Freitag, 25. Juli 2025

ChatGPT schreibt schlechte Gedichte

Vor einigen Jahren hatte ich eine kurze Zeit lang die Idee, ein Schreibbüro aufzumachen. Aber nicht ein Office, das Texte abtippt, sondern das Texte wirklich schreibt. Dabei dachte ich natürlich nicht an Doktorarbeiten, die dann Politikerinnen und Politiker als ihre eigenen ausgeben, sondern an Briefe an ein Amt, an Vereinsnachrichten, Jahresberichte, usw. Ja, und auch an Jubilaren-Gedichte.
Zum Glück habe ich damals den Plan nicht verwirklicht. ChatGPT hätte mich so niedergeboxt, dass ich mich von dem Haken nie erholt hätte. Briefe an ein Amt? Die Software kann es. Jahresbericht? ChatGPT macht es auf Knopfdruck.
Aber kann ChatGPT auch diese Jubilaren-Gedichte? Wir machen den Test:

«Schreibe bitte ein Gedicht zum 12. Geburtstag meiner Schwester.»
Ergebnis:

Zwölf Kerzen brennen, hell und fein,
heut darfst nur du im Mittelpunkt sein!
Ein neues Jahr, so bunt und klar,
liegt vor dir – wie wunderbar!
Mit Lachen, Spielen, voller Mut,
machst du so vielen Menschen gut.
Dein Herz ist warm, dein Lächeln echt,
du bist für uns das größte Recht.
Du wächst heran, wirst klug und weise,
gehst deinen Weg auf deine Weise.
Ob tanzen, träumen, lesen, lachen –
du bringst die Welt zum Strahlen, zum Erwachen!
Drum feiern wir dich heut mit Schwung,
denn zwölf zu sein, das hält dich jung.
Bleib wie du bist, ganz ohne Frage –
alles Liebe zum Geburtstage!

Noch ein Versuch: «Schreibe bitte ein Gedicht zum 13. Geburtstag meiner Nichte.»
Ergebnis:

Dreizehn Jahre – kaum zu fassen,
wie schnell die Tage an uns vorbeirasen!
Eben noch klein, mit Kuscheltier,
jetzt eine Teenagerin – wow, das bist du hier!
Du bist klug, kreativ und wunderbar,
hast Träume, Ziele, wirst bald sogar
deinen ganz eigenen Weg nun geh’n,
wir freuen uns, dich so zu seh’n.
Mal laut, mal leise – ganz dein Stil,
mit Herz und Witz und ganz viel Gefühl.
Du bist besonders, echt und frei –
und immer für 'ne Überraschung dabei.
Heute feiern wir dich sehr,
mit Kuchen, Liebe und noch mehr.
Denn so wie du – gibt’s nur dich,
drum sagen wir: Wir lieben dich!

Ist das nicht herrlich? Ich meine, herrlich grauenhaft? Das holpert und stolpert, das ruckelt und zuckelt, da stimmt kein Rhythmus, keine Hebung und keine Senkung, da wird der Satz quasi über Kopfsteinpflaster gezogen. Die Reime stimmen meist, ausser dem wunderbaren «ohne Frage / Geburtstage», was auch grandios ist. Aber was heisst «machst du so vielen Menschen gut»? Ich verstehe es nicht, wirklich nicht. Ich verstehe auch nicht, was «du bist für uns das grösste Recht» heisst…

Wie kommt es nun zu diesen wirklich grauenvollen Machwerken? Ganz einfach: ChatGPT lernt an Beispielen. Und zum Thema «Geburtstagsgedichte» findet man scheints nur miese Beispiele im Netz.
Warum ist das so? Ich weiss es nicht, ich weiss nur, dass, wenn ich aus irgendeinem komischen Grund wirklich mal ein Gedicht zum Geburtstag meiner Nichte schreiben würde, ich diesen Text sicher, sicher, sicher und viermal sicher nicht ins Internet stellen würde. Selbst wenn er gut wäre (und das wäre er), selbst wenn das Gedicht Anspielungen auf Brecht, Benn, Böll und Busch hätte (und das hätte es), selbst wenn es also ein qualitativ hochwertiges Machwerk wäre, würde ich es als das lassen, was es wäre: Ein Gedicht für den Augenblick.

Vielleicht muss man es so formulieren: Nur jemand, der nicht merkt, wie schlecht und peinlich seine Verslein sind, der stellt sie ins Netz.

Für die Klientel «Opa zum 90sten» wäre also mein Schreibbüro immer noch nötig, hier greift ChatGPT nicht. Allerdings checkt die «Opa zum 90sten»-Klientel aber auch nicht, wie mies ihre Texte sind, und würde mich deshalb auch nicht aufsuchen.

Aber es beruhigt, dass die KI noch nicht alles kann…





 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

 

  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

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