dass es sich dann am altsprachlichen Eberhard-Ludwigs-Gymnasium umdrehte, den besten Matheunterricht der ganzen Stadt und in Latein eine totale Pfeife als Lehrer.

Aber ich schweife ab. Ich wollte ja in die Jahre 1977 – 1982 zurück.
In diesen Jahren lernten wir bei Herrn Stegmaier zunächst anhand «Cursus Latinus I», «Cursus Latinus II» und «Cursus Latinus III» die schönen Dinge wie Ablativus Absolutus, von Kennern liebevoll «Abl-Abs» genannt, oder auch das Gerundium und das Gerundivum. Später wendeten wir uns den Lektüren zu, und die erste war – viele von Ihnen werden sich mit Grauen erinnern – «De Bello Gallico» von Herrn Caesar (den wir damals noch «Zäsar» aussprachen und nicht «Kaisar» wie heute).

Stegmaier – und das muss man ihm lassen – konnte aber auch aus einer so drögen und blöden Sache wie einer Kriegsberichterstattung (nix anderes ist der Text) wichtige Dinge herauslesen und uns wichtige Erkenntnisse mitgeben. Eine betraf das Schuldenmachen:
Bevor der gute Julius mit den berühmten Würfelworten den Rubikon überschritt, hatte er nämlich Schulden in astronomischer Höhe angehäuft. Caesar MUSSTE Rom erobern, sonst hätte er den Rest seines Lebens im Schuldturm verbracht. Ja, er hätte die Geldmenge niemals auftreiben können.

Und nun kam der (nicht ganz ernst gemeinte) Rat von Dr. Stegmaier (Prof. war er noch nicht):
Macht keine Schulden in grosser Höhe, wenn dann in schwindelnden Höhen. Wenn ihr die Menge an Zaster zu euren Lebzeiten nicht mehr auftreiben könnt, dann ist es egal, ob ihr sie um 2 oder 20 Millionen übertrefft. Wenn ihr also nur 100000 zurückzahlen könnt, ist es völlig wurscht, ob ihr eine, zwei oder drei Millionen ausleiht. Ihr hinterlasst einen Schuldenberg, wenn ihr sterbt, und nach dem Tod kann es euch egal sein.
Caesar hat das genauso gemacht.

Und Stegmaier redete ja hier zu Privatmenschen, zu Schülerinnen und Schülern, Firmen hatten immer schon die Möglichkeit sich aller Schulden zu entledigen. Ob die FIGIT GmbH 2 Millionen oder 4 Millionen nicht bezahlen kann, das ist völlig egal, es kommt zum Konkursverfahren, das Unternehmen wird zerschlagen, die Gläubiger bekommen (je nach Platz auf der Liste) etwas ab oder sie bekommen nichts. Die Gesellschafter der FIGIT haften nur mit ihrer minimalen Einlage – daher «mit beschränkter Haftung».
Später führte man dann auch den Privatkonkurs ein, einfach weil es als unfair erschien, dass Firmen hier anders behandelt wurden, auf Deutsch, dass Sie mit ihrer Firmen Ihre Schulden «los» würden und als Privatmensch nicht. Also auch hier etwas Ähnliches: Sie zahlen sieben Jahre, dann ist alles wieder gut.
Die modernen Paragrafen geben also noch viel mehr Werner Stegmaier recht, wenn Sie in den Privatkonkurs gehen, dann zahlen Sie Ihren Lohn minus Existenzminimum mal 84, alles darüber hinaus ist geschenkt. Also ist es auch hier völlig wurscht, ob Lohn minus Existenzminimum mal 84 um den Faktor 2, 10, 20 oder 200 übertroffen wird.

Ist die deutsche Politik bei Prof. Dr. Stegmaier in die Lehre gegangen?
Man könnte den Eindruck gewinnen.
Denn auch wenn der wunderbare Ausdruck «Sondervermögen» erfunden wurde, es sind Schulden. «Sondervermögen» klingt ja so, als ob hier Geldsummen irgendwo herumliegen, die für spezielle Anlässe gebraucht werden können:
Das gelbe Sparschwein, in das man das Geld einzahlt, das man spart, seitdem man nicht mehr raucht, und das für Kurzurlaube benutzt wird.
Das rote Sparschwein, in das man übrige Zwei-Euro-Münzen einzahlt, und das für Geschenke benutzt wird.
Das blaue Sparschwein, in das man das Geld einzahlt, das man spart, wenn man immer korrekt parkt, und das für nicht vorhersehbare Reparaturen benutzt wird.
(Und immer steht da Robert Lemke und fragt: «Welches Schweindl hättens denn gern?»)
So ist es aber nicht. Keineswegs. «Sondervermögen» heisst Schulden. Schulden, die die kommenden Generationen bezahlen müssen.

Und hier greift die Caesar-Regel; es ist völlig wurscht, ob der deutsche Staat eine Billion, zwei Billionen oder drei Billionen aufnimmt, zahlen kann man es eh nicht.

Was aber passiert, wenn ein Land pleitegeht? Wenn man die 1000000000000, die 2000000000000 oder die 3000000000000 nicht zahlen kann?
Das ist doch die Frage.

Ich habe meine Lateinkenntnisse bei Prof. Dr. Werner Stegmaier erworben. Später Ordinarius in Greifswald, war er in 70ern und 80ern Lehrer am Wagenburg-Gymnasium in Stuttgart. Und neben vielen Grammatiktricks und Übersetzungsstrategien gab er uns den Rat mit: Schulden nie in grosser Höhe, immer in astronomischer.
Und die Bundesregierung scheint auch in meiner Lateinklasse gewesen zu sein.

     

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

 

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