Freitag, 28. März 2025

Einfache Lösung für eine Reise

Wir fahren vom Kardienstag bis zum Ostermontag nach Köln.
Es ist eine Reise, die seit langem geplant ist, das Hotel ist bestellt, Konzert- und Theaterkarten sind gekauft, Deutschlandtickets sind geordert, denn wir werden auch kleine Ausflüge machen.

Was lange nicht gekauft war, war die Hin- und Rückreise. Und weil die Bahntickets noch nicht in der Schublade lagen, kam uns noch eine Idee: Das Museum Reinhard Ernst (das ich im November 2024 hier als «absoluten Tipp» bezeichnet habe) zeigt eine Frankenthaler-Ausstellung. Helen Frankenthaler ist bei uns fast gar nicht repräsentiert, sie war eine phänomenale Künstlerin im New York der 60er, und Ernst hat eine Riesensammlung, von der er die schönsten Stücke zeigt.
Sollten wir also auf der Rückreise nicht noch einen Schlenker über die Kurstadt machen?

Am 17. März gingen wir zum Badischen Bahnhof, um Tickets mit Beratung zu kaufen. Ich hatte nämlich beim Online-Versuch mit Schrecken gemerkt, dass es zwischen Baden-Baden und Basel einen Schienenersatzverkehr gibt.
Herauskam nun die folgende Tagesplanung für den 21.4.:
8.00 Aufstehen
9. 36 Abfahrt in Köln, den Rhein entlang bis Wiesbaden mit Umstieg in Koblenz, Transfer ins Museum
ca. 12.30 Besuch der Frankenthaler-Ausstellung
ca. 15.00 Abmarsch Museum
15.30 Abfahrt heimwärts via Darmstadt, Stuttgart, Singen
22.30 Ankunft Basel Badischer Bahnhof
Ein Mammuttag also.

Nun kamen noch folgende Dinge hinzu: Ich hatte vergessen, dass wir am Ostersonntag eine Vorstellung des «Don Giovanni» besuchen würden, und das auch nicht in Köln, sondern in Duisburg, auch wenn die Oper um 18.30 beginnen würde (was sie tut), könnte von einem «früh ins Bett kommen» nicht die Rede sein; umgekehrt würde ich am Osterdienstag (wie an jedem Werktag) um 4.30 aufstehen müssen, heisst, auch bei aller Pünktlichkeit würde es eine kurze Nacht, wenn allerdings DB uns erst um 23.30 oder 0.30 in Basel abliefern würde, käme ich nur zu einem Powernap, allerdings zu einem Powernap nicht PLUS sondern STATT eines Nachtschlafes.

Mir war also nicht wohl, das Ganze war eine bescheuerte Aktion. Dann kam mir am nächsten Morgen eine zündende Idee:
Wie wäre es, wenn man die Tour umdrehte und den Besuch der Frankenthaler-Ausstellung auf der HINFAHRT machte? Wann wir in Köln sein würden, war ja egal, man musste nur dem Hotel Bescheid sagen, dass wir erst um 20.00, 21.00 oder 22.00 erscheinen würden. Und am Mittwoch, den 16. April könnten wir ja ausschlafen…

Also noch einmal zum Badischen Bahnhof, Reise storniert, dann noch einmal gesucht, gefunden, gebucht und – siehe da! – wir entdeckten sogar, dass die Bauarbeiten südlich von Offenburg sein werden und somit eine Reise mit der Schwarzwaldbahn möglich machen, die berühmte Strecke mit ihren Kehrtunnels und Brücken wollte ich meinem Partner eh immer schon einmal zeigen.
Es ergab sich nun folgende ideale Reise:
Am 15. 4. fahren wir um 10. 22 gemütlich nach Frankfurt, dort wechseln wir zur S-Bahn, fahren in die Hessische Landeshauptstadt und gucken dort Frankenthaler. Wenn das beendet ist, fahren wir in aller Ruhe durch den Rheingau nach Köln – und sind dort um 21.00 oder 22.00, völlig egal.
Rückreise am 21. 4. via Karlsruhe und Singen (durch den Schwarzwald), Abreise 11.00, Ankunft 18.15 in Basel.
Und weil bei dieser Variante noch mehr Nahverkehr genutzt wird (Deutschlandticket!), konnte ich nach der Stornierung noch einen Gutschein mitnehmen…

Es zeigt sich, dass es manchmal eine ganz einfache Lösung gibt, aber wir kommen nicht drauf. Wieso habe ich einen halben Tag und eine ganze Nacht gebraucht, um auf die einfachste aller Möglichkeiten zu kommen, nämlich die Reise ganz simpel umzukehren? Warum waren wir so fixiert darauf, der Museumsbesuch müsse auf der RÜCKREISE passieren? Wo ja übrigens der Dienstag vor Ostern auch noch viel leerer sein wird wie der Ostermontag?

Manchmal ist man einfach blind, manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht, manchmal liegt die Lösung vor einem und man steigt 10x drüber und bemerkt gar nicht, dass man über etwas steigt.
Manchmal hat man Schuppen vor den Augen, die eben nicht fallen.
Manchmal müsste man jemand fragen – jemand von aussen.

Wenn ich die Welt gerade so betrachte, dann würde ich auch gerne einen Alien anrufen und ihn fragen: «Du, du als Aussenstehender, was machen wir falsch?» Und vielleicht hätte der Alien eine ganz einfache Lösung…

Wir fahren vom Kardienstag bis zum Ostermontag nach Köln.
Und wir freuen uns riesig, und das ist erst einmal gut so.



Dienstag, 25. März 2025

Schuldenmachen lernen im Lateinunterricht

Ich habe meine Lateinkenntnisse bei Prof. Dr. Werner Stegmaier erworben. Später Ordinarius in Greifswald, war er in 70ern und 80ern Lehrer am Wagenburg-Gymnasium in Stuttgart. (Erfinde ich jetzt nicht, Sie können ihn googeln und er hat auch einen Wikipedia-Eintrag…)
Es gehört übrigens zu den Merkwürdigkeiten meiner Laufbahn, dass ich am mathematisch-naturwissenschaftlichen Wagenburg den besten Lateinunterricht erhielt, aber eine katastrophale Matheausbildung, und dass es sich dann am altsprachlichen Eberhard-Ludwigs-Gymnasium umdrehte, den besten Matheunterricht der ganzen Stadt und in Latein eine totale Pfeife als Lehrer.

Aber ich schweife ab. Ich wollte ja in die Jahre 1977 – 1982 zurück.
In diesen Jahren lernten wir bei Herrn Stegmaier zunächst anhand «Cursus Latinus I», «Cursus Latinus II» und «Cursus Latinus III» die schönen Dinge wie Ablativus Absolutus, von Kennern liebevoll «Abl-Abs» genannt, oder auch das Gerundium und das Gerundivum. Später wendeten wir uns den Lektüren zu, und die erste war – viele von Ihnen werden sich mit Grauen erinnern – «De Bello Gallico» von Herrn Caesar (den wir damals noch «Zäsar» aussprachen und nicht «Kaisar» wie heute).

Stegmaier – und das muss man ihm lassen – konnte aber auch aus einer so drögen und blöden Sache wie einer Kriegsberichterstattung (nix anderes ist der Text) wichtige Dinge herauslesen und uns wichtige Erkenntnisse mitgeben. Eine betraf das Schuldenmachen:
Bevor der gute Julius mit den berühmten Würfelworten den Rubikon überschritt, hatte er nämlich Schulden in astronomischer Höhe angehäuft. Caesar MUSSTE Rom erobern, sonst hätte er den Rest seines Lebens im Schuldturm verbracht. Ja, er hätte die Geldmenge niemals auftreiben können.

Und nun kam der (nicht ganz ernst gemeinte) Rat von Dr. Stegmaier (Prof. war er noch nicht):
Macht keine Schulden in grosser Höhe, wenn dann in schwindelnden Höhen. Wenn ihr die Menge an Zaster zu euren Lebzeiten nicht mehr auftreiben könnt, dann ist es egal, ob ihr sie um 2 oder 20 Millionen übertrefft. Wenn ihr also nur 100000 zurückzahlen könnt, ist es völlig wurscht, ob ihr eine, zwei oder drei Millionen ausleiht. Ihr hinterlasst einen Schuldenberg, wenn ihr sterbt, und nach dem Tod kann es euch egal sein.
Caesar hat das genauso gemacht.

Und Stegmaier redete ja hier zu Privatmenschen, zu Schülerinnen und Schülern, Firmen hatten immer schon die Möglichkeit sich aller Schulden zu entledigen. Ob die FIGIT GmbH 2 Millionen oder 4 Millionen nicht bezahlen kann, das ist völlig egal, es kommt zum Konkursverfahren, das Unternehmen wird zerschlagen, die Gläubiger bekommen (je nach Platz auf der Liste) etwas ab oder sie bekommen nichts. Die Gesellschafter der FIGIT haften nur mit ihrer minimalen Einlage – daher «mit beschränkter Haftung».
Später führte man dann auch den Privatkonkurs ein, einfach weil es als unfair erschien, dass Firmen hier anders behandelt wurden, auf Deutsch, dass Sie mit ihrer Firmen Ihre Schulden «los» würden und als Privatmensch nicht. Also auch hier etwas Ähnliches: Sie zahlen sieben Jahre, dann ist alles wieder gut.
Die modernen Paragrafen geben also noch viel mehr Werner Stegmaier recht, wenn Sie in den Privatkonkurs gehen, dann zahlen Sie Ihren Lohn minus Existenzminimum mal 84, alles darüber hinaus ist geschenkt. Also ist es auch hier völlig wurscht, ob Lohn minus Existenzminimum mal 84 um den Faktor 2, 10, 20 oder 200 übertroffen wird.

Ist die deutsche Politik bei Prof. Dr. Stegmaier in die Lehre gegangen?
Man könnte den Eindruck gewinnen.
Denn auch wenn der wunderbare Ausdruck «Sondervermögen» erfunden wurde, es sind Schulden. «Sondervermögen» klingt ja so, als ob hier Geldsummen irgendwo herumliegen, die für spezielle Anlässe gebraucht werden können:
Das gelbe Sparschwein, in das man das Geld einzahlt, das man spart, seitdem man nicht mehr raucht, und das für Kurzurlaube benutzt wird.
Das rote Sparschwein, in das man übrige Zwei-Euro-Münzen einzahlt, und das für Geschenke benutzt wird.
Das blaue Sparschwein, in das man das Geld einzahlt, das man spart, wenn man immer korrekt parkt, und das für nicht vorhersehbare Reparaturen benutzt wird.
(Und immer steht da Robert Lemke und fragt: «Welches Schweindl hättens denn gern?»)
So ist es aber nicht. Keineswegs. «Sondervermögen» heisst Schulden. Schulden, die die kommenden Generationen bezahlen müssen.

Und hier greift die Caesar-Regel; es ist völlig wurscht, ob der deutsche Staat eine Billion, zwei Billionen oder drei Billionen aufnimmt, zahlen kann man es eh nicht.

Was aber passiert, wenn ein Land pleitegeht? Wenn man die 1000000000000, die 2000000000000 oder die 3000000000000 nicht zahlen kann?
Das ist doch die Frage.

Ich habe meine Lateinkenntnisse bei Prof. Dr. Werner Stegmaier erworben. Später Ordinarius in Greifswald, war er in 70ern und 80ern Lehrer am Wagenburg-Gymnasium in Stuttgart. Und neben vielen Grammatiktricks und Übersetzungsstrategien gab er uns den Rat mit: Schulden nie in grosser Höhe, immer in astronomischer.
Und die Bundesregierung scheint auch in meiner Lateinklasse gewesen zu sein.

     

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

 

Freitag, 21. März 2025

Wohnen im Büro?

Es gab ein wundernettes Chanson, in dem Katja Ebstein sich bei ihrem fiktivem Mann beschwerte, er sei nie daheim:

Dann heirat' doch dein Büro
Dann heirat' doch dein Büro
Stell dir ein Bett dort hinein
Und schlaf mit den Akten und Computern ein
Dann heirat' doch dein Büro
Du liebst es doch sowieso
Dort hast du deine Show
Drum geh' und heirat' doch dein Büro

Ein Freund von mir hat jetzt genau das gemacht. Er hat sich in seinem Büro ein Bett hineingestellt und schläft zwischen Akten und Computern ein. Aber nicht, weil er ein Workaholic ist oder weil er nicht heim zu seiner Freundin will (er hat gar keine), sondern aus simplen finanziellen und taktischen Gründen.
Und das kam alles so:

Vor drei gründete Nino in Zürich eine Ich-AG, also eine Firma, die zunächst nur aus ihm bestand und sich erst einmal etablieren musste. Im Herbst 2024 hatte die Firma, die sich hauptsächlich im Metier Coaching und Beratung tummelte, sieben Angestellte. Bis zu diesem Zeitpunkt arbeiteten alle seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, nämlich Nina, Nena, Nemo, Mona, Moni, Momo und Memo, von zuhause aus, wenn sie nicht gerade unterwegs waren und coachten und schulten. Besprechungen machte man mit Zoom und alles Schriftliche mit Messengerdiensten.

Nun fand man aber irgendwann, dass es toll wäre, wenn Nino, Nina, Nena, Nemo, Mona, Moni, Momo und Memo sich regelmässig sehen würden und man für DARFUTIONS® (man darf ja und soll nicht, Nino war schon immer ein Spassvogel…) ein Headquarter hätte, in dem Nino, Nina, Nena, Nemo, Mona, Moni, Momo und Memo je einen Schreibtisch hätten.
Gleichzeitig wurde Nino gekündigt, also wohnungstechnisch. Nino war also in der blöden (oder guten?) Situation, zwei Objekte gleichzeitig zu suchen.

In einer normalen Welt – aber welche Welt ist noch normal? – würde man von einer 3-Zimmer-Wohnung mit ca. 80 qm2 und einem Workspace mit vielleicht 150 qm2 ausgehen, und das ist ja schon sehr üppig, Nino, Nina, Nena, Nemo, Mona, Moni, Momo und Memo sind ja sehr viel unterwegs, und wenn nicht, möchten sie ja zusammentreffen, es geht also nicht um ein Objekt mit sieben Einzelbüros, sondern eher um einen offenen, loftigen und luftigen Grundriss.

Nino suchte nun.
Und suchte.
Und suchte.

Aber es war wie verhext: Alle Wohnungen, die man ihm anbot, waren entweder ein Wohnklo mit Tisch, oder sie waren nicht renoviert, oder sie waren im Rotlichtbezirk, oder sie hatten kein Tageslicht.
Oder:
Sie waren unbezahlbar. Nino war einfach nicht bereit, für eine schöne, helle und gut geschnittene Wohnung 8500 Sfr hinzublättern.

Ganz anders bei den Büros: Man warf ihm – sofern das sprachlich geht – die Quadratmeter förmlich hinterher. In den vergangenen Jahren hatte man in Wiedikon, Witikon und Wipkingen (ich erfinde das nicht, googlemapsen Sie es) dermassen viele Bürohäuser gebaut, dass Wiedikon, Witikon und Wipkingen von Workspaces überquollen:
300 qm2 für 2000 Sfr in Wiedikon
400 qm2 für 1800 Sfr in Witikon
500 qm2 für 1900 Sfr in Wipkingen.

Und Nino tat das Richtige: Er mietete ein Wohnklo mit Tisch für 500 Franken (als Adresse) und den Workspace in Wipkingen, er bietet nicht Arbeitsraum für Nino, Nina, Nena, Nemo, Mona, Moni, Momo und Memo, sondern auch noch 200 Meter Wohnraum für Nino, mit Fitnessraum, Billardtisch, Fernsehzimmer usw., und natürlich dürfen auch Nina, Nena, Nemo, Mona, Moni, Momo und Memo die Räume benutzen.

Selbstverständlich ist das völlig illegal. Nino darf offiziell nicht in seinem Büro übernachten (deshalb habe ich auch alle Namen geändert, und das ganze ist auch nicht in Zürich…), aber was soll der Arme machen?
Es müsste ein Umdenken geben – und ein Umwidmen, wenn wir leerstehende Büros haben und zu wenig Wohnungen.

So gesehen hatte Katja ziemlich recht:

Dann heirat' doch dein Büro
Dann heirat' doch dein Büro
Stell dir ein Bett dort hinein
Und schlaf mit den Akten und Computern ein
Dann heirat' doch dein Büro
Du liebst es doch sowieso
Dort hast du deine Show
Drum geh' und heirat' doch dein Büro



 

 

 


Dienstag, 18. März 2025

Datenschutz beim Kaffeekauf

Ich habe mir eine Lizenz für Privatermittlung besorgt, also quasi einen Privatdetektiv-Ausweis.
Und zwar nicht, weil ich irgendwelchen Leuten hinterherspionieren möchte, sondern für eine spezielle Situation:
Den Kaffeekauf.

Ich hatte mich neulich mit meinem Partner um 14.15 an der MIGROS am Bankverein verabredet, um unseren Wocheneinkauf zu erledigen. Gleichzeitig war ein Besuch des Nespressoladens angesagt, denn wir hatten keine Kapseln mehr.
Als ich um 13.55 am Nespresso vorbeikam, war ich mir nun nicht sicher, ob ich den Kaffeekauf tätigen sollte. Es gab nämlich die Möglichkeit, dass mein Partner schon dagewesen war, und dann hätten wir solche Unmassen von Kapseln, dass unser Schrank platzen würde.

Wie also herausfinden, ob er schon eingekauft hatte? Er hat kein Handy, war nicht erreichbar, und natürlich zu Hause schon weg.
Eins wusste ich: Hineinlaufen und fragen, ob eine bestimmte Person schon dagewesen sei, das konnte ich getrost vergessen, auch wenn ich nachweislich die gleiche Adresse habe. Es hatte schon bei der Ummeldung nach unserem Umzug nur mit halbstündigem Bitten funktioniert, damals verlangte die Verkäuferin, als ich unsere beiden Accounts ändern wollte, eine Vollmacht und liess sich nur mit Tränen erweichen…

Nein, also einfach fragen würde nicht gehen, man würde mir das allfällige DATENSCHUTZ entgegenschmettern, nein, unmöglich.
Würde der Swisscom-Trick gehen? Der Swisscom-Trick geht so: Wenn ich irgendwas mit der Swisscom besprechen muss, und es betrifft nicht meine Anschlüsse, dann sage ich nicht, ich sei der Partner, dann geht nämlich nix mehr, sondern ich sage, ich sei er und rufe vom Handy des Partners an. Ich werde dann immer nach der Wohnadresse gefragt, kein Problem, das ist meine eigene. Dann fragen sie nach meinem Geburtstag, hier muss ich aufpassen, nicht den 14. 2. 1965 zu nennen, sondern das andere Wiegenfest, auch dieses Datum habe ich natürlich im Kopf…
Der Swisscom-Trick beruht auf der Erkenntnis, dass, wenn Sie in einem normalen Laden behaupten, Sie seien XY, Sie nie nach einem Ausweis gefragt werden.

Der Swisscom-Trick bei Nespresso würde also bedeuten, ich gehe hinein, sage ich sei …. …. und frage, ob ich heute schon dagewesen sei. Nur: Wie mache ich klar, warum ich das nicht weiss? Die Frage klingt ja überaus bescheuert. Sage ich, ich hätte Alzheimer? Sei dement? Mir sei eben ein Ziegelstein auf den Kopf gefallen? Oder ich sei einfach verpeilt? Psychisch krank?
Aber es könnte sein, dass die Verkäuferin dann einen Krankenwagen holt.

Datenschutz.
In einer Zeit, in der jedermann und jederfrau sämtliche Arztbesuche auf Instagram veröffentlicht, in der man im Internet alles und jedes über die gesamte Menschheit rausfindet, in einer Zeit, in der wir alle gläsern sind, in dieser Zeit ist es nicht möglich, in einen Nespressoladen zu laufen und zu fragen:
«Können Sie mir sagen, ob … … heute schon da war?»

Ich habe mir nun eine Lizenz für Privatermittlung besorgt.
Dass wir uns recht verstehen: Dies ist keine staatliche Lizenz, die gibt es nämlich nicht, ein Detektiv hat in der Schweiz die gleichen Rechte und Pflichten wie jeder andere Bürger auch, mehr nicht. Gewisse Institute, wie z. B. die Detektei und Ermittlung im Recht (DER), Detektiv Institut der Eidgenossen (DIE) und Detektiv Akademie Schweiz (DAS) vergeben aber solche Lizenzen. Ausweise von DER, DIE oder DAS sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen, aber die Dokumente von DER, DIE, DAS machen Eindruck.
Gewaltigen Eindruck.

Ich werde nun also in Zukunft, in grauem Trenchcoat und mit einem Hut auf, genauso wie der legendäre Arbogast im legendären «Psycho» in die Hotels läuft, bis er im Bates Motel die Verschwundene findet – und auch seinen Tod, genauso werde ich ins Nespresso laufen:
«Guten Tag.»
«Guten Tag.»
«Ich bin Privatermittler. Hier ist mein Ausweis. Kennen Sie den Mann auf dem Foto?»
«Ja, der war vor einer Viertelstunde da!!!!!»
«Vielen Dank.»
«Hat er etwas ausgefressen? Der sah so überaus sympathisch aus.»
«Das darf ich Ihnen aus taktischen Gründen nicht sagen. Schönen Tag noch.»

So werde ich das machen. Denn eines ist klar: Wir brauchen Datenschutz. Wo kämen wir hin, wenn alle wüssten, dass ich Nespresso kaufe.

Obwohl ich das ja gerade hier veröffentlicht habe.



 

Freitag, 14. März 2025

Die falschen Blitzentscheidungen

In seinem wunderbaren Film «Der Haus-Tyrann» spielt Heinz Erhard einen mürrischen, ekligen, widerlichen und misanthropischen Kaffeehausbesitzer. Eigentlich ein Paradox, und entsprechend schlecht laufen auch die Geschäfte.
Als in einer Szene eine Dame sich vier Würfelzucker in den Kaffee tut, dann aber nicht umrührt, weil sie es angeblich gar nicht gerne so süss hat, ergreift Erhard die Tasse, den Löffel, rührt lautstark um und befiehlt der Lady wütend und lautstark, sie solle das jetzt trinken.

Gut, kann man so nicht machen, der Gast ist König und die Gästin Königin und der Kunde hat immer recht, aber ein wenig, ein wenig, ein bisschen, ein kleines bisschen kann man den Kaffeehausbesitzer ja auch verstehen. Wieso schmeisst man vier Würfelzucker hinein, wenn man keinen will? Wieso entscheidet man sich klar für A, wenn B viel besser wäre?

An diese Szene in dem Film musste ich denken, als ich neulich im Schwimmbad war.
Ich schwamm auf den Beckenrand zu, an dem ein anderer Schwimmer ein Päuschen machte. Er war Krauler, also viel schneller als ich. Ich dachte nun natürlich, dass er wieder losschwimmt und ich dann in seinem Schlepptau nachfolgen könnte, aber gefehlt: Er liess mich vor. Er liess mich vor, um mich dann auf der Hälfte meiner Bahn schwungvoll, dynamisch und kräftig zu überholen, wobei er mit seinem Armschlag mein linkes Ohr traf. Nicht schlimm, aber es tat weh.
Warum lässt er mich vor, wenn er dann doch sofort startet und mich überholen muss?
Auch hier wieder das gleiche Schema: Ich kann mich für A entscheiden oder für B, entscheide falsch, und ich muss die Konsequenzen wieder ausbügeln, die ich sonst nicht gehabt hätte.

Das dritte Beispiel begegnet mir später im SB-Bereich meiner Bank:
Der Boden ist übersät mit Quittungen, Quittungen, die die Leute nicht mitnehmen wollten – aber die sie angefordert haben, denn es gibt bei Auszahlungen die beiden wunderbaren Tasten
7 – Bestätigen mit Beleg
8 – Bestätigen ohne Beleg
Wenn ich nun partout keinen Zettel mitnehmen möchte, dann drücke ich die 8, ich drücke nicht die 7 und werfe den Zettel dann weg, natürlich auf den Boden, denn ein Papierkorb steht ja keiner da. Es steht übrigens keiner da, weil man davon ausgeht, dass die Leute, wenn sie schon 7 drücken die Quittung auch mitnehmen.

Nun werden Sie mir einwenden und reden und sagen, dass Menschen ja ihre Meinung ändern können. Gut, das ist so, und da bin ich auch sehr dafür. Es ist super, wenn man den Kopf ein wenig wendet und neue Aspekte sieht und Meinungen auch mal revidiert.
Aber so schnell? In so kurzer Zeit?

Man braucht nur zwei Sekunden, um nach dem Hineinwerfen von Würfelzucker den Löffel zu ergreifen und den Umrührvorgang zu starten. In genau diesen zwei Sekunden hat sich die Dame entschieden, den Kaffee doch schwarz und ungesüsst zu trinken? Nachdem sie zwei Sekunden vorher ja noch die Option SEHR SÜSS im Kopf hatte, sie benutzte ja vier Würfel?
Ich glaube das kaum.

Ich hatte ca. 10 Sekunden Vorsprung, als der Crawler mich einholte und mit seinem Schwungarm auf mein Ohr schlug. In diesen 10 Sekunden hat er seine Meinung geändert, er hat entschieden, dass er jetzt sofort weiterschwimmen muss, und dass er unbedingt VOR mir sein muss? Und es hatte dann auch keine weiteren 10 Sekunden Zeit, dann wäre nämlich ich am anderen Ende am Beckenrand gewesen und hätte ihn vorgelassen?
Kaum zu glauben.

Und wie viel Zeit vergeht zwischen dem Drücken der Taste «Bestätigen mit Beleg» und dem in der Hand halten – mit dann dem Entschluss, den Zettel doch nicht haben zu wollen? Auch nicht so viele Sekunden.
Auch hier nicht wahrscheinlich, dass man sich spontan umentschieden hat…

Nein.
Hier würde das Verfahren helfen, dass ich schon mehrfach und oft und immer wieder vorgeschlagen habe:
Nachdenken.
Und zwar vorher.

Das hätte nun auch einem Herr Merz geholfen, das hilft nämlich, wenn man ein Sondervermögen von 500000000000 Euro für Infrastruktur und ein unbegrenztes Sondervermögen für Rüstung auf den Weg bringen will. Dann schwatzt man nicht einfach mal los, und verkündet und verkündet und redet, und stellt dann fest, dass man ja eine 2/3-Mehrheit braucht und die Stimmen der Grünen, und das ganze noch im ALTEN Parlament, und man hätte nicht auch noch zwei BVG-Klagen am Hals, von der AfD UND von den LINKEN.
Nachdenken ist manchmal nicht schlecht.

Heinz Erhard hat wahrscheinlich viel nachgedacht.
Sonst wäre er nicht auf so wundervolle Gedichte gekommen.