Freitag, 30. Mai 2025

Neue Emojis: "Es ist bös gemeint" / Blogpause


Ich habe für meine Handy- und Mailkommunikation drei neue Emojis entwickelt:

Roter, mehrfach aufblitzender Zeigefinger, auf den Leser gerichtet.
Spitzname: «Duda»
Bedeutung: Nimm es persönlich / Nehmen Sie es persönlich
Gerichtet an Menschen, dass sie mit der gemachten, geschriebenen Äusserung eben (auch) gemeint sind, und dass sie sich nicht herauswinden können.

Roter, mehrfach aufblitzender Zeigefinger, nach oben gerichtet.
Spitzname: «Misti»
Bedeutung: Das ist jetzt als Kritik gemeint
Gerichtet an Menschen, die nicht verstehen, dass die Aussage «XY ist ganz schlecht» nicht als positive Wertung gedacht ist, sondern als miserable.

Rote, mehrfach aufblitzende Faust.
Spitzname: «Aggro»
Bedeutung: Das kommt jetzt nicht so böse rüber, wie es gemeint ist.
Wird angewendet, wenn ich es (wieder einmal) nicht geschafft habe, eine Aussage richtig böse, gemein, fies, unanständig und brutal zu formulieren.

Warum das Ganze?
Weil einige Leute es einfach hart brauchen.

Eine ehemalige Mitstudentin erzählt, sie habe in ihrem Chor eine Einsingübung «m-m-m-m-m / mi-i-i-i-i» gemacht. Und eine Altistin habe immer schon bei der ersten Schleife «mi-i-i-i-i» gesungen. Nun hätten wir ja im Studium gelernt, nicht einzelne Sänger blosszustellen, daher habe sie abgebrochen und auf den Fehler hingewiesen: «Erst M, dann MI, es singen noch nicht alle richtig.» Das habe aber nichts genutzt.
Die Chose wiederholt sich noch dreimal, inzwischen wissen alle, alle, alle im Chor, in der Tat jede und jeder, wer das hier falsch macht – ausser eben jener Altistin. In der höchsten Not schreit meine Kollegin:
« DU BIST DAS, SUSE, DU ! DU MACHST DAS FALSCH! «
Worauf die Altistin Suse beleidigt abrauscht, zur nächsten Probe aber wieder erscheint und da dann alles richtig macht…

Ein Freund von mir, den ich lange nicht gesehen hatte, erschien bei mir zum Tag der Offenen Tür anlässlich meines 50. Geburtstages.
Er hatte meinen 44., 45., 46., 47., 48. und 49. Geburtstag vergessen, während ich ihm zu jedem Wiegenfest gratuliert hatte und meistens auch Blumen, ein Buch, eine Schokolade oder Wein geschickt hatte. Als er jetzt in der Tür stand, sagte ich, es sei ja nett, dass er nun auch einmal an mein Jubiläum denke, nachdem ich… Er erwiderte, ich wisse doch, wie das sei, es gebe so viel, und die Zeit renne, und man könne ja nicht immer…
Auch hier musste man deutlich werden:
«DU BIST EIN SCHMAROTZER! JAHRELANG DENKST DU NICHT DRAN, ABER NUN, WENN ES ETWAS ZU BEISSEN UND ZU SAUFEN GIBT, BIST DU DA!»
Übrigens hatte er – Sie ahnen es ja – natürlich kein Präsent dabei.

Zur Spezies, die es auch absolut hart braucht, gehören selbstverständlich Politiker, allerdings läuft man nun hier Gefahr, dass man sofort verklagt wird. Die Ampelregierung hat hier (leider, leider, leider) eine etwas humorlose Gangart eingelegt, während Angie / Mutti hier ein grosses Herz hatte (und viel Humor). Jeder Journalist braucht nun ungeheures Fingerspitzengefühl, um die Gratwanderung zwischen «sehr milde» (versteht der Homo Politikus dann nicht als Kritik) und «beleidigend» (gibt Anzeige) zu vollführen.

Ich habe für meine Handy- und Mailkommunikation drei neue Emojis entwickelt:

Roter, mehrfach aufblitzender Zeigefinger, auf den Leser gerichtet.
Bedeutung: Nimm es persönlich / Nehmen Sie es persönlich

Roter, mehrfach aufblitzender Zeigefinger, nach oben gerichtet.
Bedeutung: Das ist jetzt als Kritik gemeint

Rote, mehrfach aufblitzende Faust.
Bedeutung: Das kommt jetzt nicht so böse rüber, wie es gemeint ist.

Manche brauchen es halt ein bisschen härter.

Wir machen Pause bis zum 17. Juni. Schöne Pfingsten bis dahin.

Dienstag, 27. Mai 2025

Am Bahnhof verhaftet


Neulich wurde ich am Frankfurter Hauptbahnhof von der Polizei festgenommen und erst nach 10 Stunden wieder freigelassen. Oder etwas positiver formuliert: Ich wurde kürzlich am Hauptbahnhof Frankfurt verhaftet und dann aber von der Polizei wieder auf freien Fuss gestellt (wenn auch erst nach 10 Stunden).
Der Grund: Prävention. Ich hatte auf den Videoaufzeichnungen einen nervösen und gestörten, einen kranken und hektischen Eindruck gemacht.

Was für mich sprach: Ich bin ein unbescholtener Bürger.
Trotz langem Suchen in deutschen, Schweizer und sogar niederländischen Registern (Woher weiss der Staat über meine Reisen nach Den Haag?) konnte nichts gefunden werden, was mir etwas Übles zur Last gelegt hätte. Nicht einmal Falschparkieren und Zuschnellfahren – das ist ob der Tatsache, dass ich kein Auto besitze, auch nicht so erstaunlich.
Zum Glück reichten die Listen nur 30 Jahre weit zurück, meine frühen Ausflüge in die Stuttgarter Hausbesetzer-, Antifa- und Kifferszene standen nirgendwo.

Was gegen mich sprach:
Ich hatte auf den Videoaufzeichnungen einen nervösen und gestörten, einen kranken und hektischen Eindruck gemacht.
Und: Ich hatte ein Messer in meinem Rucksack.

Das mit dem Messer war schnell erklärt: Ich hatte nämlich im Zug nach Frankfurt Obst gegessen, Orangen, Apfel, Kiwi. Aber die Polizei glaubte mir zunächst nicht, jeder könnte ja behaupten, ein Obstesser zu sein, und stattdessen entpuppt er sich als Angreifer, Attentäter oder Serienmörder. Ich gab meine Platzreservierung an, man rief im Zug an, aber irgendjemand hatte den kleinen Abfallbehälter schon geleert und die Reste von Orange, Apfel und Kiwi waren nicht mehr da. (Passiert doch sonst nie? Warum gerade jetzt?) und Videoaufzeichnungen gibt es auch keine, nur am Bahnhof. Also musste mein Messer ins Labor und nach 8 Stunden kam tatsächlich Entwarnung: Die Klinge wies Spuren von Orangen, Apfel und Kiwi auf.

Hier also der erste Tipp für Sie, geschätzte Leserin und geschätzter Leser: Sollten Sie in einem ICE der DB Obst essen, Apfel, Orange, Kiwi, Birne, was auch immer, lassen Sie Ihr Messer dreckig, putzen Sie die Spuren nicht ab und tun sie das dreckige Ding in eine Plastiktüte – Sie erleichtern der Polizei damit ihre Arbeit.

Nun zum zweiten und schwerer wiegenden Vorwurf:
Ich hatte auf den Videoaufzeichnungen einen nervösen und gestörten, einen kranken und hektischen Eindruck gemacht.
Ich versuchte den Beamten zu erklären, dass ich immer wieder mal einen sehr nervösen und gestressten Eindruck mache. Und zwar paradoxerweise aus dem Grund, dass ich ein anständiger Mensch bin. Unbezahlte Rechnungen, Verspätungen, Versäumnisse, Terminkollisionen, usw., all das stresst mich. Menschen mit einer grossen Nonchalance, mit viel Laisse-faire, die stresst das nicht. Ein Typ, dem gerade drei Menschen von drei Orten anrufen, die alle auf ihn warten, und dem das am A… vorbeigeht, der würde eben keinen gestressten Eindruck machen, weil er ein unanständiger Typ ist.

Nun habe ich vor fünf Jahren dem Nikotin und vor drei Jahren dem Alkohol abgeschworen. Dies hat meine Stresstoleranz natürlich deutlich gesenkt. Nicht umsonst warben die Zigaretten- und Schnapshersteller in den 70ern mit genau diesem Stresssenken:
«Erst mal entspannen – erst mal Picon»
«Halt, mein Freund! Warum denn in die Luft gehen? Greife lieber zur HB.»
«Schütt die Sorgen in ein Gläschen Wein.»

Ich hatte auf den Videoaufzeichnungen am Frankfurter HBF einen nervösen und gestörten, einen kranken und hektischen Eindruck gemacht.
Ich habe nun noch im diesen mehrfach wiederholten Satz das «HBF» ergänzt. Den das ist doch wichtig! Wir befinden uns auf einem deutschen Bahnhof!
Der Zug von Basel her hatte genau 10 Minuten Verspätung. 10 Minuten, eine Sechstelstunde, 600 Sekunden, genau die Zeit, die wir zum Umsteigen auf den Zug nach Dresden hatten. Mehrere Fahrgäste meldeten dies, die Fahrdienstleistung entschied aber anders, und nun sahen wir, als wir auf Gleis 7 nach vorne liefen, auf Gleis 9 den ICE abfahren. Aber es kommt noch besser: Das Ehepaar, mit dem wir ins Gespräch gekommen waren, erhielt im Reisezentrum noch die letzten beiden Reservierungen für die nächste Verbindung, wir erst für die übernächste – obwohl wir zuerst am Schalter waren. Weil «unser» Schaltermensch den Trick nicht kannte.
Entschuldigung!
Wer sollte da nicht gestresst sein? Wen man es genau nimmt, steckt in jedem Reisenden der DB ein potentieller Amokläufer…

Neulich wurde ich am Frankfurter Hauptbahnhof von der Polizei festgenommen und erst nach 10 Stunden wieder freigelassen. Oder etwas positiver formuliert: Ich wurde kürzlich am Hauptbahnhof Frankfurt verhaftet und dann aber von der Polizei wieder auf freien Fuss gestellt (wenn auch erst nach 10 Stunden).
Der Grund: Prävention. Ich hatte auf den Videoaufzeichnungen einen nervösen und gestörten, einen kranken und hektischen Eindruck gemacht.

Ich bin sehr für mehr Polizeipräsenz an Bahnhöfen. Aber die Verstärkung der Videoüberwachung sehe ich sehr kritisch.





  

  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Freitag, 23. Mai 2025

Online-Bewertungen

Liebe Leserinnen und Leser, ich wollte immer schon einmal eine solche Bewertung mit Ihnen machen, so ein Ding mit Fragen wie etwa:

Wie sind Sie auf die Dienstag-Freitag-Glosse aufmerksam geworden?
O Freunde O Feinde O TV O Radio O Handzettel O Internet O Göttliche Eingebung
O sonstige

Wie oft lesen Sie die Dienstag-Freitag-Glosse?
O jeden Tag O mehr als zweimal in der Woche O zweimal pro Woche O einmal im Monat
O einmal im Jahr O am 29.2. in Schaltjahren O sonstige

Wo lesen Sie die Dienstag-Freitag-Glosse?
O im Zug O im Bus O beim Frühstück O bei der Arbeit O im Freibad O in der Badewanne O sonstige

Wie finden Sie die Dienstag-Freitag-Glosse?
O witzig O informativ O politisch O amüsant O doof O belehrend O sonstige

Was wollten Sie dem Autor immer schon einmal sagen?
O Fahr zur Hölle O Trinke mehr O Weiter so O Du bist grossartig O sonstige

Das ist natürlich alles Quatsch.
Erst einmal: Ich kann Sie ja gar nicht kontaktieren, ich kenne Sie nicht, ich weiss nicht wer Sie sind und habe auch keine Mailadresse von Ihnen. Und die blogger-Seite bietet keinen Bewertungsservice an.
Dann sind die Fragen und Antworten natürlich auch alle Unsinn. Es gibt für die Glosse keine Reklame, nicht TV, nicht Radio und nicht Handzettel. Sie können diesen Blog nicht mehr als zweimal pro Woche lesen, schliesslich erscheint jeweils am Dienstag und am Freitag ein neuer Text. (Daher der Name…)
usw.
usw.

Während ich Sie also nun mit solchem Quatsch verschone, Blicke ich auf die Liste der, die seit Wochen und Monaten auf eine solche Bewertung drängen: Alle Hotels, die ich in den letzten 12 Monaten bewohnt habe, alle Online-Versände, bei denen ich in den letzten 52 Wochen etwas bestellt habe, alle Konzertveranstalter, bei denen ich Tickets gebucht habe und alle Restaurants, in denen ich (mit Online-Reservierung) ass. Dazu kommen Museen, Ausstellungen etc.

Die Liste umfasst 100 Namen, hundert Namen, die mich drängen und drängeln, die quengeln und quaken, teilweise erhalte ich die 14. Mail, weil ich mich konsequent weigere das Bewertungsdings auszufüllen.

Immer erscheint der gleiche Satz, um mich in die Falle zu locken:
«Das Ausfüllen geht 5 Minuten.»
Abgesehen davon, dass das eine glatte Lüge ist, ich würde ja für die hundert Bögen 500 Minuten meines Lebens brauchen, 500 Minuten sind über acht Stunden, ich würde also einen ganzen Arbeitstag mit diesem Mist verplempern.

Besonders liebe ich ja die Frage
«Hat das Produkt Ihre Erwartungen O nicht erfüllt O erfüllt O übertroffen?»
Da habe ich zum Beispiel Blumenerde bestellt, 7 Säcke, und der Baumarkt (War es OBI? War es Hornbach? War es Bauhaus?) liefert mir 7 Säcke mit Blumenerde. Und diese Blumenerde schütte ich in Blumentöpfe und pflanze Blumen hinein. Und das genau hatte ich erwartet.
Da bestelle ich Mohn für meinen legendären Mohnkuchen und erhalte Mohn, den ich für meinen legendären Mohnkuchen brauchen kann. Was soll das mit übertreffen?

In Wirklichkeit hoffen die Firmen ja auf irgendwelche Mängelhinweise oder Verbesserungsvorschläge, Sachen, für die Unternehmen eigentlich Leute anstellen müssten. Wir machen also denen ihre Arbeit.

Nein, ich werde die 100 Mails löschen und nicht einen ganzen Tag damit verschwenden. Nicht bei Sonnenschein – man stelle sich vor, wie braun man in 500 Minuten werden kann…

Liebe Leserin, lieber Leser, ich weiss, Sie haben nicht viel Zeit, auch nicht viel Zeit, daher nur eine Bewertungsfrage:
Wollen Sie mich heiraten?
O Ja
O Nein

Dienstag, 20. Mai 2025

Bezahlbarer Wohnraum

In ihrem wunderbaren Erzählband «Kein Tiger in Sicht» beschreibt Claudia Keller in der Geschichte «Der Cityhopser» die Situation einer jungen Frau, die in Frankfurt von einer schlechten Wohnung in die andere «hopst»: Sie beginnt in einer 5qm-Bruchbude, die anderen, die sich jeweils hektisch und mit viel Vorauszahlung sichert, sind auch nicht besser, ein wenig grösser, aber mies geschnitten, über einer Kneipe, usw., die einzige Traumwohnung liegt (als einzige) in einem nachts leeren Bürogebäude, in dem sie dann Angst hat.
Gleichzeitig wird die Story von Dagmar (80) erzählt, der ihre 8 Zimmer-Bude viel zu gross ist, und die sich über die «unstete Jugend» aufregt, die ständig umzieht…

So weit so gut – oder nicht gut.
Die Geschichte hat, um wirklich lustig zu sein, einen kleinen Fehler, sie ist von 1993. Also 30 Jahre her. Und es wäre so schön, wenn man sagen könnte: «Guck mal, damals hatten wir ein Wohnungsproblem.»
Kann man aber nicht.

Meine Eltern erzählten mir oft, wie sie nach dem Krieg zusammenrückten. Sowohl mein Vater (in Stuttgart) als auch meine Mutter (in Berlin) hatten das Glück gehabt, dass ihre Hütten noch standen und beide Familien nahmen andere auf. So erfuhr ich, dass in meinem Kinderzimmer ab 1945 eine vierköpfige Familie wohnte, also schlief, kochte, ass und lernte; meine Grossmutter in Berlin hatte ihre Freundin Else mit Mann aufgenommen, aber das Zusammenwohnen entpuppte sich als sehr, sehr, sehr anstrengend, weil Else wunderlich war, so sprach sie beim Kochen ständig mit ihrer Suppe: «Na, mein Süppchen, jetzt rühren?», «Na, mein Süppchen, noch etwas Pfeffer?»

Auch diese Geschichte hat den Fehler, zu lange (genau 80 Jahre her zu sein).
Niemand ist ausgebombt zurzeit und kein Haus ist eine Ruine. Trotzdem…

Es war das grosse Thema der Ampel – und es wird das grosse Thema der Nicht-GroKo sein:
Bezahlbarer Wohnraum.
Es wird das Thema sein, an dem auch die neue Bundesbauministerin sich die Zähne ausbeissen wird.

«Bezahlbarer Wohnraum». Das ist ja sowieso ein extrem schwammiger Begriff, weil eben das Wort «bezahlbar» für alle Menschen anders ist. So gibt es eine Reihe von Dingen, die für mich nicht bezahlbar sind, wenn ich es aufliste, dann sind es sogar ganz, ganz, ganz viele Sachen, die mir zeigen, dass ich eigentlich arm bin. Ich kann mir dieses nicht leisten:
eine Jacht
ein Privatflugzeug
Flüge zum Mars
Flüge zum Mond
Ölbilder von Rothko, Pollock, Picasso, etc.
Villen in Malibu, Cannes, usw.



Nun, das ist alles nicht «bezahlbar». Also für mich bezahlbar, wenn ich eine Kaufhauskette besitze, dann vielleicht schon. Oder wenn ich ein grosser Drogenboss bin, dann auch.

Jetzt ist es aber so: Villen, Flugzeuge, Marslandungen, Rothko, Jachten, Picasso, Cannes, Kaviar, Lachs, Mondflüge, auf alles das kann ein normaler Mensch verzichten. Auf eine Wohnung nicht. Ja, der Staat verlangt ja sogar eine richtige Meldeadresse, «unter der Rheinbrücke», «im Dufour-Park», «im Eingang vom Lonza-Bau», all das sind keine gültigen Wohnsitze. Wohnen ist also kein Luxus.
Ich selbst kann mir eine herrliche, grosse, lichte und grüne, eine gut geschnittene und bequeme Wohnung leisten. Und viele Schweizer können das auch noch. In der BRD können viele das nicht mehr.

Die Frage ist, ob die Ansprüche der Menschen zu hoch sind. Käme man mit weniger Platz aus? Muss man sich in der Küche umdrehen können oder genügt es nicht, wenn man sich vor Kücheneintritt überlegt, wie man stehen will? Ist nicht ein wenig Schimmel akzeptabel? (Auf dem Käse liebt man ihn ja…) Brauch man wirklich warmes Wasser, wo doch Kneipp schon nachwies, dass kaltes Wasser gesund ist? Braucht man überhaupt Tageslicht, wo es doch Glühbirnen gibt?
Ich glaube aber nicht, dass diese Ansprüche zu hoch sind, und vor allem schimmelfrei ist sicher eine elementare Sache.

Wie aber nun weiter?
Ehrlich gesagt, ich weiss es auch nicht.
Aber ich bin ja auch nicht Bauministerin – aber die muss das Problem irgendwie lösen.

1945 hockten die Menschen in den wenigen nicht zerbombten Buden zusammen.
1993 hopste die Studentin in Frankfurt von mieser kleiner Wohnung zu mieser kleiner Wohnung.

Und 2025 ist das Problem immer noch da…

Freitag, 16. Mai 2025

Tanzen! Tanzen? Tanzen!

Es ist Freitag, 16. Mai 2025 und ich flüchte vor dem ESC. Während die halbe Welt nach Basel gekommen ist, sitze ich im Zug nach Dresden. Dort werden wir morgen, Samstag, 17. 6. «La Bohème» in der Semperoper anschauen, ich habe die Reise von der KKB zum Runden bekommen. Kleiner Funfact: Dass es im Februar nur noch wenige Tickets gab, zeigt, dass es auch Menschen gibt, die morgen NICHT das Finale gucken.

Aber: Sollte ich nicht besser in Basel bleiben – und tanzen? Ja, Tanzen.
Tanzen.
Wir alle tanzen ja zu wenig, und beim ESC wäre doch eine gute Gelegenheit gewesen.

Wo ich hinschaue, wird getanzt.
Eine meiner Lieblingssendungen im SRF ist – ich oute mich hier jetzt sehr stark – «Mini Chuchi, Dini Chuchi», und diese Kochsendung wird immer durch einen Spot des Hauptsponsors MIELE eingeleitet, in dem ein Paar durch die Küche tanzt, sie schwingen sich und drehen sich und kreisen umeinander, dabei nimmt die eine Person eine Kaffeetasse, während die andere in den Topf schaut und umrührt, alles in einem unerhörter Drive und in völliger Eleganz.
Wir haben das in unserer Küche probiert, das Schwingen und Drehen, dabei landeten sowohl die Bolognese als auch die Penne auf dem Fussboden und mehrere Gläser gingen zu Bruch. Aber wahrscheinlich geht das mit dem Tanzen nur, wenn man wirklich eine MIELE-Küche hat, wir haben SIEMENS, da ging das nicht. Ob es bei BOSCH oder … oder … oder … geht, das bleibt fraglich.

Aber auch in anderer Reklame wird getanzt.
In einem Spot, den ich im Bus in Solothurn sehe, sucht ein Handwerksbetrieb Gesellen und auch Lehrlinge. Und er sucht Leute, die sich von einem Bürojob zum Handwerker umschulen lassen.
In einem Dachgestühl steht nun also ein Mensch im Anzug, steif und unbeholfen – Schnitt – der gleiche Typ hat nun eine Arbeitsmontur an und rockt, was das Zeug hält.
Die Botschaft ist klar, ich frage mich nun aber doch ein paar Fragen: Was würde ich als Kunde sagen, wenn der bestellte Glaser oder Installateur oder Maler nicht glast oder installiert oder malt, sondern lostanzt wie ein Blöder? Und was würde eben jener Arbeitgeber sagen, wenn ich als Berufskundelehrer (der ich bin) einen Schüler schicke, der da einen flotten Stepp hinlegt? Wahrscheinlich würde ich als Kunde eine andere Firma suchen; und der Betrieb würde meinen Schüler wieder heimschicken.

In der dritten Werbung, einer Sparkasse, rockt eine ältere Dame, die scheints kurz vor der Rente steht, los. Und zwar im Büro.
Die Botschaft ist auch hier klar: Wenn du gut abgesichert bist, dann kannst du mit 62 losspinnen, wenn sie dich rauswerfen, egal, deine Pension reicht auch so.
Wäre bei mir jetzt nicht der Fall, mit den Kürzungen, die ein früherer Renteneintritt brächte, würde es mir nicht langen, ich sollte also solche Tanzattacken vermeiden…

Aber dennoch: Tanzen ist gesund, sagt mir das Internet, und alle sollten mehr tanzen
Hätte ich also doch besser in Basel bleiben sollen und auf einer der vielen After-Show-Partys abtanzen? Auf der Ü40? Der Ü50? Oder – ganz, ganz, ganz ehrlich – auf der Ü60?

Vielleicht sollte ich aber auch zu einem so therapeutischen Tanzen gehen, so ganz spirituell und sanft und mit viel kreisenden Bewegungen…
Im Raum Basel wird ja «Tanz wie du bist» angeboten, wobei ich dem Konzept ein wenig skeptisch gegenüberstehe. Wenn jeder so tanzt wie er oder sie ist, das kann ja heiter werden, man stelle sich vor, da kommt ein Gewalttäter und Massenmörder, und der tanzt dann, wie er ist. Oder eine völlig hyperaktive Person, oder alle sind träge und liegen nur auf dem Boden – weil sie halt so sind.
Aber vielleicht ist ja mit «wie du bist» das eigentliche Sein und Wesen gemeint. Das dann beim Tanzen heraustritt.
Wer weiss.

Es ist Freitag, 16. Juni 2025 und ich flüchte den ESC. Während die halbe Welt nach Basel gekommen ist, sitze ich im Zug nach Dresden.
Aber: Sollte ich nicht besser in Basel bleiben – und tanzen? Ja, Tanzen.
Tanzen.
Wir alle tanzen ja zu wenig, und beim ESC wäre doch eine gute Gelegenheit gewesen.

Früher war ich ein sehr guter Standardtänzer gewesen. Sie wissen noch, was Standardtänze sind? Also, das war damals Foxtrott, Walzer, Tango, Cha-Cha, Rumba, Samba und Jive. Und wenn meiner Partnerin damals nicht das Geld ausgegangen wäre, dann hätte ziemlich lange in der Kurs-Erfolgs-Treppe weitergemacht, bis Goldabzeichen oder Gold Star oder so.
Aber vielleicht gehe ich jetzt doch ins Zugrestaurant, einen Jive tanzen. Und wissen, nach welchem Song wir Jive gelernt haben?

«Waterloo».

Wobei wir nun doch wieder beim Songcontest sind.

 

Dienstag, 13. Mai 2025

Das Tagesgeschehen zerstört meine Glosse

In dem wunderbaren Film «Verbrechen und andere Kleinigkeiten» von Woody Allen spielt eben dieser Cliff Stern, einen erfolglosen Filmemacher, der seit Jahren an einer Dokumentation über den jüdischen (fiktiven) Philosophen Louis Levy arbeitet. Dieser Denker besticht vor allem durch seine positive, lebensbejahende und optimistische Sichtweise. Als Cliff endlich eine Produzentin kennenlernt, die den Film unterstützen würde, scheint alles gut zu werden. Da trifft ihn die Nachricht wie ein Schlag: Louis Levy hat sich das Leben genommen. Nun kann Cliff 30 Meter Zelluloid mit positiver, lebensbejahender und optimistischer Sichtweise auf den Müll kippen.

Sehen Sie: Und genauso komme ich mir manchmal vor, wenn mir die Realität und die Tatsachen einen Strich durch die Rechnung machen. Das kam schon häufiger vor, aber im April und Mai häuft es sich derartig, dass ich schreien könnte…
Kann das Tagesgeschehen nicht mal warten, bis ich mit meiner Glosse da bin – oder anders timen?

Ich muss dazusagen, dass ich natürlich nicht auf die Sekunde arbeiten kann.
Ich bin kein Journalist, der bis 2.00 morgens mit 35 Tassen Kaffee wach bleibt, um das amtliche Endergebnis abzuwarten, das er dann sofort für die Online-Dienste bearbeiten muss, und der auf die Kolleginnen und Kollegen vom Print flucht, die nur das vorläufige behandeln mussten und nun schon zuhause sind – die Seiten sind im Druck…
Ich schreibe immer ein wenig im Voraus, häufig beide Glossen für die Woche am Sonntagmorgen, und wenn ich ein wenig aktuell sein will, wird es manchmal blöd.

Natürlich könnte ich über so nette Dauer-Satire-Themen wie «Kaffeeflecken auf dem Jackett bei der Bewerbung» oder «Deutsche Bahn» oder «Passwort vergessen» oder «Handwerker» schreiben, also Dinge, die alle schon Kishon beackert hatte (ausser Passwort), aber wenn man inzwischen über 1300 Posts hat, dann läuft es sich mit «Kaffeeflecken auf dem Jackett bei der Bewerbung» oder «Deutsche Bahn» oder «Passwort vergessen» oder «Handwerker» einfach tot. Ein bisschen Politik und Aktualität muss sein.
Und da kann man auf das Tagesgeschehen manchmal fluchen.

Am 25. und 29. April wollte ich über meine Köln-Reise schreiben. Die Posts waren im Kopf beide formuliert und der erste geschrieben.
Dann starb der Papst, und ich wollte aktuell sein und verschob, am 25. April kam nun der Post «Jetzt einen Schweizer Papst!». (Das ist ja nun nicht eingetroffen…)
Am 29. April und am 2. Mai erschienen nun die beiden Beiträge über meine Reise während der Osterferien.

Schon am Ende des Posts vom 2. Mai kündigte ich an, mich in der darauffolgenden Woche mit der deutschen Regierungsbildung zu beschäftigen. Es war ja klar, die kommen zu Potte, das gibt einen Koalitionsvertrag und das wird eine Regierung.
Was mich nun sehr ärgerte, war, dass die SPD erst am Montag, den 5. Mai ihre Mannschaft zum Besten geben wollte. Da ich am Fünften abends keine Zeit hatte, schrieb ich den Text am Sonntag und liess mich ganz allgemein über die Frage «Brauchen wir Minister?» aus. Dieser Post erschien dann am Dienstag, den 6. Mai.

Nun war die Regierungsmannschaft klar, und für den Dienstag, den 6.5. war die Kanzlerwahl angesagt. Aber was für ein Debakel! Was für eine Katastrophe! Und dazu noch eine Katastrophe zum völlig falschen Zeitpunkt. Ärgerlich: Ein solch verhunzter Erster Wahlgang wäre ein gefundenes Fressen für jeden Satiriker und jeden Comedian, aber eben zeitnah. Es war klar, dass am Ende der Woche sich alle Welt schon über die Wahl ausgelassen haben werden würde. (sic)
Also schrieb ich eine Glosse über die Regierungsbildung und die neuen Ministerinnen und Minister und nannte sie «Habemus Regierung».

Der Titel war natürlich gefährlich, da seit dem Mittwoch das Konklave lief. Nun konnte man durchaus hoffen, dass die Kardinäle nicht so schnell sind und dass am Freitag eine Habemus-Glosse nicht auf den falschen Hintergrund fällt.
Weit gefehlt!
Weit gefehlt!
Weit gefehlt!
Am Donnerstagabend kam der weisse Rauch und um 20.00 wusste die Welt: Leo XIV. ist der erste Papst aus den USA.
Und ich war der einzige Mensch, der ein «Habemus» schrieb, das sich nicht auf Prevost bezog.

In den 70er Jahren schrieben weltweit zig Kunsthistoriker über Bilder von Rembrandt. Und wie ein Damoklesschwert hing die Arbeit des «Rembrandt Research Project» über ihnen: Es konnte jederzeit passieren, dass «Frau mit …», über das sie publizieren wollten, gar kein Rembrandt ist. Und alles war für den Müll.

Sehen Sie: Und genauso komme ich mir manchmal vor, wenn mir die Realität und die Tatsachen einen Strich durch die Rechnung machen. Das kam schon häufiger vor, aber im April und Mai häuft es sich derartig, dass ich schreien könnte…
Kann das Tagesgeschehen nicht mal warten, bis ich mit meiner Glosse da bin – oder anders timen?







 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

Freitag, 9. Mai 2025

Habemus Regierung

In der Neuen Nationalgalerie Berlin bietet sich zurzeit ein spezielles Spektakel. Die japanische Bildhauerin Fujiko Nakaya lässt im Skulpturengarten weissen Nebel aufsteigen, der die Arbeiten einhüllt.
Ohne dass die Künstlerin das wollte, lässt sich der Nebel natürlich als weisser Rauch interpretieren:
Habemus Kanzler.
Habemus Kabinett.
Habemus Regierung.

Am Dienstag wurde Friedrich Merz als Kanzler gewählt, unter relativ blöden Umständen und ziemlich mühsam, und zunächst hätte Nakaya auch erst einmal schwarzen Rauch aufsteigen lassen müssen, aber über dieses Debakel ist ja schon genug geredet worden. Gut. Oder nicht gut.
Wir haben also wieder eine Staatsführung, und wir haben eine Regierung, die sich aus zwei Parteien zusammensetzt, die schon lange regiert haben und jetzt mal endlich etwas machen wollen. Eine Regierung, bei der man es tunlichst gerade vermeidet, von «GroKo» zu sprechen, denn das Wort «GroKo» löst irgendwie die falschen Assoziationen aus.
Und effektiv wäre es ja auch gar keine «Grosse Koalition», denn eine solche bestünde aus den beiden stärksten Parteien, wäre demnach CDU-AfD, die Verbindung, die niemand will.
Habemus Kanzler.
Habemus Regierung.
Habemus Kabinett.

«Beschriebene und Unbeschriebene Blätter»
So könnte man treffend die Ministerinnen- und Ministerriege beschreiben.

Haben Sie sich auch bei jedem zweiten Namen gefragt: «Wer ist das?» Ich glaube, kein Mensch bekommt auch nur 50% der Namen zusammen, einfach, weil man sie noch nie gehört hat. Es wird also bewusst auf frisches, junges Blut gesetzt, neue Namen, neue Ideen, unbeschriebene Blätter, unbelastet und ohne alte Bürde.
Und man fragt sich, ob das immer und in jedem Fall gut ist.

Ein guter Freund von mir ist Trainer eines Vereins in der 3. Liga in Deutschland und wir überlegen seit langem, ob wir mal einen «Rollentausch» machen sollten: Ich trainiere für ein Spiel seine Mannschaft und coache das Team während eines Drittligaspiels. Dafür würde er mit meinem Chor die Kantate III des Weihnachtsoratoriums einstudieren und am Heiligen Abend aufführen.
Der klare Vorteil wäre eben der des «unbeschriebenen Blattes», frischer Wind, neue Ideen, eine ganz und gar unkonventionelle Vorgehensweise, ab von jeder Routine. So würde ich vielleicht auf extrem weiten, langen Pässen bestehen, die zu vielen Toren führen sollten. Oder ich würde den Torwart sich an die obere Latte hängen lassen. Oder ich würde die Mannschaft auf 8 Leute reduzieren – viel übersichtlicher.
Er würde dem Bach-Werk ein völlig neues Gesicht geben. So würde er eventuell die 4 ersten Takte (3/4-Takt) statt in 4 mal 3 in 3 mal 4 gruppieren und dem Ganzen einen ganz neuen Schwung geben: «Herr-scher-des-Him / els-er-hö-re / das-Lal-len-und…»
Sie ahnen es:
Mit ziemlicher Sicherheit würde die gesamte Chose in einem absoluten Chaos enden. Das Fussballteam würde haushoch verlieren und die Kantate III könnte man wahrscheinlich nicht anhören.

So ist das eben nun nicht gesagt, ob die junge und unbedarfte Truppe nun wirklich das Gelbe vom Ei ist. Vor allem, weil die ja alle keine Zeit zum Einarbeiten haben. Man muss ja sofort an die Arbeit, jetzt und nun muss alles geschehen.

Ausser den unbeschriebenen Blättern hat es noch zwei beschriebene:
Boris Pistorius (SPD) bleibt im Verteidigungsministerium.
Alexander Dobrindt (CSU) wird Innenminister.

Pistorius kann frohlocken, er ist eh der beliebteste Politiker, und er kann – dank Sondervermögen – nun das machen, was er am liebsten tut: Panzer einkaufen, Raketen einkaufen, Waffen einkaufen, Munition einkaufen. Vor meinem geistigen Auge sehe ich ihn, wie er mit einem grossen Einkaufswagen durch einen Militär-Supermarkt fährt und einfach von jedem Regal möglichst viel auf seinen Wagen häuft. «Deutschland muss kriegstüchtig werden», so lautet sein Credo.

Dobrindt ist nun ein wenig ein anderer Fall: Der gute CSU-Mann hat schon bewiesen, dass er Minister nicht kann, er war ja Verkehrsminister und hat dort gezeigt, dass er den Ausgleich «Bahn vs. Autobahn» oder «VCS vs. ADAC» oder «Öko vs. Tradition» nicht schafft. Wie soll so ein Mensch, der in einem vergleichsweise kleinen Amt versagt hat, jetzt das für die nächsten Jahre so wichtige Ministerium stemmen? In einer tief zerrissenen und orientierungslosen Gesellschaft ist ja gerade der Bereich, der von Radikalität bis zu Migration so viel umfasst, fast der bedeutendste.

In der Neuen Nationalgalerie Berlin sieht man das Spektakel, dass weisser Nebel (Rauch?) aufsteigt und zu zeigen scheint:
Habemus Kanzler.
Habemus Kabinett.
Habemus Regierung.

Und wir wünschen den beschriebenen wie den unbeschriebenen Blättern, das, was sie brauchen:
Viel Glück.

Dienstag, 6. Mai 2025

Brauchen wir Minister?

Heute geht es (eigentlich) um das neue Kabinett.
Ein bisschen ein schwieriges Unterfangen, denn ich schreibe den Post am Sonntag und die SPD gibt erst am Montag bekannt, wen sie als Ministerinnen und Minister an den Kabinettstisch schickt.
Also wollen wir uns ein wenig grundsätzlich mit dem Thema beschäftigen. Und die eine, die wichtigste, die grundlegendste und elementarste Frage lautet doch: Brauchen wir überhaupt Minister?

Im allerbesten Fall ist es so:
Die Ministerin oder der Minister hat zunächst eine kaufmännische Ausbildung gemacht. Kaufmännische Ausbildung ist immer wichtig, denn Geld regiert die Welt und ist knapp.
Dann hat er oder sie etwas gelernt, studiert, hat geforscht oder gelesen und sich Kenntnisse erworben. Er oder sie erprobt dann diese Kenntnisse in einer passenden Institution, ist das Metier die Medizin, vielleicht in der Leitung eines Spitales, ist es Jura am Gericht, ist es der kulturelle Bereich, leitet man eventuell ein grosses Theater oder ein Museum. Schliesslich ist man zum Platzen kompetent, erfahren und grossartig.
Nun tritt man in ein Ministerium ein, irgendwo in der Mitte und arbeitet sich endgültig hoch. Schliesslich ist er oder sie Staatssekretär oder Staatssekretärin. Nun kommt das Entscheidende: Um weiterzukommen, muss man ein Parteibuch haben, also tritt man in eine Partei ein – am besten eine, die auch ungefähr den eigenen politischen Ansichten entspricht. Jetzt ist der Weg offen zum Ministeramt…
Das ist eine reine Utopie? Nein. Es gibt solche Leute, ich bin mit einer solchen Person in die Schule gegangen.

Der schlechteste Fall geht so ähnlich wie die Notenhandlungs-Geschichte.
In Freiburg gab es eine tolle Notenhandlung. Der einzige Haken war der Eigentümer. Da der Notenhändler nicht genügend Geld gehabt hatte, hatte er sich einen Geldgeber suchen müssen, dem die Bude nun eigentlich gehörte. Das wäre kein Problem gewesen, hätte jener Eigentümer (ich habe ihn nie zu Gesicht bekommen) sich nicht regelmässig eingemischt. 
So kam jener Typ manchmal auf die Idee, die Regale zu voll seien, und er befahl, bestimmte Exemplare nicht fünf- oder sechsfach nachzubestellen. Und manchmal kam er kurz vor dem Ende der Sommerferien auf die Idee, was zur Folge hatte, das die Klavierlehrpersonen, die zu Schulbeginn den Laden stürmten, nichts vorfanden. Denn 20 Exemplare «Rocos Tastenolympiade» oder «Die finnische Klavierschule», genauso wie Haydn-Sonatinen oder der «Mikrokosmos» wären nicht zu viel gewesen. Enttäuscht ging man zum anderen Musikhaus. Der Laden war dann schnell pleite.
Ein schlechter Minister oder eine schlechte Ministerin handelt nun genau so: Er oder sie lässt sein Personal nicht einfach arbeiten, sondern greift ständig ein und stört.
Und stört.
Und stört.
Und stört.

Heute geht es (eigentlich) um das neue Kabinett und wir wollen uns ein wenig grundsätzlich mit dem Thema beschäftigen. Und die eine, die wichtigste, die grundlegendste und elementarste Frage lautet doch: Brauchen wir überhaupt Minister?

Die Wahrheit liegt natürlich – wie immer – in der Mitte.
Vielleicht kann man das Amt auch mit einem Dirigat vergleichen:
Die schlechte Dirigentin und der miese Dirigent stören. Sie stören auf eine Art und Weise, die als solche schon wieder bewundernswert ist. Sie schlagen nicht im Takt und geben falsche Einsätze, und sie tun das so suggestiv, das auch das beste Orchesterpersonal sich dem nicht entziehen kann. In dem herrlichen Kurzfilm «Der Hahn ist tot» wird das klar, dort wird der Kanon so meisterhaft falsch, aber so beeinflussend geleitet, dass auch ich nicht richtig einsetzen konnte.
Der Superdirigent und die Meisterdirigentin sind solche Genies, dass jeder Bläser und jede Streicherin, dass Harfe und Pauke und Celesta quasi an der Stuhlkante sitzen und jeder kleinen Fingergeste folgen.
Die Mitte wäre eine Orchesterleitung, die zunächst einmal spielen lässt, dann an entscheidenden Stellen Impulse gibt, in den Proben Dinge klarstellt und eine generelle Linie vorgibt.

Das ideale Kabinett bestünde nun also aus Menschen, die Ahnung haben und kompetent sind. Und wie zufällig auch noch ein Parteibuch haben, Worst Case sind Leute, die permanent nur stören. Und die Mitte sin die, die ihre Staatssekretärinnen und Staatssekretäre arbeiten lassen.

Und dann braucht es eben eigentlich keine Minister und Ministerinnen, und vielleicht wäre das die beste Botschaft:
Die neue Regierung verzichtet auf Posten, lässt die Ministerien arbeiten und verwendet das ersparte Geld für ein paar neue Gleise. Denn – ich habe es oben erwähnt! – der kaufmännische Bereich darf nicht unterschätzt werden…





 

   

 

 


Freitag, 2. Mai 2025

Köln-Reise 2

So, jetzt geht es weiter mit Impressionen von meiner Köln-Reise.

Das Frühstückslokal

Wir hatten in unserem Hotel kein Frühstück dazugebucht, und mit 25 Euro pro Kopf empfanden wir das als sehr, sehr teuer. Das mag sich lohnen für Menschen, die morgens für den ganzen Tag essen können, ich kann das nicht.
Also brauchten wir ein Frühstückscafé, eines wie das «Gnosa» in Hamburg oder das «Kaiserbau» in Stuttgart. Nun, das sollte ja nicht so schwierig sein. Immerhin bin ich Böll-Kenner und der gute Heinrich empfiehlt ja einiges: Grosse Kaffeehäuser mit elegantem Interieur, Bäckereien, in denen man im Hinterzimmer billig frische Brötchen bekommt und modische Cafés. Bei der Recherche im Internet musste ich aber feststellen, dass die grossen Kaffeehäuser mit elegantem Interieur, die Bäckereien, in denen man im Hinterzimmer billig frische Brötchen bekommt und die modischen Cafés nicht mehr existierten. Kein Wunder, die Tipps sind 60 Jahre alt. Also doch aktuell suchen…
Die ersten beiden Frühstücks-Versuche überzeugten uns nicht ganz, dann aber fanden wir es: Das Oma-Café mit geflochtenen Stuhllehnen, Kuchenbuffet, gedrechselten Tischbeinen, Lampenschirmen und allem, was dazugehört. Und wenn ich Ihnen jetzt verraten würde, wie das Lokal Ecke Untenarestüre und Arestürenstrasse heisst, dann wäre es ja kein Geheimtipp mehr…

Der Schweizer fühlt sich zuhause

Ja, werden Sie jetzt sagen, klar, der Basler ist ja vom Rhein an den Rhein gefahren. Wobei: Der Rhein sieht schon ganz, ganz anders aus. Und damit meine ich nicht nur die Grösse, die ist natürlich imposant, immerhin hat Vater Rhein bis Colonia den Neckar, den Main, die Mosel und die Lahn aufgenommen und die haben immens viel H2O mitgebracht; aber es ist nicht nur die Menge, auch sonst sieht der Fluss anders aus, irgendwie ernster, weniger wässrig, irgendwie gefährlicher, und das ist ja auch so.
Aber es gab noch andere Dinge, die uns heimisch fühlen liessen: Im Wallraf-Richartz-Museum gab es die Ausstellung «Schweizer Schätze», die Impressionisten aus der Stiftung Langmatt in Baden mit eigenen Werken von Monet, Degas und Renoir kombinierte. (Da die Langmatt, das Wohnhaus des Ehepaares Brown, gerade renoviert wird, sind die Bilder auf Reisen.) Passend dazu konnten wir bei einem Besuch in Duisburg im (absolut sensationellen und sehenswerten) Lehmbruck-Museum zusätzlich zu vielen Werken der Sammlung die Ausstellung «Mechanik und Menschlichkeit» sehen – sie zeigte Jean Tinguely und Eva Aeppli.
Das Heimischste und Witzigste war aber dies: Wir sind Seilbahn gefahren. Ja, es gibt sie: Die Kölner Seilbahn. Sie überspannt den Rhein und führt von der Augustustherme bei der Messe in Deutz zum Kölner Zoo.
Ach ja, und Schokolade gab es auch, im Kölner Schokoladenmuseum. Gegründet vom Inhaber von Stollwerck kooperiert es heute mit Lindt & Sprüngli.
Die Frage, die man ausführlich erörtern müsste, wäre, warum der Mensch sich immer so freut, wenn er oder sie im Ausland, in der Fremde, in der anderen Stadt etwas Bekanntes sieht. Denn eigentlich fährt man ja weg, um etwas Neues zu sehn. Das wäre aber nun schon wieder einen eigenen Post wert…

Kölner Mentalität

Ich liebe die Kölner, überhaupt die rheinische Mentalität. Sie ist so weit entfernt vom preussisch-militärischen, vom deutsch-bürokratischen, vom germanisch-verbissenen, dass es eine wahre Freude ist. Immerhin ist ja auch deshalb Köln (und nicht etwa die Spreemetropole) die heimliche schwule Hauptstadt der BRD. Die Denkweise manifestiert sich in den wunderbaren Sprüchen:
Et es wie et es. («Es ist, wie es ist.»)
Et kütt wie et kütt. («Es kommt, wie es kommt.»)
Et hätt noch emmer joot jejange. («Es ist bisher noch immer gut gegangen.»)
Wat fott es, es fott. («Was fort ist, ist fort.»)
Was für ein herrlicher Gleichmut! In der Innenstadt stossen wir dann noch auf ein kleines Denkmal: Auf einem Steinsockel steht da eine Bronzefigur von Jupp Schmitz, Karnevalssänger und Liederschreiber, zahllose Songs sind von ihm überliefert. Einige stehen als nachgeahmte Schriftrollen bei der Skulptur. Und der bekannteste ist hochaktuell, eigentlich höchstaktuell:

Wer soll das bezahlen?
Wer hat das bestellt?
Wer hat so viel Pinkepinke?
Wer hat so viel Geld?

Fernsehen mit Untertiteln

Im Hotel ist der Fernseher so eingestellt, dass er eine minimale Lautstärke nicht übersteigt. Ist das immer so? Oder weil Karwoche ist? Egal, es gibt ja Untertitel.
Die Untertitel nun sind sehr spassig, wenn man «heute» oder «heute journal» schaut, denn hier werden sie live produziert, und da gibt es manchmal herrliche Verschreiber. Mein absoluter, absolutester, extremer Liebling:
Donald Trump hat angekündigt, eine Trollpause zu machen.
Das wäre doch schön, einmal eine Weile keine fiesen Internet-Dinge von dieser Seite. Aber hat er das wirklich gesagt? Natürlich nicht. Gundula Gause hatte gesagt:
Donald Trump hat angekündigt, eine Zollpause zu machen.

So viel von der Reise.
Nächste Woche werden wir uns wohl (oder übel?) wieder mit der deutschen Regierungsbildung beschäftigen müssen.