Ich schreibe ja immer auf, was ich gelesen habe.
Man kann das nerdig finden, sogar sehr nerdig, aber manchmal ist es gar nicht schlecht, zum Beispiel, wenn ich nach dem Titel eines Buches suche, wenn ich aber auch den Autor vergessen habe, sonst würde ich es ja in meinem perfekt alphabetisch sortierten Bücherregal finden. (Sie erinnern sich? Post vom 24. Juni: ...Ich bin ein ordentlicher Mensch. Meine Bücher stehen in alphabetischer Ordnung, Böll steht bei Böll und Mann steht bei Mann, wobei natürlich der Autor des «Untertanen» vor seinem Neffen Klaus und dieser vor seinem Vater Thomas steht. Innerhalb der Autoren leiste ich mir Unordnung...)
Wenn ich also Autor und Titel vergessen habe, wie neulich von diesem wunderbaren, herrlichen, lustaufitalienmachenden Roman, der auf Sizilien spielt, aber ich noch weiss, dass ich es von meiner Freundin E. im August 2024 geschenkt bekam und auch sofort las, dann finde ich es – es ist übrigens «Noto» von Adriano Sack.
In meiner aktuellen Liste finden sich zufällig viele einsilbige Bücher, was mich irgendwie an eine Zeit vor etlichen Jahren erinnert, als ich 5 Monate lang absichtlich nur einsilbige Bücher las.
Bitte verstehen Sie «einsilbig» nicht falsch! Ich meine nicht mürrische, muffige, mufflige, ich meine keine wortkarge, unwirsche, keine maulfaule, böse, keine sauertöpfische Bücher, sondern einfach Bücher mit einem Titel, der nur aus einer Silbe besteht:
Daniel Goetsch: X
Nicola Reiter: Firn
Thea Dorn: Trost (aus den aktuellen Büchern)
Thomas Bernhard: Frost
Christoph Meckel: Licht
Justin Cronin: Zwölf (aus den früheren)
Einsilbige Bücher also.
Sie können nun einwenden, dass es verrückt ist, einsilbige Bücher zu lesen, aber darf man nicht ein wenig verrückt sein?
Es gibt eine Kunstsammlerin, die Bilder sammelt, auf denen ein Quadrat zu sehen ist, und die auf diese Weise eine beachtliche Kollektion konkreter Kunst zusammengetragen hat. Sie heisst Hoppe-Ritter. Ja, Ritter, wie Ritter Sport. Und nun ist die Kollektion und das herrliche Museum in Waldenbuch schon gar nicht mehr so verrückt, quadratisch, praktisch, gut.
Ich kannte einen Numismatiker, der gleichzeitig Goetheaner war und nur Münzen aus Ländern, Zeiten und Städten sammelte, in denen Goethe einmal war (gibt es ja genug). Ich fand das leicht bescheuert, aber meine anthroposophischen Freunde fanden das nicht. Auf jeden Fall wäre seine Münzkollektion als Kantianer wesentlich kleiner gewesen…
Ein Freund von mir liest nur Bücher von toten Autoren, und zwar von welchen, die schon eine Weile gestorben sind, am besten so ca. 50 bis 100 Jahre, also Kafka, Fallada oder Mann und ähnliche. «Nicht nur tot, sondern mausetot», so seine Rede.
Aber ist das wirklich so verrückt?
Angesichts einer Riesenmenge ist selektives Verhalten – und sei es nach einem witzigen Kriterium – doch gar nicht so doof.
Ich kenne keine Sammlerin und keinen Sammler, der durch alle Länder, Zeiten, Stilrichtungen und Maler kreuz und quer sammelt. Entweder jemand sammelt den sammelt den Künstler X.Y., oder Linolschnitte oder Kunst aus Rumänien, oder eben Kunst mit Quadrat, aber niemand sammelt ALLES.
Die Zahl der verschiedenen Münzen, die es in Europa in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und Anfang des 19. Jahrhunderts gab, ist nicht zu ermitteln, aber sie muss riesig sein, immerhin konnte jedes kleine Fürstentum seine eigenen Dinger prägen, warum also dann nicht diese Goethe-Beschränkung?
Und das mit den mausetoten Autoren ist auch nicht doof: Über die schlechten mausetoten Schriftsteller hat Herr Chronos ja schon den milden Mantel des Vergessens gebreitet.
Was man aber auch klar sagen muss: In bestimmten Bereichen hat jeder Mensch das Recht auf Selektion.
Wenn ich Lust habe, lese ich nur einsilbige Bücher, sammle quadratische Kunst, sammle Münzen aus der Goethe-Zeit oder lese nur mausetote Autoren. Oder esse nur Nudelgerichte. Oder fahre immer nach Holland in Ferien. Oder schwimme nur in Seen.
Schwieriger wird es bei anderen Dingen:
«Ich vermiete nur an Deutsche.»
«In meiner Firma arbeiten nur heterosexuelle Menschen.»
usw.
Hier muss man dem Selektionsverhalten dann doch ein grosses Fragezeichen entgegenschleudern.
Noch ein kleiner Nachtrag:
Ein winziges Manko haben die einsilbigen Bücher, es gibt Titel doppelt und dreifach. Dass ein zweiter Autor ein Buch mit dem Titel «Wie Grischa mit einer verwegenen Idee beinahe den Weltfrieden auslöste» veröffentlicht, das ist fast unmöglich, solch ein Titel bleibt unique. Aber «Licht» gibt es gleich dreimal: Von Christoph Meckel. Von Anthony McCarten. Und von Kathrin Gross-Striffler. Und von Serge Haroche.
(Wer die beiden letztgenannten auch immer sein mögen.)
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